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Erster Akt: Die Entschuldigung
Barbara (verschwitzt und zu spät): Herr Bischof, ich habe auf meinem Instagram-Kanal eine kleine Umfrage gemacht, ob Sie sich für das, was den Frauen nach der Geburt mit dem Ritus der „Abbitte“ angetan wurde, entschuldigen werden. In meiner Bubble glauben 66 Prozent, dass Sie sich maximal pseudomäßig entschuldigen werden. Nur drei Prozent glauben, dass Sie sich aufrichtig entschuldigen werden. Was wird heute passieren?
Bischof (elegant und entspannt): Also, zunächst mal: Ich bin froh, dass es diesen Ritus seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht mehr gibt. Ich verstehe sehr gut, dass dieser Ritus zu Beleidigungen und Demütigungen geführt hat, auch wenn er ursprünglich natürlich ganz anders gedacht war. Es ging ja eigentlich um die 40-tägige „Schonfrist“ nach der Geburt. In dieser Zeit ist eine Frau sexuell tabu. Außerdem geht es um Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens. Das eigentlich Problematische am Ganzen ist aber eine unglückselige Verbindung unterschiedlicher Traditionsstränge – darunter leider auch sexualfeindliche, leibfeindliche, frauenfeindliche Elemente. Und genau deswegen bin ich froh, dass es das nicht mehr gibt.
Barbara: Ist das eine Entschuldigung?
Bischof: Ich habe gar kein Problem, mich zu entschuldigen. Das ist überhaupt nicht die Frage. Ich sage es noch einmal: Ich bin froh, dass es so einen missverständlichen Ritus, der offen für so viele Fehlinterpretationen ist, nicht mehr gibt. Gott sei Dank, dass es das nicht mehr gibt.
Na, ging ja mal flott! An dieser Stelle hätte man das Interview beenden können, aber wie es der Teufel so will, beginnen die beiden über Gott zu reden.
Zweiter Akt: Die Päpstin
Barbara (auf Krawall gebürstet): Aber warum ist denn in Gottes Namen so viel Frauenfeindliches passiert — und passiert teilweise noch?
Bischof: Da spielt wohl der ganze Umgang mit Sexualität eine Rolle. Sexualität ist immer und für uns alle ein Spannungsfeld. Das hat mit Schöpfung zu tun, das hat mit Schönheit zu tun, das hat mit Lebensfreude zu tun. Aber Sexualität ist immer auch ein Einfallstor für Verwundungen.
Barbara: Und wie. (Verliert sich kurz in ihren Gedanken)
Bischof: Wir wissen alle, dass Sexualität als etwas sehr Schönes und Erfüllendes erlebt werden kann. Und wir wissen auch alle, dass man mit Sexualität einem anderen Menschen weh tun, ihn erniedrigen kann. Zum Beispiel die ganze Problematik der Frauenmorde: Das hat ganz viel mit Macht und Erniedrigung zu tun. Die Frau ist mein Besitz, die gehört mir – und wenn sie mich verlässt, dann kommt die Gewalt.
Barbara: Aber Herr Bischof, gerade der katholische Glaube hat doch massiv dazu beigetragen, dass sich dieses Besitzempfinden über das weibliche Geschlecht etabliert hat.
Bischof: Ja, aber wesentlich dazu beigetragen hat … Hm, ich würde fast sagen: Es gibt in der Spiritualität der Kirche den positiven und den negativen Aspekt. Das fängt schon bei Eva an: auf der einen Seite die Mutter aller Lebendigen, auf der anderen Seite Verführung, Schuld, Erniedrigung.
Barbara: Ja, aber eben! Gerade Eva ist doch ein gutes Beispiel für das Negativnarrativ, das um die Weiblichkeit herum gebaut wurde: „Mutter aller Lebendigen“ schön und gut – aber bei Eva denken doch alle nur an den blöden Apfel, den sie dem Typen angeblich angedreht hat. Warum setzt sich denn immer das frauenverachtende Narrativ durch? Und warum schafft die Kirche es bis heute nicht, sich für Frauen zu öffnen?
Bischof: Haben Sie den Eindruck, dass man heute Frauen zu wenig Wertschätzung oder positive Anerkennung entgegenbringt?
Barbara: Zu hundert Prozent habe ich den Eindruck, ja. Und mit mir sehr viele Frauen.
Bischof: Schon? Na gut, da muss ich sagen, das darf die Kirche absolut nicht leisten.
Barbara: Aber Herr Bischof, Frauen dürfen ja noch nicht mal Priesterinnen werden bei Ihnen.
Bischof: Das hat aber nichts mit Erniedrigung zu tun, sondern mit einer „Funktion“.
Barbara: Aber wenn ich eine Funktion aufgrund meines Geschlechts nicht ausüben kann, dann ist das eine Erniedrigung. Eine Diskriminierung. Und auch wenn das innerhalb der Kirche möglicherweise nicht so empfunden wird – außerhalb empfinden es alle so.
Bischof: Das darf von der Kirche absolut nicht gewollt sein, dass es so empfunden wird.
Barbara: Aber es ist doch gewollt, dass Frauen in der Kirche ausschließlich Randpositionen haben. (deutet auf die Tür, vor der eine Sekretärin sitzt)
Bischof: Frauen können eigentlich alles ausüben, außer das Priestertum.
Barbara: Könnte ich Päpstin werden?
Bischof (lacht): Nein. Weil Papstsein ist an die Priesterweihe gebunden.
Barbara (fantasiert kurz, wie sie als Päpstin mit schicker Tiara gleichgeschlechtliche Paare im Vatikan trauen würde): Dann schließt es alle Frauen aus den höchsten Funktionen aus.
Bischof: Ich verstehe das sehr gut. Aber das ist nicht so gemeint.
Barbara: Das kann aber nur so aufgefasst werden, auch wenn es nicht so gemeint ist.
Bischof: Wirklich?
Barbara: Ja.
Bischof: Ich kann darauf keine Antwort geben, und ich verstehe, wenn ich mit Frauen rede, dass das als eine Degradierung und Abwertung der Frau empfunden wird. Ich kann gleichzeitig dazu sagen: Es ist nicht so gemeint.
Dritter Akt: Das alte Buch und die neue Welt
Barbara: Um nochmal auf diese Apostelsache zurückzukommen: Sie sagen, wir müssen uns an das halten, was Jesus damals getan hat. Also auch derzeit noch.
Bischof: Das ist die Idee.
Barbara: Und wenn man das nicht teilen kann, was der damals gemacht hat, dann ist es logisch schwierig.
Bischof: Ja.
Barbara: Aber Herr Bischof, ich kann das überhaupt nicht teilen. Und ich glaube kaum, dass irgendjemand das noch teilen kann, was man vor 2.000 Jahren gemacht hat. Zum Beispiel, dass man in der Öffentlichkeit nicht mit einer Frau reden darf, das ist ja Irrsinn. Warum halten Sie also an diesen apostolischen Traditionen und an bestimmten Auslegungen von Jesus fest, wenn die allergrößten Teile dieser Lebensrealitäten längst überholt sind und aus heutiger Sicht nicht mehr tragbar scheinen?
Bischof: Es geht auch um die lückenlose Tradition. In der Kirche hat sich ganz, ganz viel geändert an Praxis, zum Beispiel an Riten. Aber die lückenlose Tradition hat auch eine Wichtigkeit.
Barbara: Aber ist eine lückenlose Tradition wichtiger als Weiterentwicklung?
Bischof: Keine Frage. Aber in der Kirche wird es immer auch Dinge geben müssen, an die wir gebunden sind.
Barbara: Warum?
Bischof: Das Neue Testament besteht aus 27 Schriften. Da können wir nicht sagen: Eine Schrift nehmen wir jetzt raus, weil sie uns nicht mehr passt.
Barbara: Aber warum denn nicht, Herr Bischof? Das ist so ein altes Buch. Man könnte doch sagen, diesen Teil nehmen wir jetzt echt mal raus …
Bischof: Weil es Dinge gibt, die uns vorgegeben sind. So wie Sie davon geprägt sind, Frau zu sein, bin ich zutiefst davon geprägt, Mann zu sein. Und in welche Familie wir geboren wurden. Das können wir uns nicht aussuchen, mit dem können wir uns nur versöhnen.
Barbara: Ja, das stimmt. Aber das ist eine genetische Vorgabe und der Zufall der Geburt, das kann man ja nun wirklich nicht beeinflussen. Die Bibel hingegen ist ein kulturelles Konstrukt. Von Menschen gemacht, nicht naturgegeben.
Bischof: Glauben wir nicht. Das ist der Unterschied. Und das ist, glaube ich, unser Problem hier.
An dieser Stelle kollidieren Glaubens- bzw. Wissenssysteme so offensichtlich, dass sich beide etwas ratlos anschauen.
Bischof: Der moderne Mensch geht immer davon aus: Ich kann alles ändern, was ich ändern will.
Barbara: Nein, nicht alles. Aber ein altes Buch?
Sie verheddern sich in einen Exkurs über Gender, Geschlecht und Transsexualität. Den ersparen wir euch.
Barbara: Wenn für Gott alle Menschen gleich sind, warum wird dann ein Geschlecht so benachteiligt in Funktionen? Das kann dann ja nicht von Gott gewollt sein, ergo muss es menschgemacht sein!
Bischof: Aber das ist genau der Punkt: dass die Kirche glaubt, dass man es eben nicht ändern kann. Das ist ganz ein schwieriger Punkt.
Barbara: Weil er unlogisch ist, Herr Bischof. Natürlich kann man das ändern.
Bischof: Ja, das sagen Sie jetzt so. Und das ist wohl auch das Empfinden des Großteils der Menschen heute. Aber für die Kirche steht ganz viel auf dem Spiel.
Barbara: Aber steht nicht viel mehr auf dem Spiel, wenn sie es nicht ändert, aber dafür Leute verliert?
Bischof:Heute erlebe ich ganz viele Menschen, die mir sagen: „Ich glaube nicht mehr an einen personalen Gott.“ Wenn dieses Empfinden maßgebend wäre oder wird, dann gibt es den tatsächlich nicht mehr.
Barbara: Was ist ein personaler Gott?
Bischof: Ein Gott, zu dem man beten kann. Nicht bloß „irgendeine göttliche Dimension“. Der christliche Gott weiß um mich — und besteht auch, wenn niemand mehr an ihn glaubt. Er verbürgt mir, dass wir beide einmal bei ihm ankommen: Sie als Barbara, ich als Ivo – persönlich.
Barbara schaut skeptisch und denkt an ihre ganzen Sünden. Ob das noch für den Himmel reicht?
Vierter Akt: Von Flaggen, Floskeln und toten Frauen
Barbara: Um auf unser Ursprungsthema zurückzukommen …
Bischof: Richtig. Also: Ich muss ganz ehrlich sagen, mich wundert ein bisschen, dass Sie sagen, 66 Prozent erwarten sich keine aufrichtige Entschuldigung.
Barbara: Ja, in meiner Bubble.
Bischof: Ich habe da überhaupt keine Schwierigkeit zu sagen: Ich entschuldige mich – und zwar mit Überzeugung.
Barbara: Das glaube ich Ihnen schon. Sie versuchen ja auch immerhin, die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten …
Bischof (mit Nachdruck): Nicht, weil ich gezwungen bin, sondern wirklich aus Überzeugung! Was an Nicht-Gutem geschehen ist, auch durch Menschen in der Kirche, das kann ich nur zutiefst bedauern. Das schafft Leiden für uns alle. Das ist anzuerkennen. Man kann und darf das nicht schönreden.
Barbara: Das nehmen wir jetzt einfach einmal so hin. Aber eine so mächtige Institution wie die Kirche muss sich auch die Frage stellen, wie sie glaubhaft macht, dass es keine Pseudo-Entschuldigung ist, sondern wirklich aufrichtig gemeint. Es geht nicht nur ums Reden, sondern ums Tun. Für viele Frauen gehört dazu, dass sie einen anderen Stellenwert in der Kirche bekommen. Weil das aber nicht passiert – wegen dieses alten Buchs –, wird vieles nicht als authentisch wahrgenommen.
Bischof: Verstehe ich.
Barbara: Aber macht doch mal ein bisschen mehr für die Frauen! Da ist Luft nach oben.
Bischof: Das eigentliche Problem, wo wir beide nicht zusammenkommen, ist wohl, dass Sie glauben: Die Kirche könnte das alles ändern, wenn sie will. Aber im Grunde will sie nicht. Weil es um Macht geht.
Barbara: Genau.
Bischof: Aber der Knackpunkt ist: Sie kann eben nicht.
Barbara: Aber das glaubt euch doch niemand, Herr Bischof.
Bischof(seufzt): Ja, was soll ich tun?
Barbara: Sie könnten der erste feministische Bischof werden.
Der Bischof lacht.
Bischof: Ich hoffe, dass ich schon so wahrgenommen werde … Ich muss sagen, es wäre ganz schlimm, wenn ich als frauenfeindlich wahrgenommen würde.
Barbara(beleidigt): Aber Sie haben mir und Ali Paloma vorletztes Jahr nicht mal erlaubt, einen Banner vom Domturm herunterzuhängen.
Bischof: Wo wollten Sie die Fahne hinhängen?
Barbara: Vom Domturm. Nach dem Mord an Giulia Cecchettin haben wir Sie gefragt, ob wir als Zeichen unserer solidarischen Trauerbekundung und als Sensibilisierung die letzten zwei Zeilen des damals viral gegangenen Gedichts vom Dom hängen können: „Se domani tocca a me, voglio essere l’ultima.“ Sie sagten, das gehe nicht.
Bischof: Weil dann immer wieder andere Vereine kommen und was vom Dom hängen lassen wollen würden.
Barbara: Aber wir sind ja kein Verein, dem es um Werbung geht — wir sind die weibliche Zivilgesellschaft und einige von uns sind tot. Weil ermordet. Da müssen Sie doch Zeichen setzen. Außerdem: Warum dürfen wir Frauen dort nichts anbringen, aber die Schützen schon?
Bischof: Am Bozner und Brixner Dom haben wir zwei klare Grundsätze: nur die Kirchenfahnen.
Barbara: Aha, aber über die gesamte Vorderfront vom Brixner Dom „Visit Brixen“ und „Follow us on Instagram“ wochenlang raufbeamen beim Wasser-Licht-Festival, das wiederum geht? Weil Kapitalismus geht klar, aber Frauenrechte nicht?
Bischof: Das geht wohl, weil der Domplatz der Gemeinde Brixen gehört …
Barbara: Die Fassade des Doms gehört aber nicht der Gemeinde Brixen.
Bischof: Nein, die nicht. Und über all das kann man natürlich diskutieren!
Barbara: Also wenn sich die Fassade des Doms für touristische Zwecke prostituieren muss, dann wäre schon das Mindeste, dass sie an drei lächerlichen Tagen mal zum Statement gegen Femizide werden darf.
Bischof: Was Frauenmorde angeht, habe ich mich schon oft ganz klar in Hirtenbriefen positioniert.
Barbara: Aber ein Hirtenbrief, Herr Bischof, der erreicht nur Ihre Bubble. Sie müssen die Menschen erreichen, die Sie sowieso schon verloren haben.
Bischof: Ja, aber nochmal: Eine Stellungnahme gegen Frauenmord mache ich mit großer Überzeugung.
Barbara: Ach, Stellungnahmen gegen Femizide machen ja immer alle ganz schnell — auf Panels, Podien, Politikshows. Da reden immer alle super gescheit. Aber wenn’s dann um konkrete Präventivmassnahmen oder Gelder geht, wird’s schnell still. Und da muss etwas passieren.
Bischof: Es braucht einen klaren, gemeinsamen Aufschrei.
Barbara: Ein Femizid ist nur die Spitze des Eisbergs – und das Fundament dafür bildet auch die katholische Religion mit ihrem Frauenbild.
Bischof: Natürlich, ich bin Bischof. Aber ich bin nicht derjenige, der die Gesetze der katholischen Kirche macht. Ich kann nicht einfach tun, was ich will – sonst bin ich morgen nicht mehr Bischof.
Barbara (heute äußerst nachtragend): Aber dass Sie uns diese Fahne nicht vom Dom hängen haben lassen, das hätte Sie nicht den Bischofsstuhl gekostet.
Bischof: Nein. Aber dann werden die Pfarrer bald mit Anfragen überfordert sein.
Barbara (trocken): Ich glaube, das Risiko hätte man eingehen können, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht.
Fünfter Akt: Die Sache mit der gleichgeschlechtlichen Ehe
Die Diskussion rutscht immer wieder in die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Barbaras altes Handy hat zwar keine Studioqualität, aber die besten O-Töne gibt’s trotzdem als Mini-Audio – für alle, denen vom Lesen schon die Augen tränen. Und es versteht sich von selbst: Der Bischof wusste von der Aufnahme. Gott sowieso.
Folgende O-Töne finden sich in den Audiospuren:
Bischof: Zum Beispiel die Tatsache, dass es uns beide gibt, weil es Mann und Frau gibt und weil Mann und Frau eben sich vereinigt haben. Das ist für die Kirche ganz grundlegend.
Barbara: Aber natürlich ist es halt schon fast lächerlich, dass man das oktroyiert kriegt von einer Kirche, die selber im Zölibat lebt, aber sagt, sie erkennt nur Verbindungen an, die das Leben weiterschenken. (…) Und was wäre dann mit allen Ehen oder Menschen, die unfruchtbar sind?
Bischof: Ja, das kann ich ja nicht ändern.
Barbara: Aber wenn ich homosexuell bin, dann kann ich das auch nicht ändern!
Bischof: Aber ist es nicht grundsätzlich für jeden von uns gut, einen Vater und eine Mutter zu haben?
Barbara: Aber es ist nicht besser als eine Mutter und eine Mutter oder einen Vater und einen Vater zu haben!
Bischof: Nein?
Barbara: Nein, absolut nicht, Herr Bischof. Dazu gibt es auch Studien.
Bischof: Wir gehen in unserer heutigen modernen Gesellschaft immer davon aus, dass wir alle das Gleiche tun können, sollten und dass das die gleiche Würde ist.
Barbara: Nein, selbst bei der Gleichberechtigung geht es nicht darum, das Gleiche zu tun, aber die gleichenChancen zu haben. Die freie Wahlmöglichkeit.
Bischof: Ja, das ist das Gleiche. Als ich Priester geworden bin, zum Beispiel, dann wusste ich, dass ich das in der katholischen Kirche nur tun kann, wenn ich zölibatär lebe. Für viele ist es sehr odiös, weil sie sagen, du hast nicht mehr die Wahlmöglichkeit. Das stimmt. Aber ich wusste das. Und an das bin ich gebunden.
Barbara: Aber der Unterschied ist, dass Sie sich für diesen Beruf und das Zölibat frei entscheiden. Aber ich kann mich ja nicht entscheiden, mit welchem Geschlecht oder welcher Sexualität ich auf die Welt komme. Und muss dann Konsequenzen tragen, die mir andere deswegen zu Unrecht auferlegen.
Letzter Akt: Zwischen Schrift und Schnaps
Bischof: Das ist der Punkt, hinter dem ich nicht mehr zurückkomme. Der Ausgangspunkt des christlichen Glaubens ist: Gott wird Mensch. Das ist unfassbar, dass Gott wirklich in diesem Juden Jesus von Nazareth Mensch wird. Und damit hat er auf eine unüberbietbare Weise gezeigt, dass ein Leben Würde hat. Aber wenn ich das streiche …
Barbara: Nein, das kann man ja von mir aus lassen! Aber weil die Lebensentwürfe von damals auf heute andere sind, muss ich die Religionspraxis anpassen.
Bischof: Ja, aber die Grundkonstanten müssen deshalb schon bleiben.
Barbara: Wenn sie falsch sind und Menschen verletzen, müssen sie geändert werden.
Bischof: Aber was ist das Kriterium?
Barbara: Vielleicht einfach nur die Menschenwürde.
Bischof: Aber die Menschenwürde ist veränderbar ohne Gott! Dass wir zum Beispiel nicht mehr in so eine furchtbare Ideologie reinkommen, dass es Menschen zweiter Klasse gibt. Dass wir niemanden das Menschenrecht absprechen können.
Barbara: Aber in dieser furchtbaren Ideologie stecken wir ja mittendrin. Überall auf der Welt werden Menschen die Menschenrechte abgesprochen.
Bischof: Na, schon. Wir tun es, aber nicht legitimerweise. Ich kann Sie jetzt hauen. Aber ich weiß, dass es nicht legitim ist. Und tue es trotzdem.
Barbara (lacht und wird gleich wieder ernst): Eben. Es wird trotzdem getan. Gesetze, Praktiken und Anerkennung machen erst sichtbar, wer welche Würde hat. Und noch etwas: Wenn es für jemanden in seiner Würde wichtig ist, dass zum Beispiel seine homosexuelle Beziehung anerkannt wird, dann muss ich das ändern. Wenn doch gerade die Menschenwürde, das ist es, was mir in primis Gott gibt — dann kann ich es auf Erden ja wohl danach anpassen. Muss ich dann ja sogar eigentlich. Aber ich sehe, da kommen wir nicht weiter …
Bischof: Spannend ist die Diskussion, weil wir uns beide ernst nehmen. Ich könnte auch sagen, Sie sind halt eine Emanze, Sie müssen so reden. Und nehme Sie nicht ernst.
Barbara: Ja, ich könnte auch sagen …
Bischof: … „dass das halt ein konservativer Knochen ist, der die Kirche verteidigen muss. Der ist halt Bischof.“ Genau. So könnten wir auch miteinander umgehen. Aber ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Trotzdem gibt es Grenzen, wo ich sagen muss: Für mich ist es nicht gleich. Ich kann nicht morgen einfach Muslim werden – das ist für mich unmöglich. Das hat mit meiner Existenz zu tun.
Barbara: Sie müssen ja auch morgen kein Muslim werden – aber Sie könnten ein feministischer Bischof werden und schauen, dass Sie da einfach mit mehr Kreativität und Outreach nach Lösungen suchen …
Bischof: … oder nach Gelegenheiten, mehr diese Gespräche zu fördern, in die Auseinandersetzung zu gehen. Das schon! Das kann ein guter Appell sein. Wir sind ja alle Menschen. Wir alle wollen geliebt werden. Aber ich kann mich so sehr prostituieren, um zu dieser Liebe zu kommen, dass ich meine eigene Identität verliere. Und in der Schrift würde man sagen: Es gibt etwas Schlimmeres, als den eigenen Leib zu verlieren – die eigene Seele zu verlieren, die eigene Identität. Aus Angst, aus Opportunismus, aus Macht.
Barbara: Ja, aber wenn das das Wichtigste ist, dann muss sich die Kirche doch auch einfach mal fragen, warum sich so viele für ihre Identität schämen wegen der katholischen Lehre.
Bischof: Oder wir bleiben im Ringen drinnen und sagen: Vielleicht sind da auch Aspekte drinnen, die unsere Gesellschaft heute braucht, damit sie nicht ganz abdriftet.
Barbara: Ja, aber sicher keine homophobe Haltung.
Bischof: Aber die Kirche ist nicht homophob! Das ist auch offizielle Lehre.
Barbara: Aber ich empfinde es auch als homophob, wenn man Menschen nicht die Ehe ermöglicht. Selbst wenn das theologisch irgendwie begründet wird, ist die Wirkung homophob.
Bischof: Da ist ein Punkt, wo die Kirche sagt: Das können wir einfach nicht.
Barbara: Aber das könnte sie in Wirklichkeit ganz locker. Nichts leichter als das.
Bischof (seufzt): Da gibt es einen Witz: Ein Priester feiert mit Schnaps die Messe. Da wird er vom Bischof zitiert, der sagt: „Aber du weißt ja, dass das nicht geht!“ Sagt der Priester: „Ja, das habe ich am Anfang auch gemeint – aber es geht.“
Barbara (lacht): Ja, eben, es geht!
Bischof (lacht ebenfalls): Nein, eben nicht! Weil ich gebunden bin an das, wie Jesus das Abendmahl gefeiert hat.
Barbara: Nur weil Sie eben nicht wissen, dass es auch anders geht!
Bischof: Das wird die Kirche nie ändern können. Wir müssen mit Brot und Wein und können nicht mit Kuchen und Schnaps die Messe feiern. Das kann die Kirche wirklich nicht ändern. Sonst muss sie aufhören.
Barbara: Ich glaube, sie kann dann weitermachen, wenn sie in ihren wunderschönen Kirchen auch mit Kuchen und Schnaps zwei Frauen vermählen kann. Das hätte vor einem guten Gott genauso gut eine Berechtigung.
Bischof: Nein. Denn wir müssen aufpassen, dass es nicht ein Glaube wird, den wir selbst machen.
Barbara: Aber wir machen den Glauben ja ohnehin selbst.
Bischof: Eben nicht! Gott ist Mensch geworden. Das ist unabhängig vom Mensch.
Barbara: Von mir aus. Das darf man ja auch glauben, das kann man ja trotzdem einfach so lassen, dass er Mensch geworden ist.
Bischof: Aber das muss ja auch Konsequenzen haben.
Barbara: Ja – aber gute für alle.
Bischof: Sicher. Und sicher gibt es in der Kirchengeschichte auch falsche Entwicklungen. Aber es gibt daneben auch viel, viel Gutes.
Barbara: Also, vielleicht kann man jetzt abschließend sagen, dass das Thema, mit dem ich hierher gekommen bin, schnell abgefrühstückt war. Weil Fortschritt möglich und nötig ist in der Kirche. Aber wir hören damit auf, dass es noch viele Baustellen gibt. Und denen kann man nicht ausweichen. Denen muss man sich stellen.
Bischof: Und einander den guten Willen nicht absprechen. Wir ringen weiter.
Beide stehen auf und gehen zur Tür.
Barbara: Wir ringen weiter. Aber auch außerhalb vom Hirtenbrief müssen wir weiterringen.
Bischof: Da haben Sie schon recht. Und dass man niemandem das Gespräch verweigert.
Barbara: Wobei man auch sagen muss: Ein Gespräch, in dem ich entweder mit dem Landeshauptmann oder mit Ihnen rede und beide sagen, „da kann ich nichts machen, das ist die Zuständigkeit von Rom“, das ist keine richtige Unterhaltung, sondern eine Sackgasse. Dann wird zwar geredet, aber nicht viel gesagt.
Bischof: Wir sind alle auch in einem System drinnen.
Barbara: Und wir haben alle einen Handlungsspielraum. Man muss nicht jeden Wein trinken, der einem eingeschenkt wird. Man kann auch einfach mal Schnaps trinken.
Bischof: Nein!
Barbara: Doch!
Bischof: Hach, ich weiß nicht, was da rauskommt.
Barbara: Da kommt ganz viel raus. Wir hätten einen Podcast machen sollen.
Bischof: Aber heute nicht mehr.
Barbara: Nein, heute nicht mehr.
Sie reichen sich die Hand. Und dann geht der eine Wein und die andere Schnaps trinken. Halleluja.
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