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Illustrations by Sarah
Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 07.03.2016
LeuteInterview mit „Jung in Bozen"

Bozner Rebellen

„Dieses Bozen ist einfach zu brav.“ Eine Gruppe junger Bozner will „randalieren“ und auf die Nerven gehen, damit sich die Stadt positiv entwickelt.
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Schon seit einem Jahr treibt die Gruppe „Jung in Bozen“ in der Landeshauptstadt ihr Unwesen. Provokante Flyer, Aufkleber und eine plakatierte Waltherstatue auf dem Bozner Waltherplatz. Durch solche Aktionen will „Jung in Bozen” auf verschiedene Themen aufmerksam machen – derzeit vor allem auf das Benko-Kaufhaus, das man sehr kritisch sieht. Bei „Jung in Bozen” geht es aber um weit mehr. Worin dieses „mehr“ besteht, erzählen Thomas Huck (25) und Lisa Huber (24), zwei Drahtzieher der Gruppe.

Erst vor Kurzem habt ihr euch „geoutet“. Wer steht hinter „Jung in Bozen”?
Lisa:
Wir sind eine Bewegung von jungen Boznern, die vor einem guten Jahr aus einem engen Freundeskreis entstanden ist. Wir haben uns damals gedacht, dieses Bozen ist uns einfach zu brav, dabei müssten wir junge Menschen doch rebellischer, kritischer sein! Und wir haben angefangen zu überlegen, wogegen oder wofür es sich zu kämpfen lohnen würde. Da hat sich das Thema Kaufhausprojekt sofort angeboten, weil wir gesehen haben, dass da viele Dinge laufen, wie sie eigentlich nicht laufen sollten.

„Bozen prägt als Landeshauptstadt ganz Südtirol und deswegen ist es umso wichtiger, dass man sich einbringt, denn das, was in Bozen passiert, das geht weit über die Grenzen der Stadt hinaus.”

Das Thema Einkaufszentrum ist also ein Aufhänger, hinter dem noch mehr steckt. Was wollt ihr eigentlich?
Lisa:
Wir wollen, dass Menschen anfangen nachzudenken. Uns stört, wenn man Ansichten einfach unhinterfragt übernimmt, uns stört, wenn man geblendet wird durch hübsche Bilder und Sprüche, und uns stört, wenn wir es nicht schaffen, Bozen gemeinsam zu gestalten und zu verändern. Junge Menschen haben gute Ideen – (lacht) auch andere Menschen haben gute Ideen und mit diesen Ideen muss man mitreden und gehört werden können.
Thomas: Und es geht da auch weniger darum, ob man in Bozen lebt oder nicht. Bozen prägt als Landeshauptstadt ganz Südtirol und deswegen ist es umso wichtiger, dass man sich einbringt, denn das, was in Bozen passiert, das geht weit über die Grenzen der Stadt hinaus.

Thomas, vor ein paar Tagen hast du René Benko auf seiner Pressekonferenz vor laufenden Kameras einen Handschlag gegeben – habt ihr jetzt etwa Frieden geschlossen?
Thomas:
Ich finde, dass grundsätzlich alles friedlich abläuft, was hier passiert. Wir haben ja an und für sich nichts gegen die Person Benko, wir haben halt eine andere Meinung und finden auch die Herangehensweise nicht korrekt. Der Handschlag hatte aber eine andere Bedeutung: Wir haben den Eindruck, dass dieses Kaufhaus sehr viel verspricht – wie viel davon realisiert wird, ist fraglich – und mir ging es darum, all diese Versprechen auch demonstrativ durch so ein Agreement per Handschlag festzuhalten. Wir werden sehen, ob es dann eingehalten wird.

„Warum sollte es gefährlich sein, Gesicht zu zeigen, mit einer eigenen Meinung nach außen zu gehen und zu versuchen, andere auch davon zu überzeugen? Das darf nicht gefährlich sein, sondern das muss einfach gemacht werden!”

Gegen das Kaufhaus gibt es viele Argumente. Welches ist euer Hauptargument dagegen?
Lisa:
Das ändert sich von Zeit zu Zeit. Vor allem aber stört uns gerade, wie die Politik vorgeht. Die Entscheidungen, die in Hinsicht auf dieses Projekt getroffen wurden, sind nicht demokratisch. Da war weder Partizipation, noch Transparenz. In unseren Augen ist das nicht Politik, wie sie gelebt werden soll. Wir wollen, dass Bozen wenigstens die Möglichkeit besitzt, sich positiv zu entwickeln – aber momentan haben wir überhaupt nicht das Gefühl, dass das der Fall ist.
Thomas: Das sieht man schon daran, wie man sich fürchtet, seine Meinung zu sagen. Wir haben jetzt endlich Gesicht gezeigt, aber wie oft hat es geheißen: „Passt auf, die machen euch fertig! Tut das nicht, das ist gefährlich!“ Aber warum sollte es gefährlich zu sein, Gesicht zu zeigen, mit einer eigenen Meinung nach außen zu gehen und zu versuchen, andere auch davon zu überzeugen? Das darf nicht gefährlich sein, sondern das muss einfach gemacht werden!

Habt ihr auch konkrete Gegenvorschläge, eine Alternative zum Kaufhaus?
Lisa: Ich glaube nicht, dass es unsere Aufgabe ist, Gegenvorschläge zu bringen. Aber natürlich denken wir darüber nach und stellen uns die Frage: Wie ist dieser Stadtteil sonst noch nutzbar? Mir zum Beispiel ist wichtig, dass das ein öffentlicher Platz bleibt, der allen gehört, und ich frage mich, warum wir nicht imstande sind, diese Zone so aufzuwerten, dass sie es wieder wert wird, dort zu leben.
Thomas: Alternativvorschläge sind auch schnell gefunden, wenn man sich einmal gemeinsam (also Gemeinde, Bürger und Investoren) hinsetzt und darüber nachdenkt. Es braucht auch keine absolute Lösung für alles, sondern das geht Schritt für Schritt: Den Park kann man botanisch aufwerten, der Busbahnhof gehört renoviert und aus dem Hotel Alpi kann Benko etwas machen.
Lisa: Und was wir sehr gut brauchen können, sind kreative Freiräume in der Stadt. Da bietet sich das Bahnhofsareal als super Möglichkeit an, kreativ zu werden. Hier ist jeder gefragt, jeder kann sich überlegen: „Was können wir tun, damit diese Zone wieder lebenswerter wird?“

Es mangelt an Demokratie und Partizipation, sagt ihr. Die anstehende Volksbefragung ist zu wenig?
Lisa:
Wir finden es natürlich gut, dass man abstimmen kann und dass auch 16-Jährige ihre Stimmen abgeben können. Aber nicht auf dieser Grundlage wie jetzt gerade, nicht auf der Grundlage von Werbung und Blendung, sondern auf der Grundlage von Informationen.
Thomas: Und damit kommen wir wieder auf die erste Frage zurück, denn darum geht es uns. Jugendliche sind nicht nur konsumgeile Menschen, die gern mal nach Innsbruck fahren, und sich jetzt freuen, dass auch bei uns so ein Kaufhaus gebaut wird. Jugendliche sind auch kritisch, rebellisch, haben eine eigene begründete Meinung. Aber so werden sie momentan nicht behandelt.

Angenommen, das Nein gewinnt: Wird es „Jung in Bozen“ ohne das Kaufhaus-Thema dann noch geben?
Thomas:
Das ist der nächste Punkt: Auch wenn das Nein gewinnt, ist das Thema noch längst nicht vom Tisch, dann wird es halt wieder an den Gemeinderat übergeben. Auch hier sieht man, wie ernst man das mit der Partizipation nimmt. Das Kaufhaus wird also weiterhin unser Thema, aber es wird auf jeden Fall auch andere Projekte geben.
Lisa: Die Frage, die ich schon aufgeworfen habe und die uns grundsätzlich beschäftigt, ist: Wie können junge Menschen in Bozen politisch aktiv werden? Wir sehen uns als gesellschaftspolitische Gruppe, die auch mal „randaliert“ und auch mal auf die Nerven geht, wenns notwendig ist, aber dadurch eben auf Sachen hinweist, die sonst eher untergehen würden. Politisch gesehen wird es auf jeden Fall ein aufregender Frühling, der für die Bozner und Boznerinnen jetzt ansteht, und derzeit sind wir noch am Überlegen, wie wir uns konkret dabei einbringen können.

Muss man denn – auch als junger Mensch – gezwungenermaßen einer Partei oder Bürgerliste beitreten (oder eine solche sogar selbst gründen), um politisch aktiv werden zu können?
Lisa:
Das ist die Frage, die uns gerade umtreibt. Wir sind dabei, ihr auf den Grund zu gehen, und man wird von „Jung in Bozen“ auf jeden Fall – auch zu dieser Frage – noch etwas hören.

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