Liebes Tagebuch,

ich weiß gar nicht, was ich zuerst machen soll. Diesen Eintrag schreiben oder an der 2. Auflage unserer Freistaatverfassung riechen. Beides geht ja nicht, das überfordert selbst eine Multitasking-Queen wie mich. Ganz druckfrisch hat der Demanega vorhin wieder einen Stapel Exemplare vorbeigebracht, brav wie ein kleines Hündchen morgens die Post bringt – nur in den Mund legen darf er sie nicht mehr, da sabbert er sie immer so voll. Mmmmh, wie das duftet! Nach Freiheit. Für mich.

Gestern, als ich mir vor dem Schlafengehen noch was Gutes tun wollte (aber niemand der Jungs Bock hatte mir die Füße zu massieren, Frechheit!), da hab ich mir die 88 Artikel selbst laut vorgelesen. Den Anfang kann man sich eigentlich schenken. Artikel 9, Absatz 1 zum Beispiel: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Grundfreiheiten und Menschenrechte habe ich schnell übersprungen. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit: gähn, Kultur und Sport: blabla. Interessant wird’s ab Seite 24: „Der Ministerpräsident repräsentiert den Staat nach außen, empfängt und beglaubigt die Gesandten.“ Ja, das würd mir schon liegen, meinte der Sigmar neulich. Im Traum sei ich ihm erschienen, mit dem Zepter in der Hand. „Ulli“, so seine Worte, „ist ein Glücksfall für die Partei“. Ich hätte es nicht besser sagen können: ICH. BIN. EIN. GLÜCKSFALL. Und im Umgang mit Gesandten sowieso ein Naturtalent. Wird halt nicht jeder als Führerfigur geboren. Dafür kann ich nicht kochen.
Alle, die meine Führungsqualitäten in Frage stellen, mögen doch bitte etwas weiter lesen, Artikel 49, Absatz 4 zum Beispiel: „Der Ministerpräsident kann uneheliche Kinder auf Ansuchen der Eltern zu ehelichen erklären.“ Na, wenn das mal nicht großzügig von mir ist. So etwas nennt man dann wohl Nächstenliebe!