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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 31.05.2017
LebenWas steckt im Südtiroler Brot?

Turbobrot zum Frühstück

Veröffentlicht
am 31.05.2017
Mehl, Wasser, Salz und ein Triebmittel, ab in den Ofen und fertig ist das Brot? Von wegen. Mit ein paar einfachen Zutaten hat unser täglich Brot längst nichts mehr zu tun.
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Würde Hannes Schwienbacher Backmischungen verwenden, könnte er viel Zeit sparen. Dann würde er dem Teig aber Ascorbinsäure, Natriumdiacetat, Diacetylweinsäureester, Calciumcarbonat oder Lecithin unterjubeln.

Diese Stoffe kaschieren schwankende Mehleigenschaften, machen den Teig geschmeidig, lassen ihn schnell und immer gleich gut aufgehen und machen Brot länger haltbar.

Kurzum: Hannes Schwienbacher hätte deutlich weniger Mühe. Aber dann wäre er nicht der Ultner Biobäcker. Vor 17 Jahren hat er Brotbackmischungen aus seiner Bäckerei verbannt, als er zusammen mit Vater Richard den Betrieb auf Bio umstellte. Seitdem endet keine seiner Zutaten mehr auf -at, -in, oder -yl.

Obwohl sie mittlerweile auf insgesamt 1.000 Quadratmeter angewachsen ist, stellt die Bäckerei alle Brote von Hand her. Wie zu Großmutters Zeiten. „Wir wollen einfach wissen, was in unserem Brot drin ist“, sagt der 44-Jährige. Wenn Konsumenten heute denken, dass Südtiroler Brot nur aus Mehl, Wasser, Salz und einem Triebmittel besteht, täuschen sie sich. Auch hierzuande greifen viele der 100 backenden Betriebe auf Backmischungen mit etlichen Zusatzstoffen zurück.


Ultner Brot backt sein Brot ganz ohne Backmischungen – 15 Bäcker arbeiten dafür im Schichtbetrieb.

Und die Industrie trickst munter weiter.

Brotbackmischungen sind im Labor perfektionierte Rezepturen, die es dem Bäcker erleichtern, ein Produkt mit stets derselben Qualität herzustellen.

Neben einem Haltbarmacher wie Ascorbinsäure steht auf der Liste der „Fremdstoffe“, wie sie früher noch hießen, auch Natriumdiacetat. Und damit der Teig leicht zu verarbeiten ist und immer gleich gut aufgeht, mixt der Bäcker von heute nicht nur Emulgatoren wie Diacetylweinsäureester bei, sondern auch andere chemisch hergestellte Eiweißstoffe, wie Calciumcarbonat oder Lecithin.

Enzyme, sogenannte technische Hilfsstoffe sorgen dafür, dass der Teig besser verarbeitet werden kann, nicht an der Maschine klebt und schneller aufgeht. Abgerundet wird das Kunst-Werk durch Teigsäuerungsmittel, sogenannte „Kunstsauer“. Diese Mischung von Feinchemichalien verdrängt die uralte Methode der Natursäuerung. Denn die kostet ja Zeit.

„Bis zu 200 Zusatzstoffe sind im Bereich Brot erlaubt“, weiß Silke Raffeiner von der Verbraucherzentrale Südtirol. Welche genau, sind für die Konsumenten oft nicht transparent. Zwar müssen die Inhaltsstoffe deklariert werden, aber wer schaut beim Bäcker nebenan schon auf die Zutatenliste?

Zudem müssen Enzyme gar nicht erst angegeben werden, die spielen lediglich während der Verarbeitung eine Rolle. Und so trickst die Industrie munter weiter. Nicht mehr nur beim Teig selbst. Auch Farbe, Volumen und Aussehen des Brotes werden aufgehübscht, ohne dass es die Konsumenten dem Brot anmerken würden.


Gleichmäßig geformt, knusprig-luftige Krume und voller Zusatzstoffe. Industrie-Brot sieht appetitlich aus und schmeckt auch nach Tagen noch frisch.

Dank eines Malzextrakts erscheint ein Brot dunkler und gesünder. Semmeln werden durch den Diacetylweinsäureester gepusht. Die luftige Krume erzeugen Emulgator-Backmittel mit den Bezeichnungen E471 oder E472. Diese Fettsäuren erhöhen zudem die Fähigkeit der Stärke, Wasser zu binden, so hält sich das Brot wochenlang. Es bleibt elastisch und schmeckt auch nach Tagen noch frisch.

„Speziell bei Weißbrot-Semmeln ist der Unterschied zu einem Produkt mit Emulgatorbackmittel eindeutig“, sagt Schwienbacher. Als Bio-Bäcker darf er solche Backmischungen nicht verwenden und das möchte er auch nicht mehr. „Ich kenne aber kaum eine Bäckerei in Südtirol, die nicht mit Backmischungen arbeitet oder nicht zumindest ein bis zwei Produkte davon im Sortiment hätte.“ Backmischungen seien ja auch nicht grundsätzlich schlecht. Es seien halt „zwei Wege“, sagt Schwienbacher, „die ein Bäcker gehen kann.“

Richard und Sohn Hannes Schwienbacher – für sie kommen Backmischungen heute nicht mehr in Frage.

Gregor Weissensteiner von der Bäckerei Schrot&Korn bäckt sein Brot wie Schwienbacher noch auf natürliche Weise. Am meisten fasziniert ihn an seinem Beruf, dass er aus nur vier Zutaten ein so vielfältiges Produkt herstellen kann. Der Unterschied zum Ultner Brot: Schrot&Korn verwendet auch mal Vormischungen.

Das sind keine Backmischungen, sondern lediglich verschiedene zusammengemischte Mehle – ohne Zusatzstoffe oder Enzyme. Das ist dem Möltner wichtig. „Es kommt darauf an, was genau drin ist.“

Gregor Weissensteiner von der Bäckerei Schrot&Korn

Weissensteiner ist „Handwerksbäcker mit Leib und Seele“, wie er sagt. Ein Bild, das er gerne auch von der ganzen Südtiroler Zunft hegt: Hierzulande gebe es noch eine „Brotkultur, auf die die Bäcker stolz sind.“ Und tatsächlich: Vinschgau, Pustertal, Ultental – jede Region hat ihre eigenen Rezepte, die teilweise sogar im Ausland sehr beliebt sind, wie Schüttelbrot oder „Vinschger“.

Südtirols Bäcker backen teilweise noch traditionell, die ein oder anderen verwenden aber auch Backmischungen räumt Johann Trenker, Vorsitzender der Südtiroler Bäckerinnung, ein. Wie viele, das wisse er nicht, Zahlen oder Fakten gebe es keine. „Und offen preisgeben wird das auch kaum einer“, so Trenker.

Einige Bäcker greifen auf Backmischungen zurück, weil sie damit eine einheitliche standardisierte Qualität erhalten, ihre Arbeit beschleunigen und vor allem erleichtern können. Ohne Zusatzstoffe braucht der Teig einfach länger um zu gehen. Durch bestimmte Stoffe können Bäcker Brot in zwei statt in 20 Stunden backen.

„Offen preisgeben, Backmischungen zu verwenden, wird kaum einer.”

Johann Trenker, Vorsitzender der Südtiroler Bäckerinnung

Schrot&Korn backt sein Brot noch auf natürliche Weise – greift aber auch mal zu vorgemischten Mehlen zurück.

Die Backmischung Kornspitz wird auch von Südtiroler Bäckern verwendet.

Ein weiterer Grund, warum auf vorgefertigte Brotbackmischungen zurückgegriffen wird: Bäckereien müssen heute einfach eine Vielfalt an Brotsorten anbieten, um zu bestehen. Auch Weissensteiner spürt: „Die Kunden wollen immer mehr und das schnell. 100 Sorten und alle zur selben Zeit frisch in den Regalen.“ Viele Menschen ernähren sich heute kohlehydratarm und Unverträglichkeiten steigen, das hat zur Folge, dass Konsumenten anspruchsvoller und kritischer werden. Zulieferbetriebe steigen darauf ein. Sie erweitern ihr Angebot massiv.

Nahezu für jede Sorte gibt es eine eigene Mischung: „Mein Kornbrot”, „Bibelbrot”, KÖNIG LUDWIG-KRUSTI“, „Abendbrot“, „Dinkelspitz“, „Kornländer“, „Dinkelix“ oder „PUR PUR“. Die wohl bekannteste Marke „Kornspitz” ist eine Fertigmischung der Firma Backaldrin aus Asten in Oberösterreich und die Haupteinnahmequelle des Unternehmens.

Backaldrin ließ sich den Namen „Kornspitz“ markenrechtlich schützen. 2011 entschied das Österreichische Patentamt aber, dass es sich beim Kornspitz um einen Gattungsbegriff handle und der markenrechtliche Schutz in Zukunft nicht mehr möglich sei. Ein Rechtsstreit entbrannte. Anfang September 2015 entschied der Oberste Gerichtshof: Kornspitz ist zu einer allgemeinen Gattungsbezeichnung für Gebäck geworden und gilt markenrechtlich nur mehr für Backmischungen und nicht mehr für Teigwaren von Bäckern.

„Diese Backmischung Kornspitz wird fast weltweit verwendet. Auch von Südtiroler Bäckern“, erklärt Schwienbacher. „Und Bäckereien wollen Brote, die bei den Kunden gut ankommen, nicht einfach aus dem Sortiment nehmen.“ Auch der Ultner Bäcker hatte früher das Produkt Kornspitz in seinem Sortiment.


Im Keller lagert das Korn, in der hauseigenen Mühle gewinnt Hannes Schwienbacher das Mehl für seine Vollkornbrote.

Am Anfang der Betriebsumstellung auf Bio wurde Ultner Brot dafür noch belächelt – auch die eigenen Mitarbeiter waren teilweise skeptisch. Heute stammt das Mehl für die Vollkornbrote aus der eigenen Steinmühle, ein kleiner Teil des Korns von einem Bauern aus dem Tal. Die anderen Mehle kauft die Bäckerei zu – streng kontrolliert aus biologischem Getreide.

„Als Zusatzstoffe, wenn man diese natürliche Rohstoffe so nennen möchte, verwenden wir nur Gersten- und Roggenmalzmehl, getrockneten Weizensauerteig und Weizengluten“, betont Schwienbacher. Zwar bilden sich durch das Fermentieren im Sauerteig auch Enzyme, allerdings rein natürliche.

Ultner Brot beliefert ebenso wie andere Dorfbäckereien auch einige Lebensmittelgeschäfte im Tal. In den Städten wird das immer schwieriger. Dort spüren die Bäckermeister den Konkurrenzdruck der Supermärkte. Ein Bäckersterben wie in Deutschland, wo viele Bäcker gezwungen sind, sich dem Preisdruck anzupassen oder sogar ihr Geschäft aufzugeben, findet hierzulande aber noch nicht statt.

Ein Bäckersterben wie in Deutschland findet hierzulande noch nicht statt.


Ultner Brot beliefert ebenso wie andere Dorfbäckereien auch einige Lebensmittelgeschäfte im Tal. In den Städten wird das immer schwieriger.

Allerdings greifen auch in Südtirol immer mehr Supermärkte auf tiefgefrorene Teiglinge zurück. Die stammen teilweise aus dem Ausland und kosten ein Zehntel des traditionell hergestellten Brotes. Dem Konsumenten wird vorgegaukelt: Hier gibt es frisches Brot. Mit traditionellem Backen haben diese Teiglinge jedoch nicht viel zu tun.

Neben der Tiefkühlware kaufen einige Supermärkte auch häufig ein wenig Brot vom Südtiroler Bäcker zu. „Als Aushängeschild für einheimisches Brot“, sagt Johann Trenker von der Bäckerinnung, der das alles andere als gut findet: „Daran kann der Ruf des Bäckers leiden, der nichts für die Qualität des restlichen Brotes kann.“

Er ist überzeugt: Wenn Handwerksbäckereien überleben wollen, müssen sie wieder traditionelle Wege gehen, denn die Konkurrenz durch die Supermärkte steigt und der allgemeine Brotkonsum geht zurück. Trenker ist sicher: „Es findet eine Wende statt.“ Mittlerweile gebe es wieder mehr Bäckereien, die auf Qualität statt auf Quantität setzen.

„Wenn Handwerksbäckereien überleben wollen, müssen sie wieder traditionelle Wege gehen.”

Johann Trenker
Einkorn – ein Urgetreide

Auch auf Kundenseite sollte die Qualität wieder in den Vordergrund rücken. Silke Raffeiner von der Verbraucherzentrale empfiehlt etwa: „Man sollte einen Bio-Bäcker vom Ort wählen und kein Brot von großen Industriebäckereien kaufen. Bio-Betriebe werden stärker kontrolliert und sind eingeschränkter im Verwenden von Zusatzstoffen.”

Ein weiteres Indiz für gutes Brot sei das Qualitätszeichen Südtirol, weil dabei der Großteil vom Getreide regional angebaut werden muss und das Brot keine Backmischungen oder Zusatzstoffe enthalten darf.

Einige Bäckereien versuchen bereits, zu alten Traditionen zurückzukehren, verwenden wieder Urgetreidearten wie Einkorn, Emmer und Dinkel und kreieren neue Brotspezialitäten, wie Schwienbacher.Er verarbeitet jeden Tag eine Tonne Mehl zu 80 frischen Brotsorten. Ganz ohne -at, -in oder -yl. Endung gut, alles gut.

Fotos
fancycrave1/pixabay; Hannes Schwienbacher;
Conquero/pixabay; Gregor Weissensteiner;
Kamelia/pixabay

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