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Thomas Vonmetz
Veröffentlicht
am 25.07.2022
LeuteInterview mit Cornelia Lochmann

Ohne Kunst geht es nicht

Veröffentlicht
am 25.07.2022
Die Liebe zur Kunst hat Cornelia Lochmann zu einem Pendlerleben zwischen Südtirol und Berlin geführt. Ein Sommergespräch über Kunst, sexuelle Tabus und die Bozner Mentalität.
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Malerei von Cornelia Lochmann

Cornelia Lochmann, Jahrgang 1985, nahm nach der Matura ein Studium der freien Malerei und Grafik in Berlin Weissensee auf, das sie mit dem Meisterschülerabschluss bei Professor Werner Liebman erfolgreich abschloss. Heute lebt sie als freischaffende Künstlerin zwischen Südtirol und Berlin.

Joseph Beuys provozierte mit der These, jeder sei in Künstler. Was ist für dich Kunst?
Ich bin in erster Linie eine Kunstschaffende und keine Kunstwissenschaftlerin. Ich habe mich aber durchaus mit dieser Frage beschäftigt. Das Wort Kunst ist ein Substantivabstraktum zum Wort „Können“. Der Kunstförderer Hans Jürgen Müller schrieb in seinem Buch „Kunst kommt nicht von Können“, dass das Können eben doch keine ausschlaggebende Rolle für die Kunstproduktion spielt. Während meines Malereistudiums habe ich mich mit der These „Jeder kann malen“ vom rein technischen Standpunkt aus auseinandergesetzt. Ich teile die Meinung, dass jeder ad hoc Kunst schaffen kann, bewundere aber technisches Können.

Was hat es mit diesem Können auf sich?
Es ist für mich eine Mischung aus Wahrnehmung, Intuition, Fantasie, Wissen und Kreation. Für mich macht Kunst aus, dass sie keinen direkten Zweck erfüllt. Für mich selbst bedeutet Kunst den Freiraum, etwas zu tun, was mich selbst bereichert. Ich muss im Alltag funktionieren, sei es in einer Partnerschaft oder in meiner Rolle aus Mutter. Kunst schafft da einen Mehrwert.[[{“fid”:”28520″,”view_mode”:”default”,”fields”:{“format”:”default”,”field_description[und][0][value]”:””,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Cornelia Lochmann”},”link_text”:null,”type”:”media”,”field_deltas”:{“4”:{“format”:”default”,”field_description[und][0][value]”:””,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Peter Unterthurner”},”9″:{“format”:”default”,”field_description[und][0][value]”:””,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Cornelia Lochmann”}},”attributes”:{“height”:566,”width”:780,”class”:”media-element file-default”,”data-delta”:”9″}}]]

Aber malst du nicht auch, um deine Kunst zu verkaufen?
Ja, das mit dem Kunstmarkt ist schwierig. Der ist nicht unbedingt kunstfreundlich, sondern muss funktionieren. Er basiert auf Konkurrenz und Wettbewerb. Kunst wird kommerzialisiert und kann unfrei werden. Ich persönlich stelle künstlerischen Erfolg nicht mit finanziellem Erfolg gleich. In Südtirol wurde ich häufig angesprochen: „Ah du bist Künstlerin! Läuft das Geschäft gut?“ So ähnlich wie bei den Grödner Holzschnitzern. Nicht jede Form des Erfolges lässt sich in Geld messen, doch wenn man von Kunst leben will, dann muss man sich auf dem Kunstmarkt behaupten.

In Südtirol wurde ich häufig angesprochen: „Ah du bist Künstlerin! Läuft das Geschäft gut?“ So ähnlich wie bei den Grödner Holzschnitzern.

Ist es schwierig, heute als Künstlerin zu bestehen?
Es ist eine Frage des Typs. Ich würde nicht sagen, dass es in anderen freischaffenden Berufen leichter ist. Es gibt Künstler, die einfach talentiert darin sind, ihre Kunst zu vermarkten. Gute Geschäftsleute und keine schlechten Künstler, das gibt es! Ich persönlich habe Schwierigkeiten, mich zu verkaufen, da ich im Grunde genommen kein großes Interesse daran habe, Kapital anzuhäufen. Die Kunst verlangt mir viel Zeit und Anstrengung ab, der finanzielle Lohn ist im Verhältnis dazu sehr gering. In einem bürgerlichen Beruf würde ich wahrscheinlich mehr verdienen. Doch dieser würde mich nicht so ausfüllen. In gewisser Weise lebe ich für die Kunst.

In anderen Fällen wiederum wird Kunst politisch aufgeladen.
Wenn ich mir die Biennale oder die Documenta anschaue, dann ist es erschreckend, wie die Künstler jetzt politisch korrekt sein wollen und sich anpassen müssen. Sie dürfen nichts „Falsches“ machen. Sie verlieren ihre Freiheit und damit ihre größte Stärke. Es geht darum Fragen aufzuwerfen, unbequem zu sein und Debatten anzustoßen. Kunst darf nicht gefällig werden, denn dann werden Künstler ängstlich und beschneiden ihre eigene Kunst.

Es gibt aber schon moralische Grenzen, eben das Thema „Antisemitismus“ auf der Documenta?
Ja klar. Jemand, der rechtsradikale Propaganda betreibt, macht keine Kunst. In diesem speziellen Fall handelte es sich aber um eine satirische Darstellung und die Künstler haben sich deutlich vom Antisemitismus distanziert. Trotzdem hatte die negative Rezeption des Kunstwerkes schlussendlich mehr Gewicht und das Kunstwerk musste deshalb entfernt werden. Für mich wurde damit die Freiheit der Kunst beschnitten.

Die Künstlerin Cornelia Lochmann

Ich erinnere mich an den Kippenberger-Frosch im Museion. Lässt sich dieser Fall vergleichen?
Doch, er ist sogar passend. Es waren zwar nur drei „SarnerInnen“, die da Blasphemie erkannten, aber der Fall ist ähnlich. Es war ein riesiger Skandal. Beim aktuellen Fall der Documenta kommt mir hingegen vor, dass alle Beteiligten Angst haben, was falsch zu machen. Die momentane Situation mit all den Krisen ist sehr angespannt. Kunst könnte in diesem Zusammenhang befreiend wirken, weil sie eben abseits des alltäglichen Lebens steht und sich den gängigen Bewertungsmethoden entzieht.

Seit deiner Kindheit malst du.
Ja richtig. Bereits in der ersten Volksschule war es für meine damalige Kunstlehrerin offensichtlich, dass ich gerne male und Talent habe. Ich konnte ungemein lang bei einem Bild bleiben. Dieser Leidenschaft für die Malerei gehe ich bis heute nach.

Wie wichtig war es für dich, früh gefördert zu werden?
Das war ausschlaggebend. Ich hatte einen Lehrer, der mich außerhalb der Schule künstlerisch gefördert hat und wichtige Inputs lieferte. Er hat mich zu vielen Ausstellungen, Workshops und Kunstfestivals mitgenommen. Auch konnte ich im Ausdruckstanz, in der Performance, dem Kunstfilm bis hin zur Contact Improvisation und Thai Chi reinschnuppern. Er weckte eine tiefgreifende Begeisterung in mir. Diese Leidenschaft früh zu fördern war zentral, denn wenn du Talent hast, aber aus einer Familie kommst, in der Kunst keine Beachtung erfährt, ist es ungemein schwieriger, eine Künstlerkarriere einzuschlagen.

Ich konnte mich in der Kunst artikulieren und Aussagen treffen, die ich nicht mehr in Worten fassen konnte.

Welche Bedeutung haben die Kunst und die Malerei in deinem Leben?
Sie bedeutet für mich eine Liebesbeziehung. Die Frage ist ähnlich wie die eines Liebhabers: „Was bin ich für dich?“ Manchmal ein lästiger Kollege, ein Rückzugsort und dann ein Ventil, Ekstase usw.

Kann Kunst, bezogen auf psychische Krankheiten, therapeutisch wirken?
Dessen bin ich mir sicher. Mir selbst hat Kunst durch eine psychische Krise geholfen, weil ich durch Kunst die Möglichkeit habe, mit Teilen meines Unbewussten zu kommunizieren. Kreativ zu arbeiten, setzt selbstheilende Mittel in Bewegung. Werke, die ich in der Krise malte, habe ich nur teilweise veröffentlicht. Sie stellten während einer schwierigen Zeit meinen letzten Halt in der Welt dar, meine letzte Möglichkeit zur Kommunikation. Ich konnte mich damit artikulieren und Aussagen treffen, die ich nicht mehr in Worten fassen konnte.

Du sprichst schon von einem depressiven Zustand?
Mit diesen Fachbegriffen und Kategorisierungen kann ich nicht viel anfangen. Ich würde allgemein von einer psychischen Überlastung sprechen. Angstzustände haben dabei sicher auch eine Rolle gespielt.

In deiner Malerei findet man surreale Motive, die von unterbewussten Obsessionen und sexuellen Tabus erzählen…
Ja, dem stimme ich teilweise zu. Ich habe aber das Gefühl, dass es heutzutage keine sexuellen Tabus mehr gibt (lacht). Das nimmt mir den Spaß an der Sache. Es ist alles gerechtfertigt, jeder absurdeste Fetisch ist zu akzeptieren und sogar zu erlernen. Meine Bilder sollen mysteriös sein, aber auch eine Deutung zulassen. Es ist manchmal schwierig, introspektiv zu sein, in mich selbst vorzudringen. Zurzeit mache ich fragmentarische Arbeiten zu meiner Kindheit. Ich mische verschiedene Fotos untereinander und versuche, sie zu konterkarieren. Es ist eine Art gesteuerte Flucht in die Vergangenheit, wo alles noch überschaubarer war.

In Südtirol treffe ich häufig auf die Haltung: “Wir wissen, wie das Leben läuft und wie wir das machen, so ist es richtig.“

Was verarbeitest du sonst noch in deiner Kunst?
Es geht mir vor allem darum, dass ich meine Wahrnehmung mit meinem bestehenden Wissen verbinde und aktualisiere. Auch das Experimentelle ist mir wichtig, neue Dinge zu wagen. Mein Medium ist die Malerei, doch erst vor kurzem habe ich in St. Ulrich meine erste Performance gemacht. Ich war überrascht, wie schwierig es ist, direkt vor dem Publikum zu stehen und sich darzustellen. Ich habe ein Manifest rezitiert und war im Vorfeld unglaublich nervös. In Zukunft will ich mehr darstellende Kunst betreiben und nicht ausschließlich Malereiausstellungen machen.

Wie Marina Abramovich?
Ja, schon irgendwie. Sie hat wie kein anderer Künstler die Performance geprägt. Ich sah einmal eine Retroperspektive von ihr in Belgrad 2020. Unglaublich beeindruckend. Sie hat wirklich gesellschaftliche Debatten losgelöst.

Du lebst seit Jahren zwischen Bozen und Berlin, momentan in Berlin. An welchem Ort fühlst du dich wohler?
Durch dieses Hin und Her fühl ich mich dazwischen am wohlsten (lacht). Ich lebe seit etwa einem Jahr wieder in Berlin, bin aber häufig in Südtirol. Ich bin mittlerweile an beiden Orten zuhause, brauche sie beide. Leben tue ich aber lieber in Berlin. Ich habe Südtiroler Wurzeln, die nicht zu leugnen sind. Obwohl ich aber in Bozen aufgewachsen bin, hatte und habe ich Schwierigkeiten, mich dort anzupassen, es ist schwierig für mich, dort zu leben.

Ich nehme an, das liegt daran, dass Menschen in Berlin anders ticken als in Bozen…
Wenn ich an meine 15-jährige Tochter denke, dann finde ich, die Unterschiede sind eher gering, sprich die Mode oder das omnipräsente Smartphone mit den Social-Media-Kanälen. Bei der älteren Generation jedoch stoße ich auf deutlichere Unterschiede. In Südtirol treffe ich häufig auf die Haltung “Wir wissen, wie das Leben läuft und wie wir das machen, so ist es richtig.“ Der Berliner ist da lockerer und lässt unterschiedliche Lebensmodelle zu.

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