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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 05.08.2015
LeuteEin Besuch auf dem Hanf-Feld

„Hanf macht autonom“

Veröffentlicht
am 05.08.2015
Amalia Wallnöfer aus Prad baut Hanf an. Smoothies, Speiseeis oder ganze Häuser lassen sich aus dem Rohstoff herstellen.
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Amalia Wallnöfer

„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“, sagt Amalia Wallnöfer, während sie neben ihren zwei Meter hohen Hanfpflanzen steht und verschmitzt lacht. Was die Leute sich hinter ihrem Rücken über sie und ihr Projekt erzählen, ist ihr ganz egal. Mit Drogen hat Amalia nämlich reichlich wenig am Hut. Ihr Ziel ist ein ganz anderes. Die Hanfbäuerin aus Lichtenberg bei Prad im Vinschgau ist eine Pionierin. Zusammen mit der Firma EcoPassion aus dem Pustertal hat sie einen neuen, alten Weg in der Südtiroler Landwirtschaft eingeschlagen. Auf ihrem Feld in den sogenannten Mösern im obersten Vinschgau auf knapp 900 Metern Meereshöhe pflanzt sie Hanf an. 

Auf den Mösern bei Lichtenberg wächst Hanf auf 900 Metern Meereshöhe.


Bis zu vier Meter hoch wird Amalias Hanf

„Hanf ist ein geniales Produkt, aus dem man unheimlich viel rausholen kann.“

Christoph Kirchler

Behilflich waren ihr dabei Christoph Kirchler und Werner Schönthaler, die mit ihrer Firma EcoPassion das Ziel verfolgen, den Hanf als Nutzprodukt in Südtirol wieder zu etablieren. In Hanflederhose, Hanfhemd, Hanfjackett und Hanfschuhen steht Christoph Kirchler da und erzählt. Seine Begeisterung für das Produkt Hanf merkt man dabei sofort, aus dem Redefluss kommt der Pusterer gar nicht mehr heraus. Um beim Ursprung anzufangen, erzählt er, was man mit der Kulturpflanze im Alpenraum früher so angestellt hat.

Wie wurde Hanf früher verwendet?

Amalia Wallnöfer, Christoph Kirchler und Werner Schönthaler

Dass Hanf hierzulande schon in der Vergangenheit angebaut wurde, weiß auch Amalia Wallnöfer. „Ich habe zwar noch niemanden von der älteren Generation getroffen, der selbst angebaut hat, aber viele reden von Lein-, Hanf- und Flachsfeldern“, erzählt sie. Die Bäuerin aus Lichtenberg interessierte sich immer schon dafür, Lokalsorten und samenfeste Sorten zu züchten. Ursprünglich kommt Amalia Wallnöfer aus dem sozialen Bereich. In der Schule arbeitete sie mit sogenannten „schwierigen Fällen“ und hatte immer schon das Gefühl, dass sie ihre Arbeit als Bäuerin mit dem Sozialen verbinden müsste. „Wenn ich schon das Glück habe, ein Stückchen Erde zu besitzen, dann möchte ich es nicht alleine bewirtschaften und vor lauter Arbeit nicht mehr geradeaus sehen. Ich möchte teilen und dafür wieder etwas davon haben“, erklärt Wallnöfer ihren Plan. „Das ist die Zukunft.“

Vor einem Jahr dann bekam sie von ihrem Vater die Gelegenheit, seine Felder zu bewirtschaften. Nicht nur den Schritt zur Hanfbäuerin ist sie damals gegangen. Zusammen mit anderen gründete  sie auch die Sozialgenossenschaft Vinterra, die auf Wallnöfers Grund Speisekürbisse anbaut und dadurch sozial benachteiligten Menschen Arbeit bietet. Neben Kürbissen wachsen auf dem Feld auch Roggen und Kartoffeln. Damit kann Wallnöfer eine Mehrfelderwirtschaft betreiben: durch einen Wechsel der Pflanzen werden dem Boden die nötigen Nährstoffe immer wieder zurückgegeben. Der Tiefwurzler Hanf ist dazu bestens geeignet, er bringt nämlich wertvolle Mineralien an die Oberfläche und lockert den Boden.
Ursprünglich hatte die Vinschgerin die Idee, auf biologische Weise Kräuter anzupflanzen. Weil ihre Felder aber von Apfelwiesen umgeben sind, deren Bauern Pestizide einsetzen, war das nicht möglich. Also erklärte sie kurzerhand den Hanf zu ihrem neuen Spezialgebiet. Gegen die Pestizide, die der Wind aus der näheren Umgebung auf Wallnöfers Feld trägt, ist die Hanfpflanze nämlich resistent.

„Ich möchte teilen und dafür wieder etwas davon haben. Das ist die Zukunft.“

Amalia Wallnöfer

Auch Amalia trägt Hanf

Schubkarrenweise müsste man Wallnöfers Hanf rauchen, um überhaupt einen Effekt zu spüren.

Dafür, dass die Bäuerin erst vor einem Jahr mit dem Anbau begonnen hat, sieht der Hanf hier in den Mösern von Lichtenberg schon sehr eingebürgert aus. Bis hoch über ihrem Kopf stehen die grünen Stauden, die sie erst im Mai als Samen in den Boden gedrückt hat. „Mit Hanf kann man auch Smoothies machen“, sagt sie und schiebt sich ein frisches Hanfblatt in den Mund. Grün wie seine Farbe schmeckt der Hanf. Frisch und etwas süß im Nachgeschmack.

Jedes Jahr muss Amalia Wallnöfer neue Samen kaufen, weil sich der THC-Gehalt, also der rauschbewirkende Bestandteil der Hanfpflanze, verändern könnte. Auch der bürokratische Aufwand für einen Hanfbauer ist nicht zu unterschätzen. Den Carabinieri, der Forstwache, der Finanz und der Polizei muss Wallnöfer als Bäuerin Bescheid geben, bevor sie ihre Samen in die Erde drückt. „Vor einem Jahr war es anscheinend öfter der Fall, dass junge Leute mit einer meiner Hanfstauden ertappt wurden und das ist für die Polizei dann ein Problem“, erzählt sie. „Dabei wird Nutzhanf mit Absicht so gezüchtet, dass der THC-Gehalt, der für die Droge verantwortlich ist, bei unter 0,2 Prozent bleibt.“ Schubkarrenweise müsste man Wallnöfers Hanf rauchen, um überhaupt einen Effekt zu spüren.


Amalia begutachtet ihren Hanf

„Die Blüte kann bereits nach zwei Monaten geerntet werden, der Samen als letztes.“

Werner Schönthaler

Stolz begutachtet Amalia Wallnöfer die Blüten ihrer Pflanzen. Vor einem Jahr gab es die erste Ernte, die sich am Ende als schwieriger als gedacht herausstellte. Bei einer maximalen Höhe von fast vier Metern konnte man mit den herkömmlichen Getreidemaschinen nämlich nicht mehr viel anfangen. Also musste Christoph Kirchler mit über zehn Personen eine ganze Woche lang zu Hilfe eilen. Zusammen wurde per Hand mit Sicheln und Messern geerntet.

„Die Blüte kann bereits nach zwei Monaten geerntet werden, der Samen als letztes. Angefangen bei Bier, Speiseeis, Mehl, Öl, ätherischem Öl, Fasern für Kleidung bis hin zu Häusern kann man aus der Staude so gut wie alles machen“, erklärt Werner Schönthaler, der Spezialist fürs Bauen mit einer Hanffaser-Kalk-Mischung.

Aus dem Hanf, der auf Amalia Wallnöfers Feld wächst, wird Öl und Mehl gemacht. Dafür kommen die Samen nach der Ernte nach Österreich in die Presse. Die Rückstände werden schließlich getrocknet und zu Hanfmehl weiterverarbeitet. Wallnöfers Ernte aus dem Vorjahr wird in den nächsten Tagen erst aus Österreich geliefert, so lange hat die Vinschgerin sich gedulden müssen. Schönthaler und Kirchler hingegen produzieren mit dem Hanf von Bauern aus dem Vinschgau, dem Pustertal und dem Trentino die verschiedensten Dinge.

Als Christoph Kirchler erfahren hat, dass Hanf zusammen mit Kalk das ideale Baumaterial ergibt, war er begeistert. „Genial, habe ich mir gedacht. Kalkstein haben wir und Wald zum Anbauen von Hanf auch. Fangen wir doch an, Null-Kilometer-Häuser zu bauen“, erzählt er von seinen ersten Gedanken. 2013 folgte auf die Idee die erste Hanf-Ernte im Pustertal. „Dann haben wir uns mit der Botanik und der Geschichte der Pflanze auseinandergesetzt und erkannt, was man alles aus ihr machen kann“, erzählt er weiter. Die gemeinsame Erkenntnis war: Hanf macht autonom, man muss es nur zulassen.

„Hanf macht autonom, man muss es nur zulassen.“

Christoph Kirchler

Christoph führt die Hanfernte mit einem Schweizer Taschenmesser vor

„Leute wie Amalia braucht es, um die Landwirtschaft zu ihrer Wurzel zurückzuführen.“

Christoph Kirchler

„Hanf ist perfekt. Deshalb musste er verschwinden, denn wir mussten ja globalisieren“, schimpft Kirchler. Seine Stimme wird rau, wenn er vom Profit spricht, den man aus der Natur zu schlagen versucht. Das Thema regt ihn auf. Fragt man den Pusterer danach, was von seinem Ertrag für ihn übrig bleibt, antwortet er flach: „Viel Freude“.

So außergewöhnlich der Hanf in seiner Verwendung ist, so ist er es auch in seiner Erntetechnik. „Man kann ihn eben nicht mit jedem herkömmlichen Korndrescher dreschen. Wir müssen unseren technischen Standard erst auf diese Pflanze anpassen. In ganz Südtirol steht nämlich kein 500-PS-Mähdrescher, der für die Ernte geeignet wäre. Genauso fehlen uns die Maschinen in der Verarbeitung“, erklärt Kirchler.

Eine solche Anpassung brauche Zeit. Hanf als Lebensmittel in die Gastronomie, in Reformhäuser und in den Volksmund zu bringen, eine Kosmetiklinie zu entwickeln und das Produkt bis zum nächsten Jahr auch zu Baustoff und Textilien zu verarbeiten, das sind die Ziele von Kirchler und Schönthaler. Und dazu brauchen sie Leute wie Amalia. „Mit ihrer Unterstützung konnten wir zeigen, dass es geht“, sagt Kirchler. Zum Abschied lässt Amalia Hanfsaft verkosten, den sie in Tongefäße schenkt.

Auf Amalias Feld wachsen zwei Sorten von Hanf:

Finola

Kommt aus Finnland und Kanada und ist eine zweigeschössige Pflanze. Von dieser Sorte erntet man innerhalb von 100 Tagen den Samen.

Felina 32

Kommt aus Frankreich und ist eine Zwitterpflanze. Aus den hohen Sorten macht man Biomasse aus Holz und Schäben für die Industrie.

Foto/Video
Lisa Maria Kager

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