BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
BARFUSS LogoSüdtiroler Onlinemagazin

Support Barfuss

Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus

BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
Illustrations by Sarah
Sarah Meraner
Veröffentlicht
am 07.01.2025
LebenInterview mit „Make Tourists Pay“

„Wir greifen ein Gefühl auf“

Die Initiative „Make Tourists Pay“ fordert die kostenlose Nutzung von Öffis in Südtirol, finanziert durch eine gerechte finanzielle Beteiligung von Tourist:innen. Wie kommt die Gruppe zu dieser Forderung und was erhofft sie sich davon?
Damit BARFUSS weiterhin hinterfragen, aufklären, erzählen und berühren kann, brauchen wir DEINE Unterstützung!
Werde Teil unserer Community.
Teile unsere Story

Artikel anhören

Julia Weissteiner aus Vintl ist Sprecherin von „Make Tourists Pay“, deren Idee bereits im Frühjahr 2024 entstanden ist – eine Gruppe von sieben Leuten, die schon Erfahrungen mit Demonstrationen hatten. Die 24-Jährige erzählt im Interview mit BARFUSS, warum die Initiative Gratis-Öffis mit dem Thema Tourismus koppelt und warum zwei Euro für niemanden eine Strafe wären.

Warum ist die Idee zu „Make Tourists Pay“ entstanden?
Wir haben uns überlegt, dass es cool wäre, auch mal in Südtirol aktiv zu werden – Demos gab es bis dato ja noch nicht so viele und schon gar nicht in den kleineren Orten. Wir haben einige Zeit überlegt, mit welchem Thema wir uns befassen möchten und haben uns irgendwann gefragt: Was ist mit Öffis? Damals gab es im Landtag einen Antrag von Thomas Widmann zu kostenlosen Öffis, der eigentlich nur wegen einer Stimme nicht durchgegangen ist. Wir sahen das Ganze als gar nicht so unrealistisch, aber waren uns unsicher, ob das Thema die Leute genug interessiert. Also haben wir überlegt, was wir noch dazunehmen können: Tourismus und die für Tourist:innen kostenlose Guest Card sorgen für sehr viel Unmut. Das beschäftigt die Leute. Wir haben beschlossen, die beiden Themen miteinander zu verbinden. Die Idee von den zwei Euro, die Tourist:innen pro Nacht zahlen sollen,  ist allerdings keine neue, die hat es schon von einem Mitarbeiter des Mobilitätsressorts vor zwei Jahren gegeben, der einen Brief an die Landesregierung geschickt hatte. 

Gratis-Öffis sind eine politische Entscheidung.

In der FF schreibt Anton Rainer in einem Kommentar, dass eure Idee „der falsche Ansatz sei“. „Weil Gratis-Öffis erstens keine Frage von fehlenden Einnahmen sind, sondern von politischem Willen. Und weil ,Die können es sich eh leisten‘ immer schon ein falscher Anreiz war.“ Was ist eure Antwort auf diese Aussage?
Ich habe daraufhin auch schon in einem Leserbrief geantwortet: Prinzipiell hat er recht. Das Gesundheitssystem, die Schulen usw. – dass all diese Dinge gratis sind, ist eine politische Entscheidung, also wären auch Gratis-Öffis eine politische Entscheidung – das wollen wir gar nicht bestreiten. Allerdings ist die Message „Wir machen jetzt Gratis-Öffis, aber es wird nicht auf eurem Rücken ausgetragen“ leichter zu verkaufen. Es wären keine zusätzlichen Steuereinnahmen notwendig und Tourist:innen zahlen einen angemessenen Beitrag. Außerdem bliebe durch unseren Vorschlag auch noch Geld übrig für den Ausbau von Verbindungen, bessere Bezahlung für Angestellten des ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) usw.

Findet ihr zwei Euro pro Nacht für Tourist:innen angemessen?
Zwei Euro sind nicht viel, das ist kein teures Ticket, das ist mir wichtig zu betonen. Wenn Menschen sich dazu entscheiden, das Ticket nicht zu nutzen, dann haben sie das Geld zwar bezahlt, aber sie haben für eine funktionierende Mobilität in Südtirol bezahlt, die ihnen auch zugutekommt, weil sie auf den Straßen schneller vorankommen. Es ist keine Strafe. Tourist:innen bekommen auch einen Nutzen. Es ist im Endeffekt ein günstiges und unlimitiertes Öffi-Ticket.

Und seid ihr denn „wütend auf Luxus-Touristen“? Das schreibt er nämlich auch …
Wir finden einfach, am gerechtesten wäre eine Staffelung der zwei Euro nach Sterne oder Hotelpreis: Tourist:innen, die mehr für das Hotel zahlen, können mehr, jene, die weniger für das Hotel zahlen, zahlen für die Abgabe weniger. Es ist natürlich ein Aufwand, das zu erheben, aber wäre sozial gerechter.

Das Problem des Overtourism wird nicht gelöst. Wir haben lediglich eine Idee, die realistisch ist und niemandem auf die Füße tritt und die politisch realisierbar ist.

„Die meisten Menschen in Südtirol sind nicht gegen den Tourismus, aber es gibt Übertourismus. Und die Einheimischen sind von Tourist:innen genervt. Mit der kostenlosen Nutzung der Öffis könnte man die Tourismusgesinnung wirklich verbessern“, sagt dein Kollege Moritz Holzinger in einem Interview für die Neue Südtiroler Tageszeitung. Glaubst du, dass das Genervt-Sein gegenüber den Tourist:innen wirklich abklingt, wenn die Öffis kostenlos sind? Weil sie ja im Grunde weiterhin da sein werden, öffentliche Verkehrsmittel werden dadurch weiterhin überfüllt sein …
Das Problem des Overtourism wird nicht gelöst. Wir haben lediglich eine Idee, die realistisch ist und niemandem auf die Füße tritt und die politisch realisierbar ist. Wir glauben aber schon, dass Leute sich denken: Ok, auch wenn ich keinen Platz bekomme, fahre ich immerhin gratis. Ich glaube auch, für Leute, die nicht so oft fahren oder umsteigen möchten, kann das ein Anreiz sein. Da hat man gleich den Gedanken: „Dass ich das ausprobieren kann, ist den Gästen zu verdanken.“ Ich spare Geld, es ist einfach und für alle zugänglich. Das löst natürlich nicht das Problem von den überfüllten Öffis, aber durch das überschüssige Geld könnten zusätzliche Verbindungen geschaffen werden – was zum Teil ja schon getan wird. Aber es braucht noch mehr Öffis.

Braucht es zwingend eine andere Menschengruppe – in diesem Fall die Tourist:innen – um eine Forderung nach kostenlosen Öffis zu realisieren? Reicht es nicht aus, zu sagen: Südtiroler:innen sollen gratis fahren, damit der Anreiz auf Öffis größer ist, damit die CO2-Emissionen in unserer Luft vermindert werden? Wäre die Idee „Make Öffis Free“ nicht noch einfacher, als andere bezahlen zu lassen?
Ja, denke ich schon, wollten wir aber nicht. Weil wir die beiden Problematiken verbinden wollten. Der HGV, die Hoteliers, der Tourismuslandesrat usw. merken, dass gerade etwas kippt und ich glaube, dass in den nächsten Jahren etwas passieren muss. Man merkt, dass diese Themen den Menschen unter den Nägeln brennen. Deswegen haben wir uns für diese Kombination entschieden. Klar könnten wir nur für „nur“ Gratis-Öffis auf die Straße gehen, aber es ist für die Leute wichtig, dass wir schon eine Lösung mitliefern, bei der sie nicht wieder draufzahlen müssen.

Gab es bereits einen Austausch mit politischen Vertreter:innen? 
Nein, wir stehen nicht in Kontakt. Wir wissen aber, dass viele Politiker:innen Bescheid über uns wissen. Wir wollten klein starten, aber das Interesse war riesig: Bei unserer ersten Demo in Brixen rechneten wir mit 20 bis 30 Leuten, gekommen sind am Ende 75. Wir sind gleich schon groß gestartet.

Wie ist eure Community inzwischen gewachsen und mit welcher Beteiligung habt ihr bei euren Demonstrationen bisher gerechnet?
Wir waren jedes Mal sehr gespannt, standen im Kreis und haben alle geschätzt (lacht). Aber wir sind wirklich sehr zufrieden, weil wir erstmal ausprobieren wollten, ob hier in Südtirol die Leute überhaupt auf die Straße kommen. Hier, wo jede:r jede:n kennt, ist es nochmal etwas anderes, auf die Straße zu gehen und das eigene Gesicht für eine bestimmte Sache herzuzeigen. Wir sind schon ziemlich glücklich, weil da jetzt Leute kommen, die wir noch nicht gekannt haben und die vorher noch nie auf einer Demonstration waren. Es ist cool, wenn man Menschen so mitnehmen kann. 

So wie es jetzt ist, ist es unfair.

Nach euren ersten Demos gab es vor Weihnachten noch eine in Brixen mit 120 und eine in Meran mit immerhin 40 Teilnehmenden. Und am 27. Dezember gab es einen Diskussionsabend in der Stadtbibliothek Brixen … Habt ihr für 2025 schon konkrete Pläne?
Nein, eigentlich nicht. Wir haben zwar schon Ideen im Kopf und es gibt verschiedene Möglichkeiten, aber die müssen erst besprochen werden.

Was ist euch als Gruppe sonst noch wichtig?
Es ist uns wichtig zu sagen, dass wir nicht gegen den Tourismus sind. Wir greifen ein Gefühl auf. So wie es jetzt ist, ist es unfair. Es geht um die einzelnen Personen und was sie in diesem Moment bezahlen: Als einheimische:r Südtirol-Pass-Besitzer bezahlt man in der ersten Tarifklasse für die Strecke Brixen–Bozen 4,50 Euro und der Touri 0,60 Euro. Solche unterschiedlichen Ticketpreise finde ich einfach ungerecht. Und ich finde es auch schade, dass es in der Landesregierung an politischem Willen mangelt, Gratis-Öffis umzusetzen. Wir zahlen sechs Millionen Euro jährlich für ein Ticketsystem, das die halbe Zeit nicht mal funktioniert. 

Und der neue Südtirol Pass?
Der kostet 250 Euro, also im Grunde diese 0,60 Euro pro Tag … Den Südtirol Pass jetzt aber als große Neuerung zu verkaufen, ist Unsinn. Die Leute müssen sich wieder überlegen: Fahre ich überhaupt so viel, dass sich die 250 Euro rentieren oder lohnt sich der andere (alte) Südtirol Pass oder der Familypass mehr? Das macht gar nichts einfacher, sondern wieder nur komplizierter – und das, obwohl wir die Möglichkeit hätten, die Mobilität komplett kostenlos zu machen.

Dienste

  • News
  • Wetter
  • Verkehrsbericht

BARFUSS


Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support

© 2023 SuTi GmbH
© 2023 SuTi GmbH . Rennstallweg 8 . 39012 Meran . MwSt: 02797340219
DatenschutzNetiquetteCookiesImpressum