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Illustrations by Sarah
Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 27.06.2016
LeuteInterview mit Jasmin Ladurner

„Ein anderes Europa”

Die 22-jährige Jasmin Ladurner ist Mitarbeiterin in der Parteizentrale der Europäischen Volkspartei. Ihre Erfahrungen dort zeigen ihr: Es muss sich einiges ändern.
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Wie funktioniert die EU? Nur wenige haben die Möglichkeit, das direkt vor Ort und im Mittelpunkt des Geschehens mitverfolgen zu können – und das auch noch Tag für Tag. Zu diesen Menschen darf sich Jasmin Ladurner zählen, die mit 22 Jahren schon eine Arbeitsstelle in Brüssel hat. Nach dem Abschluss ihres Studiums in Innsbruck und einem Aufenthalt in Israel ging es für sie nach Brüssel – zunächst für ein Praktikum bei SME Europe, der Wirtschaftsvereinigung der Europäischen Volkspartei, im Dezember wechselte sie dann als Mitarbeiterin in die Parteizentrale. Dadurch blieben ihr einige wertvolle Einblicke in den EU-Alltag nicht verwehrt, und wo es fundierte Einblicke in die Gegenwart gibt, da gibt es oft auch bereits Visionen für die Zukunft. Über solche Visionen, ihre Tätigkeit in der Parteizentrale und die Rolle, die Südtirol und junge Menschen im künftigen Europa spielen werden, sprach Jasmin Ladurner im Interview.

Wie sieht dein Arbeitsalltag in der EVP-Parteizentrale aus?
Ich arbeite dort im Büro von Christian Kremer, dem Stellvertretenden Generalsekretär der Europäischen Volkspartei. Zu meinen Aufgaben gehören administrative wie auch inhaltliche Tätigkeiten. Beispielsweise bin ich für organisatorische und buchhalterische Aufgaben zuständig, ich darf zuweilen aber auch die Arbeitsgruppen der EVP vorbereiten, schreibe Protokolle und Reden, gehe Research-Aufgaben nach oder übersetze Texte. Und natürlich gehört viel Korrespondenzarbeit dazu. Ganz besonders spannend sind für mich die EVP-Gipfeltreffen, die im Vorfeld der EU-Gipfel stattfinden und an denen die Staats- und Regierungschefs unserer Mitgliedsparteien teilnehmen.

Bleibt da nebenbei auch noch Zeit fürs Studium?
Zuerst studierte ich in Innsbruck Politikwissenschaften und Wirtschaftsrecht. Das Studium der Politikwissenschaften habe ich schon abgeschlossen, Wirtschaftsrecht ist noch offen. In der Tat bleibt fürs Studium keine Zeit mehr übrig. Zurzeit ist es auch unklar, wie lange ich weiterhin in Brüssel bleiben werde, ansonsten möchte ich aber natürlich irgendwann an die Uni zurück und noch einen Master machen.

Mit 22 Jahren hat man dazu auch noch reichlich Zeit. Wie bist du anfangs dazu gekommen, dich so aktiv mit Politik zu beschäftigen?
Bei uns liegt das wohl in der Familie. Meine Mutter ist im Gemeinderat, meine Tante war Landtagsabgeordnete, deswegen sind unsere Tischgespräche auch früher schon, als ich noch klein war, immer irgendwann in Richtung Politik gegangen. So habe ich mich dann entschieden, Politikwissenschaften zu studieren, und im Zuge dessen fing ich an, mich auch in der Jungen Generation der SVP zu engagieren. So ist das Ganze ins Rollen gekommen.

Brüssel ist ein ganz schöner Karrieresprung. Verfolgt man dort oben eigentlich noch, was sich in der lokalen Politik zu Hause abspielt?
Anfangs, das muss ich ehrlich zugeben, habe ich die Nachrichten aus Südtirol ein wenig vernachlässigt. Man wird in Brüssel so sehr mit anderen Nachrichten zugeschüttet – aber eben mit Nachrichten auf „höherer“ Ebene –, dass man das, was zu Hause passierte, teilweise aus dem Blick verlor. Mit der Zeit habe ich dann aber bewusst wieder begonnen, mich vermehrt darüber zu informieren, was in Südtirol gerade aktuell ist, so zum Beispiel auch vor Kurzem beim Flughafen-Referendum.

In Brüssel befinden sich zwei der wichtigsten europäischen Institutionen: die EU-Kommission und das EU-Parlament. Die Kommission erarbeitet Gesetzesvorschläge, die dann vom Parlament abgesegnet werden müssen. Jeder EU-Bürger darf durch regelmäßig stattfindende Wahlen mitentscheiden, wer im Parlament sitzt. Die Abgeordneten des Parlaments gehören europäischen Sammelparteien an. Eine solche Sammelpartei ist auch die EVP (Europäische Volkspartei), der viele europäische Einzelparteien, vornehmlich aus dem Mitte-Rechts-Lager, angehören. Mit dabei ist zum Beispiel auch die SVP, die im EU-Parlament durch den Abgeordneten Herbert Dorfmann vertreten ist.

Letztens waren die Nachrichten vor allem vom Thema Brexit geprägt. Aber nicht nur in Großbritannien, auch in anderen EU-Ländern sind die Europaskeptiker auf dem Vormarsch. Wie sieht deine Zukunftsvision für Europa aus?
Einige fordern weniger Europa, andere fordern mehr Europa. Was wir auf jeden Fall brauchen, ist ein anderes Europa. Das heißt, dass wir mehr Zusammenhalt brauchen, ein größeres Füreinander statt dem üblichen Gegeneinander. In der gegenwärtigen EU denkt man immer noch zu sehr in den Kategorien der Nationalstaaten, jeder versucht, für sich selbst am meisten herauszuholen. Deswegen finde ich, dass Europa an einem Punkt angekommen ist, wo es nicht mehr so weiter gehen kann. Wir müssen endlich lernen, supranational zu denken. Neben einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik werden flexiblere und funktionsfähigere Institutionen benötigt, damit die EU auf Probleme schneller reagieren kann. Ich gehöre letztlich also sicher auch zu denen, die mehr Europa fordern.

Wie siehst du die Rolle Südtirols in diesem „anderen“, künftigen Europa?
Südtirol ist zwar eine kleine, aber nicht unbedeutende Region. Durch den Brennerpass und folglich mit der Diskussion um den Schengen-Raum standen wir gerade erst vor Kurzem in den internationalen Schlagzeilen. Insofern wird Südtirol auch künftig ein Prüfstein für das künftige Europa sein, jedenfalls wird sich an dessen Beispiel zeigen, ob es Europa gelingen wird, die Errungenschaft der inneren offenen Grenzen aufrechtzuerhalten oder nicht. Dazu bedarf es meiner Meinung nach aber einer stärkeren Sicherung der Außengrenzen.

Was hältst du hingegen von der Abschottungspolitik gewisser EU-Länder, in letzter Zeit gerade auch vonseiten Österreichs?
Ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir weniger in Nationalstaaten denken müssen und dass innere Grenzen nirgendwohin führen. Das gilt auch für diese Staaten.

„Es ist viel schneller etwas zerstört, als es aufgebaut wurde.”

Sind deiner Meinung nach gewisse Ressentiments gegenüber der EU auch verständlich? Müssen die Entscheidungsträger der EU beispielsweise mehr für die Jugend tun, etwa in puncto Arbeitslosigkeit?
Man muss bedenken, dass wir derzeit mit den größten globalen Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert sind. Ich denke dabei an Terrorismus, Digitalisierung, Nachwehen der Finanzkrise, bedenkliche demographische Entwicklungen, Klimawandel, massive Immigration und soziale Ungleichheit. Angesichts dessen sind der Bevölkerung negative Aussagen gegenüber der EU kaum zu verdenken. In Europa gibt es 500 Millionen Menschen und diese Menschen wollen Wohlstand und Beschäftigung. Klar ist, dass die EU langfristig nicht überzeugen wird, wenn Probleme wie die Jugendarbeitslosigkeit nicht effizienter bekämpft werden. Die Entscheidung Großbritanniens, aus der EU auszusteigen, sollten wir dabei als Ansporn sehen, noch stärker für die Europäische Union zu arbeiten, die Integration innerhalb der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten zu fördern und wachsenden Nationalismus und Populismus zu bekämpfen. Es ist leider viel schneller etwas zerstört, als es aufgebaut wurde.

Zu den Erfolgen der EU wird hingegen das Erasmus-Programm gezählt. Kannst du dem zustimmen?
Erasmus-Programme bieten jungen Studierenden und kürzlich Graduierten die Möglichkeit, im europäischen Ausland zu studieren und Praktika zu absolvieren. Dadurch lernen Jugendliche nicht nur andere Menschen, Kulturen, Sprachen und Länder kennen, sondern verinnerlichen auch eine gewisse Weltoffenheit und Toleranz – und das ist für ein geeintes Europa unerlässlich. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich durch dieses Mobilitätsprogramm tolle Menschen aus aller Herren Länder kennenlernen durfte und unzählige Freundschaften geschlossen habe. So wurde für mich das Miteinander unterschiedlicher Sprachen und Nationalitäten zum Selbstverständnis. Das Erasmus-Programm ist deswegen eine der großen Errungenschaften der EU, es ist für eine funktionierende Europäische Integration auch in Zukunft nicht nur wichtig, sondern fundamental. Und man kann nur jedem empfehlen, es zu nutzen.

Das scheint sich auch bezahlt zu machen. Bei der Brexit-Abstimmung hat sich herausgestellt, dass junge Menschen vorwiegend gegen den Austritt waren. Warum sollten sich gerade junge Menschen für ein geeintes Europa einsetzen?
Ganz einfach, weil die jungen Leute die Menschen von morgen sind. Sie werden die Zukunft stellen, insofern liegt es am meisten in ihrem Interesse, die Europäische Union von morgen mitzugestalten. Das geht aber nur, wenn man auch ordentlich mitredet.

Jasmin Ladurner auf dem 10. Maretscher Gespräch am 17. Juni 2016. Es diskutierten außerdem (von links): Franz Fischler (Präsident des Europäischen Forums Alpbach), Oktavia Brugger (Journalistin), Sebastian Seehauser (aktuell Gemeinderatsmitglied in Bozen, zuvor Präsident der Jugend Europäischer Volksgruppen)

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