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„Wenn man sagt, das sei ein Fehler gewesen, dann gestehe ich diesen Fehler ein“, spielte der Bischof auf RAI Südtirol den Einsichtigen. „Andere“ sagen, die inzwischen zurückgenommene Beförderung von Priester Carli ist ein Fehler gewesen, das sagt aber nicht der Bischof.
Das ist keine Einsicht, kein Erkennen des eigenen Fehlers, schon gar keine Entschuldigung. Und der Bischof sagte außerdem, dass er die Ernennung ohne „schlechtes Gewissen“ traf. Immerhin wird Giorgio Carli in der Missbrauchs-Recherche der Münchner Kanzlei Westphal Spilker Wastl als erschreckender „Fall 16“ aufgeführt. Ein „Fall zum Kotzen“ , beschrieb in der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ Landtagsabgeordneter Paul Köllensperger die Schwere des Missbrauchs und der Vergewaltigung.
Und der Bischof setzt noch einen drauf. „Vom Juridischen her ist Don Giorgio einsetzbar“, beharrte Bischof Muser auf RAI Südtirol auf die Richtigkeit seiner damaligen Entscheidung. Stimmt so nicht.
Juridisch einsetzbar?
2003 verhaftete die Polizei den damaligen Kaplan der Pfarre San Pio X in der Bozner Reschenstraße wegen wiederholten Missbrauchs eines minderjährigen Mädchens. Im ersten Prozess wurde Carli freigesprochen, im zweiten Prozess zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. 2009 hob die Kassation dieses Urteil auf. Wegen Verjährung. Freispruch klingt anders.
Unverständlich wie er den „Fall Carli“ managt: „Es war auch niemand, der mir davon einfach abgeraten hat“, schiebt Ivo Muser seinen Mitarbeitern Verantwortung und Schuld zu.
2013 entschied das Landesgericht Bozen in einem Zivilprozess, dass Carli und die Diözese dem missbrauchten Mädchen 700.000 Euro Schadenersatz zahlen müssen. Der damalige Pressesprecher der Diözese fand das „eigenartig“, zitierte salto.bz Martin Pezzei. Schönredend befand er damals: „Wir sind überrascht und enttäuscht, dass jemand, der strafrechtlich weder angeklagt noch verurteilt wurde, im Zivilprozess zur Zahlung einer Strafe verurteilt werden kann.“ Pezzei blendete wohl offensichtlich und bewusst die Realität aus.
Wie jetzt der Bischof. Unverständlich wie er den „Fall Carli“ managt: „Es war auch niemand, der mir davon einfach abgeraten hat“, schiebt Ivo Muser seinen Mitarbeitern Verantwortung und Schuld zu. Der Bischof hätte sich vom „Missbrauchs“-Verantwortlichen der Diözese, Gottfried Ugolini, beraten lassen können. Der Bischof hätte nachfragen können, warum sein Priester um Versetzung angesucht hatte. In seinem „Wirkungsbereich“ soll es Unmut gegeben haben.
Was nun Herr Bischof?
In der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ fragt sich Chefredakteur Artur Oberhofer: „Was nun, Herr Bischof?“ Oberhofer empfiehlt Muser, die Vertrauensfrage zu stellen. Dafür ist es zu spät. Der Bischof und sein Generalvikar Runggaldier sollten zurücktreten. Sie nahmen das eigene Missbrauchs-Gutachten nicht zur Kenntnis, kümmerten sich nicht um die Opfer ihrer missbrauchenden Mitbrüder, sie scherten sich nicht um die Schutzbefohlenen.
Wenn sie ihrer Kirche nicht weiter schaden wollen, sollten – Bischof Muser und Generalvikar Runggaldier abdanken und in einer langen Sabbatzeit ihr Tun reflektieren. Vielleicht hilft es.
Es klingt wie Hohn, wenn der Bischof auf RAI Südtirol lautmalerisch unterstreicht, dass der Diözese die Aufarbeitung der vielen Missbrauchsfälle wichtig ist und dass sich die Diözese auf die Seite der Opfer stellt. Keineswegs ist dem so, heißt es in einem offenen Brief.
Peinlich bleibt auch, wie sich die Pfarrgemeinderäte im oberen Pustertal geschlossen hinter den Bischof stellten, wie der Innichner Bürgermeister Klaus Rainer von einer „medialen Hetze“ schwafelte.
Es gab unerwünschte innerkirchliche Gegenrede, Priester Ugolini sowie die Jungschar und die Katholische Jugend widersprachen dem Bischof. Der große Rest schwieg. Zurecht stellte Ugolini fest: „Es ist erneut Vertrauen verloren gegangen.“ Wenn sie ihrer Kirche nicht weiter schaden wollen, sollten – wie bereits angedeutet – Bischof Muser und Generalvikar Runggaldier abdanken und in einer langen Sabbatzeit ihr Tun reflektieren. Vielleicht hilft es.
Gut, dass es Journalistinnen wie Lisa Maria Gasser gibt. Sie holte aus der langen Liste „der neuen Dekane“ für die „Neue Südtiroler Tageszeitung” den doch „prominenten“ Namen Giorgio Carli heraus.
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