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Illustrations by Sarah
Teresa Putzer
Veröffentlicht
am 03.07.2023
MeinungLGBTIQ+ und Italien

Bella italia omofoba

Der #pridemonth ist vorbei: Im Juni, als weltweit Regenbogenfahnen die Häuser zierten, rieben sich neofaschistische und homophobe Politiker:innen in Italien die Hände. Wie die aktuelle Rechtsgrundlage für LGBTIQ+ Menschen aussieht, in welchen Punkten Italien diesbezüglich europaweit hinten liegt und was sich Betroffene wünschen.
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Der Juni gilt bekanntlich als #pridemonth, also als Monat der LGBTIQ+Community. Dabei kommt es zu verschiedenen Protesten, Events, Paraden und Feiern, die das bunte Leben feiern und auf die – zum Teil mangelnden – Rechte von LGBTIQ+Personen aufmerksam machen. Immer mehr Menschen stehen aufgrund diverser globaler Entwicklungen, wie zunehmender Toleranz, Digitalität und berühmter queerer Idole, offen zu ihrer Sexualität. Allerdings fehlen konkrete Zahlen, da sich einige Länder – unter anderem auch Italien – weigern in LGBTIQ+ Statistiken zu investieren beziehungsweise diese auszubauen. Trotz der steigenden Tendenz zum Coming-Out scheint Italien als Land – besonders unter der neuen rechtsrechten Regierung – einige Schritte zurückzugehen. Diese Rückschritte sind besonders für die Sicherheit und das Leben von queeren Personen gefährlich. So wird Italien mehrfach als das europäische Land mit den restriktivtsen Gesetzen im Hinblick auf die Rechte queere Paare bezeichnet. 

Italien: Spät dran, wie immer?

Seit einem guten Jahrhundert, um genau zu sein: Erst seit 1887 stellt das homosexuelle und das queere Leben in Italien keinen offiziellen Strafbestand mehr dar. Zuvor konnten queere Menschen strafrechtlich verfolgt und belangt werden. Verantwortlich dafür war der „codice zandarelli“, also das italienische Strafgesetzbuch, das bis 1930 in Kraft war. Dennoch war Italien in dieser Zeit von vielen homophoben Angriffen und Skandalen betroffen, da bis zum 21. Jahrhundert keine gesetzliche Grundlage zu den Rechten und zum Schutz von queeren Personen existierte. Seit Ende des 20. Jahrhundert kam es zu einigen – in vielerlei Augen zu wenigen – Fortschritten und gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz von queeren Personen, wie diversen Antidiskriminierungsgesetzen und der Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.

Territoriale Verteilung der Opfer von Homophobie

Die rechtliche Lage

2005 wurde auf Landesebene aufgrund der europäischen Richtlinien das Antidiskriminierungsgesetz bezüglich der sexuellen Orientierung im Arbeitsrecht gegen Diskriminierung verabschiedet. Solche Anti-Diskriminierungsgesetze sind im Laufe der Jahre hinzugekommen und präzisiert worden, wobei rechtlich weiterhin Lücken bestehen, weshalb Homophobie und Queerfeindlichkeit – ohne den Einbezug anderer strafwidriger Handlungen – kaum belangt werden können. So ist es wenig verwunderlich, dass Italien in den letzten Jahren und Jahrzehnten von homophoben und queerfeindlichen Skandalen überschattet wird, was der Bericht über die Homophobie-Statistik von April 2022 März 2023 belegt. Demnach kam es in 62 Orten Italiens zu 115 Vorfällen mit insgesamt 165 Opfern, wobei von einer viel höheren Dunkelziffer auszugehen ist. Die homophoben Straftaten reichen von verbaler Erniedrigung über körperliche Gewalt bis hin zu Tötungsdelikten.

Darüber hinaus wurde das Land in den vergangen Jahren von homophoben Aussagen von Personen des öffentlichen Lebens erschüttert:

  • „Ich glaube nicht an einen Staat, der den legitimen Wunsch eines Homosexuellen, ein Kind zu adoptieren, über das Recht des Kindes auf einen Vater und eine Mutter stellt.“ – Giorgia Meloni, 2016
  • „Eine Sache ist, wenn es sich [die Homosexualität] in einem Kind zeigt. Es gibt viele Dinge, die man mit der Psychiatrie machen kann, um zu sehen, wie die Dinge sind. Etwas anderes ist es, wenn es sich ab dem Alter von 20 Jahren manifestiert.“ – Papst Franziskus, 2018 (später folgte die Entschuldigung bzw. „Richtigstellung“ der Aussage)
  • „Wir werden keine Werbung mit Homosexuellen schalten, weil wir die traditionelle Familie unterstützen. Wenn Homosexuellen das nicht gefällt, können sie Pasta eines anderen Herstellers essen.“– Barilla Chef, 2013

Ein kleiner Lichtblick

2016 verabschiedete das Parlament mit 173 befürwortenden Stimmen unter Matteo Renzi die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaften für Homosexuelle. Dabei stellt Italien das letzte westeuropäische Land dar, welches so lange Zeit keine rechtliche Grundlage für gleichgeschlechtliche Partnerschaften besaß. Das Gesetz beinhaltet: Gütergemeinschaft, Hinterbliebenenrente, Recht auf Doppelname, Familienversicherung, Krankenversicherung, Unterhaltsrecht, Heiratsurlaub, Familienzusammenführung und einige weitere Rechte, allerdings kein Adoptionsrecht.

„Bevor wir 2017 endlich in Italien heiraten konnten, haben wir oft mit dem Gedanken gespielt, auszuwandern. Es ging uns nicht um den Akt der Ehe, sondern um das Recht den eigenen Partner beispielsweise im Krankenhaus auf der Intensivstation besuchen zu dürfen oder bei Schicksalsschlägen über lebensverlängernden Maßnahmen mitzuentscheiden usw.“

Das Licht erlischt …

Das Anti-Homophobie-Gesetz „Zan-Gesetz“, das Homophobie im italienischen Strafgesetzbuch mit Rassismus gleichgestellt hätte, wurde 2021 im Parlament abgelehnt. Mit dem Gesetz, das von Alessandro Zan der Demokratischen Partei (PD) initiiert wurde, wären Aufrufe zur Gewalt gegen LGBTIQ+ Personen, Menschen mit Beeinträchtigungen und Frauen als Hassverbrechen eingestuft worden. Im Parlament stimmten 154 gegen die Verabschiedung des Gesetzes und nur 131 dafür. Die Kritiker:innen sahen im Gesetz ein Propagandamittel für Homosexualität in Schulen sowie ein Angriff der Meinungsfreiheit. Sogar der Vatikan sprach sich gegen das Gesetz aus, da ansonsten „Gläubige, die für heterosexuelle Partnerschaften einstehen, belangt werden könnten.“ Neben den fehlenden Informationen, Zahlen und Studien solcher demokratiegefährdenden Argumentationsstrukturen der Contraseite gilt auch die Reaktion einiger Parteien nach der Ablehnung des Gesetzes im Parlament als Skandal. So kursieren Videos, wie in den Reihen der Lega und Fratelli d’Italia gejubelt wird.

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Zu weiteren Rückschritten Italiens für LGBTIQ+Personen kommt es mit der neuen neofaschistischen Regierung Melonis. So gab es vor wenigen Monaten im Senat eine folgenschwere Abstimmung für queere Paare mit Familienwunsch: Die Abgeordneten stimmten gegen die grenzüberschreitende Anerkennung gleichgeschlechtlicher Eltern nach Europäischer Verordnung, womit sich Italien der Visegrad-Gruppe bestehend aus der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und der Slowakei – anschließt.

Ein Blick in die Zukunft

Genannte Berichte zu homophoben Angriffen in Italien, die restriktive Gesetzgebung sowie fehlende Gesetze zum Schutz Betroffener zeigen auf, dass Italiens LGBTIQ+Politik dringend ausgebaut werden muss, damit im Sinne des Gleichheitsgrundsatz alle Bürger:innen dieselben Rechte unabhängig ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zugesprochen bekommen. Solche queerfreundliche Veränderungen sollten ohnehin das Ziel der Politik einer demokratischen Republik sein, da Intoleranz und Diskriminierung jeglicher Form – egal ob rassistisch, antisemitisch, sexistisch oder queerfeindlich – demokratiegefährdend sind und als Kontroverse oder Ausdruck von Meinungsfreiheit im politischen Diskurs niemals zulässig sein dürfen.

BARFUSS hat queere Leser:innen gefragt, was sie sich in Zukunft von der Landes- aber auch Regionalpolitik wünschen:

„Ein nordisches Mindset! Wir sind alle gleich und wollen auch so behandelt werden!“

„Homophobie muss strafrechtlich verfolgbar sein. Homophobie ist keine Meinung. Viel zu viele Südtiroler:innen verstehen das nicht.“

„Kritische Bildungsarbeit. LGBTIQ+ muss als Thema in der Schule behandelt werden. Wer deshalb denkt, dass Schüler:innen vermehrt schwul, lesbisch oder trans werden würden, ist wissenschaftsfeindlich und irgendwo im letzten Jahrhundert stecken geblieben.“

„Mehr Sichtbarkeit. Es finden immer wieder queere Events, vor allem in Bozen, statt. Kaum ein Medium berichtet darüber.“

„Ich will einfach nur meine Partnerin in der Öffentlichkeit küssen dürfen, ohne mit schiefen Blicken oder abfälligen Kommentaren konfrontiert zu werden.“

„Ich bin Mama eines schwulen Sohns. Ich wünsche mir für ihn eine offene und tolerante Zukunft, in der er nirgends diskriminiert wird oder sich verstecken muss. Eine solche sehe ich in Südtirol nicht.“

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