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Illustrations by Sarah
Barbara Plagg
Veröffentlicht
am 21.07.2025
MeinungKommentar zu Kompatscher und Galateo

Flirt mit Flasche

Wer den Rechten die Macht gibt, trägt die eigentliche Verantwortung für den Schaden, den sie anrichten. Barbara Plagg darüber, warum nicht nur Marco Galateo selbst, sondern vor allem die SVP für seine Ausrutscher zur Verantwortung zu ziehen ist.
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Ich hatte mal ’n Fling mit ’ner Flasche. Luca war wahlweise bekifft oder besoffen, mal fuhr er mit dem Rad ins Gebüsch und blieb hängen, mal kletterte er singend auf ein Baugerüst und kam nicht mehr runter. Ich wiederum tat vor meiner entnervten Studienfreundin Gaia wahlweise so, als wäre das nicht meine Verantwortung oder als hätte ich alles unter Kontrolle. Dasselbe Problem, das ich damals mit Luca hatte, hat Arno aktuell mit Marco: Galateo baut linientreu exakt genau die Scheiße, von der man schon a priori wusste, dass er sie bauen würde und Kompatscher tut dann jedesmal a posteriori entweder so, als ginge ihn das nichts an oder als hätte er alles im Griff. Dabei hat er natürlich die volle Verantwortung und den Fratello kein bisschen im Griff.

Was Galateo so macht: Mal spaziert er mit Fackeln neben Neofaschos her und behauptet nachher, er hätte die erst „zu spät“ gesehen. Mal liked er ein Goebbels-Zitat auf Facebook und labert nachher irgendwas von einem „technischen Fehler“. Mal attackiert er eine Lehrerin und schreibt auf Facebook, dass man ihm Fälle von Menschen, die ihn kritisieren, „melden sollte“. Mal droht er Künstler:innen mit Klage und Geldkürzungen, weil diese ihn in einem offenen Brief als das beschrieben, was er offensichtlich ist: nämlich rechts, homophob und postfaschistisch. Mal geht er nicht mehr in den Pressesaal, weil dort die Regenbogenfahne hängt und als der Landeshauptmann in Rom ist, wirft er sie ganz raus. 

Den rechten Uniabbrecher mit seinen armseligen 2.000 Stimmen hätten wir problemlos auf den politischen Hinterbänken der Opposition verschwinden lassen können.

Was der von der SVP zum Vizelandeshauptmann Gekrönte sonst so macht außer das, was man als Provinzrechter halt so tut, wissen die Südtiroler:innen nicht so recht — es ist politisch troppo poco. Aber was inzwischen das ganze Land weiß ist, dass immer wenn der Arno das politische Klopapier — Verzeihung, Koalitionspapier — zur Entschuldigung auspackt, wo ja „alle Werte der SVP schwarz auf weiß festgehalten sind“, dann wurde mal wieder ordentlich auf genau diese Werte geschissen. 

Und genau hier liegt auch das Problem: Bei der SVP nämlich und nicht bei Galateo. Der macht nämlich nur das, was er immer schon gemacht hat. Aber dass er das jetzt in einer hohen Machtposition tun kann, das verdanken wir der SVP. Den rechten Uniabbrecher mit seinen armseligen 2.000 Stimmen hätten wir problemlos auf den politischen Hinterbänken der Opposition verschwinden lassen können. Qua Wahlergebnis gab’s ja nun wirklich keine Legitimierung, dass der Fratello in unserem Land irgendwas zu sagen hätte. Es ist der Landeshauptmann und seine Gang gewesen, die ihn groß gemacht haben. Die vollumfängliche Schuld von Fackelzug bis Goebbels trägt also tatsächlich die SVP. Denn man ist sehr wohl verantwortlich für die, denen man Macht, Bühne und außerdem sehr, sehr viel Geld gibt. 

Aber wie in einer toxischen Situationship, wo man sich einredet, dass alles nur halb so wild ist, weil der andere zwar offensichtlich eine Latte an Issues hat, es aber auch viele schöne Momente gibt, wirkte der Arno im Barfuss Interview inzwischen schon leicht delulu: Ein paar Wochen, nachdem der Marco die Regenbogenfahne aus dem Landhaus geworfen hat, behauptet er, dass man wegen dem Rechtskurs „nichts hergegeben habe in Südtirol“ und heuer ja „sogar die erste Pride im Land“ stattgefunden habe! Die erste Pride, die Menschen organisiert haben, die von denen, die er selbst in die Regierung geholt hat, angegriffen werden! Während der eine die Flagge der Toleranz rauswirft, tut der andere so, als stünde Toleranz noch immer ganz groß auf seiner eigenen Fahne. Wäre es nicht so kafkaesk besorgniserregend, wäre es fast schon rührend, mit welcher unverschämten Kreativität Kompatscher sich seinen postfaschistischen Fling schönredet.

Es ist wieder cooler im Landl, rechts zu sein, aber es ist nicht (mehr) ganz so safe, schwul zu sein.

Weil nein. Man hat nicht „nichts hergegeben.“ Eine solche Behauptung ist historische Realitätsverweigerung. Die Entscheidung, in welche politische Richtung ein Land geht, beeinflusst nachweislich alles. Vom Schulbuch, das unsere Kinder vorgelegt bekommen, über den Preis der Butter auf unserem Brötchen bis hin zur Frage, ob man in zehn Jahren noch küssen darf, wen man liebt und ob noch irgendwo ein Gletscher steht. Es sind nicht nur die Entscheidungen, die getroffen wurden (zum Beispiel haben SVP und Fratelli die proportionale Verteilung von Frauen im Regionalrat verhindert) sondern vor allem auch jene Entscheidungen, die nicht getroffen werden (zum Beispiel längst überfälliger Klimaschutz, massiver Kinderbetreuungsausbau, echte Chancengerechtigkeit), die uns noch lange beschäftigen werden. Anstatt viele längst überfällige Dinge anzugehen, verschleudert der Landtag wieder sinnlose Stunden mit Scheingefechten um Gender-Sternchen-Debatten.

Und wegen all der gemachten und verpassten politischen Entscheidungen, wegen all der „Ausrutscher“ des Vizelandeshauptmannes und wegen der mit seinem Mandat einhergehenden Reichweite, hat sich auch der gesellschaftliche Diskurs auf rechts gedreht. Klar, es ist schwerer messbar und geht langsamer, wie sich die Grenzen des Sagbaren und Tolerierbaren verschieben, aber es macht sich inzwischen deutlich bemerkbar. Es ist wieder cooler im Landl, rechts zu sein, aber es ist nicht (mehr) ganz so safe, schwul zu sein. Es ist wieder cool im Landl, im Dirndl hinterm Herd zu stehen, aber nicht mehr ganz so safe, Flugblätter zu verteilen. Was wir alles hergegeben haben, Herr Landeshauptmann, für Ihr Autonomiebingo, das Sie als guter Politiker doch auch mit einer Mitte-Links-Regierung gewinnen hätten können — es ist viel!

Wer Hater groß macht, macht Hass gesellschaftsfähig.

Die SVP hat mit dem Großmachen der Rechten das sogenannte „Overton-Fenster“ in Südtirol verschoben: Der Meinungskorridor hat sich um homophobe, misogyne und wissenschaftsfeindliche Haltungen verbreitert. Und das ist nicht verwunderlich und vor allem kein Zufall, sondern „Policy by Presence“: Wer Hater groß macht, macht Hass gesellschaftsfähig. DAS ist die greifbare Bilanz der „Realpolitik“ der SVP, die inzwischen eher eine Realitätsverweigerungspolitik ist. Was jedes Mal dann am offensichtlichsten wird, wenn der Landeshauptmann seinen Vize zur Paartherapie lädt, um am Ende dann doch wieder auf Illusionen statt auf Aktionen setzen. Das finden auch innerhalb der SVP einige nicht mehr tragbar, Achammer scheint zum Beispiel ernsthaft sauer — passieren tut aber trotzdem nichts. Von außen kann man nur noch kopfschüttelnd draufschauen und sich fragen, was mich meine Freundin Gaia damals fragte, als Luca mitten auf die Piazza kotzte und ich so tat, als wäre alles okay: „O te ne vai adesso, oppure sei scema.

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