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Sarah Meraner
Veröffentlicht
am 24.07.2023
MeinungKommentar zur Bodypositivity

It’s all about… our body?

Veröffentlicht
am 24.07.2023
Unser Aussehen bestimmt unser Leben. Unsere Autorin fragt sich, warum das so ist und ob Begriffe wie Body Positivity oder Body Neutrality es wirklich schaffen können, diese Überpräsenz zu reduzieren. Ein Kommentar.
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Körperbezogene Denkweisen („Das kann ich nicht anziehen, das sieht blöd an mir aus.“) oder Komplimente („Heute bist du aber hübsch.“) sind in unserem Alltag fest verwurzelt und gehören ganz selbstverständlich dazu. Auf Social Media und in der Werbung begegnen uns neben Sport- und Fitness-Influencer:innen inzwischen auch Speckröllchen, die stolz vor der Kamera geschüttelt, Cellulitestreifen, die wie Kunst präsentiert werden und körperbejahende Quotes, wie „Jede Figur ist eine Bikinifigur“, „Love your body“ oder „Du bist schön, so wie du bist“. Ja, der Hype um den Begriff Body Positivity zelebriert unseren Körper wie noch nie zuvor. All das – egal ob körperbezogene Aussagen, falsche Schönheitsbilder oder auch Body Positivity – haben aber eines gemeinsam: Ihr Hauptthema ist und bleibt das Aussehen. 

Doch ich frage mich: Muss unser Körper denn überhaupt ständig gefeiert werden und noch dazu immer im Fokus unserer Aufmerksamkeit stehen? Warum lässt sich die Fixierung aufs äußere Erscheinungsbild, das uns unser Leben lang, Tag für Tag, aufgeschwatzt wurde – und noch immer wird –, nicht ablegen? Unser Körper hält uns mit seinen Meisterleistungen am Leben – und doch kämpfen wir ein Leben lang mit ihm. Statt ihn für all seine Leistungen wertzuschätzen, reduzieren wir ihn auf sein optisches Erscheinungsbild. Und blenden so zudem all das aus, was uns als Menschen ausmacht: Gedanken, Emotionen, Wünsche und Bedürfnisse. Was genau hindert uns aber daran, unseren Körper auf das herunterzubrechen, was er wirklich ist: die physische Hülle unseres menschlichen Daseins nämlich?

Das ist eine sehr philosophische Frage? Vermutlich. Aber vielleicht sollten wir sie uns stellen, damit wir uns endlich von oberflächlichem Geplänkel über Kosmetika, Kleidung und Körpergewicht distanzieren können. Zugegeben, es ist ein kleiner Umschwung spür- und sichtbar: Der Großteil der Gesellschaft kämpft gerade für mehr Diversität, was ich gut und richtig finde. Die Body Positivity sehe ich durchaus als einen wichtigen Schritt dabei. Doch ich habe den Eindruck, dass sich der Kampf um das OK-Sein in dieser Gesellschaft zum großen Teil noch immer aufs äußere Erscheinungsbild reduziert. Wo bleibt die Wertschätzung charakterlicher Vielfalt? Von Kreativität und sozialem Engagement? Intelligenz, Empathie, Kreativität, Mut – allesamt Eigenschaften, die wenig oder nichts mit unserer Hülle, sondern unserem wahrhaftigen Wesen zu tun haben. Divers und schön sind wir nicht nur in unserem Äußeren, sondern vor allem in unserem Inneren.

In der Realität liegt der Körper im Zentrum des menschlichen Auges und des Fühlens. Schönheit wird immer noch über den Körper definiert. Auf Social Media, klar, aber auch in unserem unmittelbaren Umfeld. Dass das Thema Aussehen so präsent ist, fällt uns zum Teil gar nicht auf, doch schon unsere Kinder wachsen unter dem Aspekt auf, dass in erster Linie das Aussehen einen Menschen bestimmt und nicht etwa die oben genannten Attribute.

Ein weiterer Haken an der ganzen Body-Positivity-Geschichte: Nicht jede:r schafft es, dem eigenen Körper positiv zu begegnen. Auch wenn es mittlerweile sehr viele Menschen des öffentlichen Lebens gerade innerhalb der Social-Media-Kanäle gibt, die ihren unperfekten Körper feiern. Mit einem zufriedenen Lächeln, Glitzer in den Cellulite-Dellen und dem allseits beliebten Spruch: „Jede:r ist schön.“ Doch das übt auch den Druck aus, Freundschaft mit dem eigenen Körper schließen zu müssen, obwohl wir nicht zufrieden sind. 

Der Körper – ein gesellschaftliches Symbol?
Unbestritten: Unser Körper ermöglicht es uns, menschliche Tätigkeiten zu verrichten – und dient vermutlich daher als Basis der sozialen Identität. Die physische Struktur beinhaltet wichtige Bedingungen, um als Mensch überhaupt etwas zustande zu bringen, somit lässt sie sich als wichtiger Teil unseres Seins nicht ausblenden. Wir sehen unseren Körper als Grundlage unserer Existenz. Philosophen und Theologen lehrten einst – und das über Jahrhunderte –, dass der „Leib nur ein Anhängsel der Seele sei“, ein „schwaches Fleisch“. Der Verstand sei es, das den Menschen vom Tier unterscheide. 

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und die Schönheitsfrage spielen seit der Antike eine große Rolle. Körper und Seele setzen laut damaligen Anschauungen einander voraus. Es war Aristoteles, der den Begriff „kalokagathia“, des „Schönguten“, als körperliche und geistige Vollkommenheit prägte. Lange Zeit wurde Schönheit als Symmetrie und Harmonie definiert, erst im 20. Jahrhundert, als sich die Kunst auf das Ungeschönte, Wahrhaftige und ja, auch auf das Hässliche bezieht, wird der Begriff weiter gefasst. Schönheit spielt im menschlichen Interesse jedenfalls seit jeher eine große Rolle – und damit einhergehend auch der Körper.

Der eigene Körper als Mittel der Selbstinszenierung und als Identitätsprodukt, die Kommerzialisierung in der Werbe-, Film-, Musik- und Videobranche sowie die häufige Nutzung der Massenmedien, all das und noch mehr hat dazu beigetragen – und das tut es noch immer! –, dass der Körper im gesellschaftlichen Mittelpunkt steht.

Interessant ist, wie der Körper zu einem gesellschaftlichen Symbol gemacht wurde. Mary Douglas, britische Sozialanthropologin, verweist auf das jeweilige Sozialsystem, das auf den Körper einwirkt. Mit anderen Worten: Wie der Körper symbolisiert wird, hängt von der jeweiligen Gesellschaft ab. „ […] und andererseits wird in der […] physischen Wahrnehmung des Körpers eine bestimmte Gesellschaftsauffassung manifest. Zwischen dem sozialen und dem physischen Körpererlebnis findet ein ständiger Austausch von Bedeutungsgehalten statt, bei dem sich die Kategorien beider wechselseitig stärken. Infolge dieser beständigen Interaktion ist der Körper ein hochgradig restringiertes Ausdrucksmedium.“ (Mary Douglas: „Ritual, Tabu und Körperymbolik. Sozialanthropologische Studien in Industriegesellschaft und Stammeskultur“, S. Fischer Verlag) Das hat zur Folge, dass gesellschaftliche Konzepte und Theorien die Einschätzung des eigenen Körpers als leistungsstark oder schön beeinflussen oder aber in die Bewertung anderer Körper miteinfließen. Der Körper ist somit Symbol für sozio-kulturelle Rollenmuster, Macht- und Ungleichheitsstrukturen sowie ein Kommunikationsmedium. Jede Gesellschaftsgruppe sorge zudem dafür, dass die Bedürfnisse des Körpers den gesellschaftlichen Bedürfnissen untergeordnet bleiben, so Douglas.

Besonders in den letzten Jahrzehnten erlebt der Körper eine Art Hochkonjunktur, auch wenn sich die Idealvorstellungen und Schönheitsideale immer wieder verändern. Robert Gugutzer, Professor für Sozialwissenschaften des Sports an der Goethe Universität in Frankfurt am Main, führt das auf gesellschaftlich-kulturelle Entwicklungen zurück: auf den Übergang der modernen Industrie- zur postmodernen Gesellschaft, den materiellen Wohlstand, die Konsumkultur und die Industriezweige, dessen zentrale Aufmerksamkeit ganz klar dem Physischen zuteil wird. Der eigene Körper als Mittel der Selbstinszenierung und als Identitätsprodukt, die Kommerzialisierung in der Werbe-, Film-, Musik- und Videobranche sowie die häufige Nutzung der Massenmedien, all das und noch mehr hat dazu beigetragen – und das tut es noch immer! –, dass der Körper im gesellschaftlichen Mittelpunkt steht.

Der Kampf gegen die Körperfixiertheit
Die US-amerikanerische Sexual- und Beziehungspädagogin Melissa Fabello nutzte erstmals den Begriff Body Neutrality – und zwar 2015 in einem ihrer Blogposts: „Body Neutrality heißt, sich morgens nach dem Aufwachen als Erstes zu fragen: ‘Wie fühle ich mich in meinem Körper?’ Es geht darum, herauszufinden, was du brauchst, um dich gut zu fühlen, seien es Pancakes oder Oatmeal zum Frühstück, Wasser gegen Kopfschmerzen oder einfach noch eine Runde Schlaf.“ Body Neutrality bedeutet auch, Sport nur deshalb zu machen, weil es sich gut anfühlt, nicht weil wir abnehmen wollen. Oder in der Sexualität: „Es [Body Neutrality] bedeutet weder, sich zu schämen, Fett am Körper zu haben […], noch sich sexier zu fühlen, weil Fett am Körper ist […]. Es heißt einfach, den Moment der Intimität zu genießen.“

Body Neutrality nimmt das Thema Körper aus dem sozialen Rampenlicht und vermittelt die Message: Es gibt Wichtigeres. Körper-neutral zu sein bedeutet also, dem Körper weder positive noch negative Aufmerksamkeit zu schenken.

Wenn wir außerdem Komplimente machen, dann sollten sie sich nicht aufs äußere Erscheinungsbild beziehen. Und ganz ehrlich: Ist ein „Du schaust glücklich aus“ oder ein „Toll, was du da geschafft hast“ nicht viel mehr wert als ein „Schön bist du“? Die Poetin und Autorin Rupi Kaur hat es mal mit diesen Worten ausgedrückt: 

„i want to apologize to all the women i have called beautiful

before i’ve called them intelligent or brave

i am sorry i made it sound as though

something as simple as what you’re born with

is all you have to be proud of

when you have broken mountains with your wit 

from now on i will say things like

you are resilient, or you are extraordinary

not because i don’t think you’re beautiful

but because i need you to know

you are more than that“

Das Konzept Body Neutrality geht immerhin einen Schritt weiter als die Body Positivity und lenkt den Fokus weg vom Körper und dessen Bewertung. Body Neutrality nimmt das Thema Körper aus dem sozialen Rampenlicht und vermittelt die Message: Es gibt Wichtigeres. Körper-neutral zu sein bedeutet also, dem Körper weder positive noch negative Aufmerksamkeit zu schenken. Ein wesentlicher Punkt dieser Bewegung ist es, ihm wertschätzend und vor allem auch den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen zu begegnen.

Vielleicht sollten wir uns Fragen stellen, wie: Was tut mir gut? Was macht mich glücklich? Habe ich ein Talent, das ich fördern möchte? Was kann ich tun, um jemand anderem ein gutes Gefühl zu geben? Wie kann ich auf meine mentale Gesundheit achten?

Alles schön und gut, aber …
… auch bei der Body Neutrality ist es nicht ganz so simpel wie es klingt. Denn ganz ehrlich: Kann es wirklich immer gelingen, dem eigenen Körper neutral zu begegnen und ihn sogar komplett auszublenden? Ja, auch ich hadere oft mit mir selbst und meinem Äußeren. Mit meinen Afterbaby-Brüsten zum Beispiel oder mit meiner Haut, die noch nie makellos war. Ich schminke mich, weil ich mich dann besser fühle und färbe meine Haare, weil ich mich über meine Naturhaarfarbe so gar nicht definieren kann. Und das, obwohl ich mir bewusst darüber bin, dass jeder Körper schön ist, so wie er ist. Und dass wir weit mehr sind als nur unsere Hülle. Und trotzdem lassen sich Gedanken und Emotionen, die uns über Generationen gesellschaftlich eingetrichtert wurden, nicht einfach ausknipsen.

Ich denke jedoch: Sich dessen bewusst zu sein, ist schon mal ein erster Schritt. Wenn wir endlich aufhören nur darüber zu reden, wie jemand aussieht, sondern mal mehr über seine positiven Eigenschaften sprechen und darüber, was diesen Menschen wirklich auszeichnet, dann verrückt sich der Fokus womöglich ein wenig. Vielleicht sollten wir uns Fragen stellen, wie: Was tut mir gut? Was macht mich glücklich? Habe ich ein Talent, das ich fördern möchte? Was kann ich tun, um jemand anderem ein gutes Gefühl zu geben? Wie kann ich auf meine mentale Gesundheit achten? Ja, vielleicht lenken wir so die Aufmerksamkeit mal auf andere, wichtigere Dinge. Und wenn nicht in der breiten Masse, dann zumindest in uns selbst. Um es mit den treffenden Worten von Abbi Glines zu betonen: „You are not a body. You have a body. You are a soul.

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