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Illustrations by Sarah
Barbara Plagg
Veröffentlicht
am 10.05.2025
MeinungKommentar

Auf die Knie, Herr Bischof!

Unsere Mütter und Großmütter wurden lange von der Kirche gedemütigt und erniedrigt. Zum Muttertag hat unsere Autorin Barbara Plagg deshalb einen offenen Brief an den Bischof geschrieben. Sie fordert für den rituellen Missbrauch durch die Kirche – genannt „Abbitte“ oder „Aussegnung“ – eine offizielle Entschuldigung.
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Lieber Herr Bischof.

Auf die Knie gehen mussten unsere Mütter vor euch. Sich an eurer Stola festklammern und durch die halbe Kirche kriechen. Oder sich noch vor der Kirche, die sie nach dem Kindsbett wegen „Unreinheit“ nicht betreten durften, öffentlich „aussegnen“ lassen. Oder das Neugeborene durch das Dorf „Schande tragen“ und vom Bergbauernhof fünf Kilometer zum nächsten Pfaffen laufen, um dort erschöpft „Abbitte“ zu leisten. „Abbitte“ dafür, dass sie gerade unter größten Schmerzen, das Wunder des Weiterbestehens, das kein Pfarrer je geschafft hat, vollbracht hatten: ein Leben geboren.

Jetzt ist man als Frau von der Kirche ja schon einiges gewohnt. Man wurde verbrannt, weil man zu viel über Arnika wusste. Man wurde (und wird) ausgeschlossen, weil man zu blöd für den Pfarrersberuf war und ist. Man wurde ins Kloster gesperrt, weil man unehelich oder verwitwet war. Man wurde verstümmelt, weil einem der Zugang zu sicherer Abtreibung verwehrt wurde. Damit auch die braven Ehefrauen nicht ungeschoren davonkamen, haben die Kirchenmänner dann noch aus dem „Benedictio mulieris post partum“ eine Bühne für Folter und Demütigung gemacht. Je nach Perversion, Pfarrer und Pfarrgemeinde wurde jungen Mütter im heiligen Südtirol fleißig bis in die 1970er rituelle Gewalt angetan. Mal mehr, mal weniger, es war pure Willkür und von Dorf und Pfarrer abhängig, ob und wie ausgesegnet wurde.

Damit von Anfang an klar war, wie „unrein” und minderwertig Mädchen sind, durften in einigen Dörfern Frauen die Kirche übrigens doppelt so lange nicht betreten, wenn sie ein Töchterchen gekriegt hatten.

Damit von Anfang an klar war, wie „unrein“ und minderwertig Mädchen sind, durften in einigen Dörfern Frauen die Kirche übrigens doppelt so lange nicht betreten, wenn sie ein Töchterchen gekriegt hatten. Das ist teuflisch daneben, lieber Herr Bischof, und auch wenn viele dieser Frauen günstigerweise nicht mehr leben und es sich anböte, den ganzen Dreck mal wieder unter’m Teppich zu kehren – die Kinder, für die sich diese Mütter „aussegnen” lassen mussten, leben noch. Und die Kinder der Kinder. WIR sind diese Kinder. Und wir sind noch immer wütend. Wütend, aber nicht mehr sprachlos. Und wir fordern eine öffentliche Entschuldigung für die Erniedrigung, die unseren Müttern und Großmüttern durch die Kirche angetan wurde.

Was passiert ist, prägt uns. Es schreibt sich ein in Familiengeschichten, in gesellschaftlichen Haltungen und dogmatisch-hartnäckigen Glaubenssätzen. Deswegen ist nicht egal, was war. Und es ist nicht egal, dass sich bis heute niemand bei den Müttern dafür entschuldigt hat. Entschuldigt dafür, dass sie in der schwierigen Zeit nach der Geburt, wo sie Unterstützung, Ruhe und Zuspruch gebraucht hätten, von der Kirche Demütigung, Folter und Machtmissbrauch bekommen haben. Dafür, dass sie erschöpft von Geburt und Wochenbett wie Aussätzige behandelt wurden. Dafür, dass sie zwar paradoxerweise für Geschlechtsverkehr geshamed wurden, dann aber bittschian schnell wieder brav ehelich beischlafen sollten, weil wehe es kam nicht jedes Jahr a Poppele.

Und natürlich auch dafür, dass Frauen, die menstruierten, in vielen Kirchen auf den hinterletzten Bänken sitzen mussten, während Pfarrer, die in der Sakristei masturbierten, vorne am Altar die großen Moralapostel gaben.

Dafür, dass Männer, die keine Ahnung von Gebären haben, mit pseudo-religiösen Begründungen absurde Riten der „Reinheit“ rechtfertigten, die in Wirklichkeit nichts als der dreckigen patriarchalen Machterhaltung und Kontrolle von Sexualität gedient haben. Dafür, dass der Mann neben der Ehefrau problemlos fünf Magde schwängern konnte, aber trotzdem immer schön „rein” wie mit Perwoll gewaschen blieb. Und natürlich auch dafür, dass Frauen, die menstruierten, in vielen Kirchen auf den hinterletzten Bänken sitzen mussten, während Pfarrer, die in der Sakristei masturbierten, vorne am Altar die großen Moralapostel gaben. Nicht alle Pfarrer waren so. Nicht alle haben auf die Aussegnung bestanden, nicht alle haben einen theoretisch sogar netten Segen („Willkommen zurück nach der Geburt“) praktisch so erniedrigend ausgelegt und durchgeführt. Aber viel zu viele.

Und viel zu viele „ausgesegnete“ Frauen hatten und haben noch im hohen Alter Tränen in den Augen, wenn sie von der Erniedrigung nach dem Wochenbett erzählen. Wegen der Scham. Dabei sind nicht sie es, die sich schämen müssen. Es ist die Kirche. Und zwar mindestens, bis sie sich endlich mal entschuldigt. Es wäre an der Zeit, lieber Herr Bischof, die Frauen um Vergebung zu bitten. Das wäre auch in Ihrem Sinne, denn es sind vor allem wir Mütter, die für die spirituelle Erziehung unserer Kinder zuständig sind und wenn wir Unreinen unsere Kinder nicht mehr taufen lassen, dann werden die Kirchen bald noch leerer sein, als sie es jetzt schon sind. Neuer Papst hin oder her. Ihr braucht uns. Und wir brauchen eine Entschuldigung. Es ist höchste Zeit, dass die Kirche vor uns Müttern auf die Knie geht und Abbitte leistet.

Die Enkelin der Unreinen:

Barbara Plagg

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