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Illustrations by Sarah
Teresa Putzer
Veröffentlicht
am 19.06.2023
LeuteInterview mit Ariane Benedikter

„Südtirols Studierende sind politisch und laut!“

Teures Wohnen, Braindrain und ein verzwicktes System der Anerkennung von Studientitel: Die Vorsitzende der Südtiroler Hochschüler:innenschaft Ariane Benedikter über die Herausforderungen der Südtiroler Studierenden.
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BARFUSS: Was sind die aktuellen zentralen Anliegen der Studierenden?
Ariane Benedikter: Es gibt aktuell zwei Hauptthemen, die uns und die Studierenden beschäftigen: Die Leistbarkeit des Studierens und die Studientitelanerkennungen. Aufgrund der Teuerungen ist das Studium für viele zur finanziellen Belastung geworden. Dabei spielt die Wohnsituation eine entscheidende Rolle. Das ist ein ortsübergreifendes Problem, wir hören das von Studierenden an vielen Universitätsstandorten. Besonders betroffen sind die Studierenden in Südtirol, da es in Südtirol kaum leistbare Mietwohnungen beziehungsweise WG-Zimmer gibt. Ein Zimmer in Bozen kostet von 500 bis 750 Euro, und auch Heimplätze sind zu wenige vorhanden. In ganz Südtirol gibt es 719 Heimplätze. Auf diese 719 Plätze gab es im letzten Jahr 1.200 Anfragen. Wir sprechen hier also von Wohnungsnot. Wir versuchen uns dahingehend einzubringen, dass das Studieren weiterhin für alle offen steht, indem es leistbar gemacht wird.

Wir benötigen langfristig dringend die Umkehrung der Besteuerung von Kurz- und Langzeitvermietung. Wir fordern zudem den Ausbau von Heimplätzen in Südtirol und setzen uns für andere Formen der finanziellen Unterstützung für Studierende ein.

Wie? Was kann die sh.asus gegen die Wohnungsnot unternehmen?
Die Wohnpolitik hängt von vielen Faktoren ab – wie zum Beispiel den Marktpreisen und der Inflation. Das, was wir als sh.asus machen, ist auf die Problematik hinzuweisen und das Interesse einer leistbaren Wohnpolitik für Studierende in der Politik zu vertreten. Wir sind stets im Dialog mit den entsprechenden politischen Entscheidungsträger:innen sowie verschiedenen Stakeholdern. Eine kleine Verbesserung in Bozen ist die Reduzierung der GIS (Gemeindeimmobiliensteuer) auf 0,7% bei Vermietung an Studierende. Um mehr Wohnungen für Studierende verfügbar zu machen, bräuchte es aber die Umkehrung der Besteuerung touristischer Vermietung und der Besteuerung für Vermietung an Studierende (die touristische wurde zwar angehoben, ist mit 0,56% aber immer noch niedriger als bei Vermietung an Studierende). Wir benötigen also langfristig dringend die Umkehrung der Besteuerung von Kurz- und Langzeitvermietung. Wir fordern zudem den Ausbau von Heimplätzen in Südtirol und setzen uns für andere Formen der finanziellen Unterstützung für Studierende ein.

Wie sehen diese anderweitigen finanziellen Unterstützungen aus?
Stipendien und Beihilfen stellen eine große Unterstützung für Studierende da. Auf unsere Forderung hin wurde die Studienbeihilfe 2022 um 20% erhöht und so der Inflation angepasst. Die letzte Anpassung lag mehr als zehn Jahre zurück. Solche Anpassungen sind enorm wichtig, da im aktuellen Studienjahr 2022/23 rund 3400 Südtiroler Studierende eine Studienbeihilfe erhalten haben und finanziell während des Studiums auf diese angewiesen sind. Zusätzlich haben wir die Wiedereinführung der Leistungsstipendien gefordert, welche Corona-bedingt zwei Jahre lang ausgesetzt wurden. 2024 kann man sich rückwirkend für das heurige Studienjahr für ein solches Stipendium bewerben.

Wie sieht es mit der Anerkennung von Studientiteln aus?
Zwischen Österreich und Italien gibt es ein Kulturabkommen seit 1952, das die Studienanerkennung ausrichtet. Aufgrund dieses bilateralen Abkommens werden einige Studientitel problemlos übertragen. Einige sind davon jedoch nicht betroffen, weshalb wir hier immer wieder Druck bei der Politik ausüben, um die Studientitel- und Berufstitelanerkennungen zu vereinfachen. Erst im Dezember 2022 wurden 26 neue Studientitel in Italien anerkannt. Das nächste Treffen über bilaterale Verhandlungen zur Anerkennung weiterer Studientitel soll vermutlich 2024 stattfinden. Geht man über Österreich hinaus, kann das trotz eines europäischen Bildungsbinnenmarktes um einiges komplizierter und langwieriger werden. Die Aufgabe der Südtiroler Hochschüler:innenschaft besteht darin, die Thematik immer wieder aufzuzeigen und Studierende über die aktuelle Lage aufzuklären.

Die jungen Südtiroler:innen verschaffen ihrer Meinung Gehör. Vorurteile bzgl. einer politikverdrossenen und leisen Jugend kann ich daher nicht wirklich nachvollziehen.

Engagieren sich Südtirols Studierende überhaupt, oder bleibt alles der sh.asus überlassen?
Gerade in der sh.asus findet man viele motivierte und engagierte junge Menschen. Doch Südtirols Studierende sind auch außerhalb politisch und engagiert. Ich werde immer wieder mit Studierenden konfrontiert, die sich sozial und politisch engagieren. Ich kenne viele Südtiroler:innen, die sich in ihrer Unistadt in die Studierendenvertretung wie der ÖH (Anm. d. Red.: Österreichische Hochschüler:inennschaft) wählen lassen und sich zusätzlich bei anderen gesellschaftspolitischen Bewegungen wie Fridays For Future oder dem Frauenmarsch engagieren. Die jungen Südtiroler:innen verschaffen ihrer Meinung Gehör. Ich kann die Vorurteile bezüglich einer politikverdrossenen und leisen Jugend daher nicht wirklich nachvollziehen. Ich habe in das Jahresprogramm der sh.asus auch gesellschaftspolitische Themen aufgenommen, da sich das Interesse der Südtiroler:innen an der Gesellschaftspolitik orientiert.

Inwiefern?
Aufgrund des hohen Interesses und Engagements von Studierenden habe ich neben der Leistbarkeit des Studierens und den Studientitelanerkennungen auch gesellschaftspolitische Schwerpunkte akzentuiert, wie den Klimaschutz und Gleichberechtigungsfragen. So haben wir im März eine Social Media Kampagne zur Gleichberechtigung gemacht (der März ist auch bekannt als „women’s month“) und einen Lesekreis zur sozialen und ökologischen Transformationen gemeinsam mit dem Südtiroler Klimabündnis Climate Action und den Toblacher Gesprächen ins Leben gerufen.

Kürzlich hat die sh.asus eine Podiumsdiskussion zum Thema Studium in Südtirol 2028 mit sieben Landtagskandidat:innen organisiert. Was waren die zentralen Erkenntnisse des Abends?
Es wurden viele wichtige Themen besprochen; von der Wohnungsnot über den Braindrain (Anm. d. Red.: Abwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften ins Ausland) bis hin zum Ärzt:innenmangel. Alle Landtagskandidat:innen waren sich einig, dass gegen die Wohnungsnot vorgegangen werden muss. Zusätzlich sind alle Parteien daran interessiert, Südtirol für Rückkehrer:innen attraktiver zu gestalten.

Die Unterkunftsnot sollte entschärft, weitere Studierendenheime gebaut und die Dreisprachigkeit an der Universität weiter ausgebaut werden.

Was sollte deiner Meinung nach bis 2028 zum Thema Studium in Südtirol passieren?
Die Unterkunftsnot sollte entschärft, weitere Studierendenheime gebaut und die Dreisprachigkeit an der Universität weiter ausgebaut werden. Am Dienstag, 13. Juni hat die Landesregierung die Musterverordnung zum Bau von Studierendenwohnheimen in Gewerbezonen genehmigt. Das ist ein wichtiger Schritt – nun sollten auf Basis dieser Musterverordnung rasch neue Projekte realisiert werden. Ein gewisser Prozentsatz an Braindrain wird in Südtirol nicht zu vermeiden sein, da sich viele Individuen nach einem Leben und einer Arbeit in einer großen Stadt sehnen. Trotzdem sollten Jobangebote in Südtirol flexibler werden, damit die Rückkehr nach Südtirol und das Leben in Südtirol nicht aufgrund fehlender attraktiver Arbeitsmöglichkeiten ausgeschlossen wird. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Südtirol auch schon viele moderne Jobmöglichkeiten bietet und diese zum Teil nicht wahrgenommen werden. Daher co-organisiert die sh.asus immer wieder Events, um solchen Entwicklungen im Arbeitsbereich Sichtbarkeit zu verschaffen.

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