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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 31.07.2018
LebenSüdtiroler Heumilch

Alles nur Marketing?

Veröffentlicht
am 31.07.2018
Heumilch soll besser sein und den Bauern mehr Geld bringen. Doch nicht alle Bauern sind glücklich damit.
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Diesen Kühen muss es wirklich gut gehen. Denn Heumilch stammt von Kühen, „die sich im Sommer von frischem Gras ernähren und im Winter vor allem von Heu“. Deshalb schmeckt die Heumilch „urgut“, heißt es in der Werbung. Seit Anfang März 2017 steht in Südtirols Regalen neben der konventionellen Frischmilch auch Heumilch. Der Grund: Die Milchwirtschaft befürchtete eine Biomilch-Schwemme aus Deutschland und wollte mit dem neuen Produkt dagegenhalten.

Der Begriff Heumilch ist von der Europäischen Union geschützt und die Produktion in einer eigenen EU-Verordnung zusammengefasst. Der Raufutteranteil, also Heu, Stroh oder Spreu, muss in der Jahresration mindestens 75 Prozent betragen. Was viele Konsumenten nicht wissen: Dieser Raufutteranteil beinhaltet auch Mais- oder Luzernepellets. Und: 25 Prozent Getreideschrot dürfen ins Futter – also das sogenannte Kraftfutter oder Ausgleichsfuttermittel. Verboten sind in der Heumilchfütterung lediglich alle Gärfuttermittel wie Brauerei-Nebenprodukte oder Silage – auch Silofutter oder Gärfutter genannt, ein durch Milchsäuregärung konserviertes Gras.


Mittlerweile liefern rund 1.000 Südtiroler Betriebe Heumilch, circa 120 Betriebe Biomilch und ungefähr 4.000 Betriebe konventionelle Milch, die entweder als Frischmilch ins Regal kommt oder für die Joghurt- oder Frischkäse-Produktion verwendet wird. 2017 wurden von insgesamt 400 Millionen Kilo Milch ganze 50 Millionen Kilo Heumilch angeliefert.

Walter Hackhofer und sein Sohn Christoph vom Thalmannhof in Toblach produzieren Heumilch aus Überzeugung. Und das bereits bevor Heumilch als solche vermarktet wurde. Seit 2018 sind sie ein zertifizierter Biobetrieb. Der Jungbauer hat die Vision, in fünf bis zehn Jahren komplett ohne Kraftfutter auszukommen. „Die Tendenz in den Landwirtschaftsschulen und in der Beratung geht immer noch Richtung Masse, Leistung und hoher Umsatz. Man zielt noch viel zu wenig auf ein nachhaltiges Wirtschaften. Das wird in Zukunft ein Problem werden“, sagt der 20-jährige Toblacher.

Obwohl Familie Hackhofer Heumilch herstellt, kommt ihre Milch zurzeit noch nicht als Heumilch ins Geschäft. Das hat logistische Gründe. Ihr Hof liegt umgeben von Silobauern und die Sammlung der Milch gestaltet sich aufwendig. Heumilch muss als eigenständige Milchsorte getrennt von der konventionellen Milch gesammelt werden, das heißt, mit einer separaten Pumpe in eine separate Kammer des Milchsammelwagens. „Eine logistische Herausforderung“, sagt Annemarie Kaser vom Sennereiverband. Da kann es schon mal vorkommen, dass die Milch gemischt wird. „Aber natürlich wird die Heumilch dann in Produkten aus konventioneller Milch verkauft“, stellt Kaser klar.


Christoph und Walter Hackhofer setzen auf Heumilch.

Ist wirklich Heumilch drin, wo Heumilch draufsteht?

Einige Bauern und kritische Konsumenten vertrauen den Aussagen der Sennereien allerdings nicht. Hinter vorgehaltener Hand wird nicht selten in Frage gestellt, ob denn auch wirklich immer Heumlich drin sei, wo Heumilch draufsteht. Doch der Sennereiverband dementiert solche Gerüchte. „Die Bauern müssen von Stellen kontrolliert werden, die vom Ministerium zugelassen sind“, so Kaser. In Südtirol sind das Abcert und Biko Tirol. Zusätzlich müsse jeder Landwirt entsprechende Aufzeichnungen führen, also welche Menge an Kraftfutter er genau füttert zum Beispiel.

Bauern, die noch nach konventionellen Kriterien Milch herstellen, bekommen pro Kilogramm Milch im Schnitt 50 Cent – je nach Inhaltsstoffen und Qualität, die regelmäßig in Stichproben getestet werden. Dass Familie Hackhofer für ihre Heumilch jetzt vier Cent mehr pro Liter von ihrer Sennerei Drei Zinnen bekommt, ist ein willkommenes Geschenk. Aber nicht nur der Preis der Heumilch fällt positiv auf, auch bei den Kühen gibt es laut Christoph Hackhofer eine Veränderung: „Die Tierarztspesen haben sich deutlich verringert.“ Auch der Stallgeruch sei milder geworden, der Mist fester und deutlich weniger.

Alles gut also?


Die Kühe von Familie Hackhofer sind bis zu 230 Tage im Jahr auf der Weide und täglich im Freien.

Für Bauern wie Hackhofer, die ausschließlich Wiesen auf der Sonnenseite bewirtschaften, allemal. Doch was ist mit Bauern, die nicht ohne Silofutter auskommen? Beispielsweise weil ihre Wiesen vorwiegend auf der Nörderseite liegen, wo das Gras der zweiten Maht nicht mehr ausreichend abtrocknet?

In diesem Fall müssen Bauern Heu zukaufen, das kommt meist aus Deutschland oder der Poebene, weil es hierzulande zu wenig gibt. Oder sie investieren in eine professionelle Heu-Belüftungsanlage, die das Gras abtrocknet. Die reine Zimmermannsarbeit kostet dabei jedoch zwischen 20.000 und 25.000 Euro, dazu kommt noch ein Lüfter. Hochwertige Anlagen kosten so bis zu 70.000 Euro. Von den zuschussfähigen Kosten von Heugebläsen und Heutrocknungsanlagen werden bei Ansuchen 30 Prozent vom Land übernommen.

Auch Familie Hackhofer hat auf ihrem Hof so eine Belüftungsanlage mit Heizung, welche die Luft um drei bis vier Grad erwärmt, um dem Heu mehr Feuchtigkeit zu entziehen. Die Heumilchbauern können mit einer solchen Anlage die höchstmögliche Qualität aus ihrem Heu herausholen.

„Viele Bauern investieren dieses Geld lieber in einen neuen Traktor. Ich investiere in eine Heubelüftung und kaufe Gebrauchtmaschinen. Ich habe nichts gegen Silobauern, aber es muss einfach eine andere Denkweise her“, findet Christoph Hackhofer. In seinen Augen zahlt sich die Umstellung auf jeden Fall aus und er möchte anderen Bauern Mut machen, die Chance zu nutzen. Trotzdem weiß auch er um die finanziellen Schwierigkeiten: „Wer gerade erst in eine Silopresse investiert hat, für den ist die Umstellung sicher nicht einfach.“

So wie für Tobias und seinen Vater Richard Karnutsch.

„Ich habe nichts gegen Silobauern, aber es muss einfach eine andere Denkweise her.“

Christoph Hackhofer

Tobias und sein Vater Richard Karnutsch finden: Intensive Milchkuhfütterung ist nur mit Silo möglich.

„In den Augen der Konsumenten sind Silobauern die schwarzen Schafe. Die fragen sich doch jetzt, was sie vorher für einen Dreck getrunken haben?“

Tobias Karnutsch

Familie Karnutsch bewirtschaftet ihren Simeon-Hof in St. Walburg im Ultental auf konventionelle Weise. Heumilch kommt für sie nicht in Frage. Einerseits, weil ein Teil ihrer Wiesen auf der Nörderseite liegt, andererseits sagt der Jungbauer ganz klar: „Intensive Milchkuhfütterung ist meiner Meinung nach nur mit Silo möglich. Um eine 9.000-Liter-Kuh richtig füttern zu können, müsste ich, wenn ich Heumilch produziere, Klee oder anderes Trockenfuttermittel zukaufen. Silo kann ich auf meinen Wiesen selbst produzieren. Was ist da wohl besser?“ Außerdem sei eine Belüftungsanlage für ihren Hof nicht geeignet, da die zweite Maht auf der Nörderseite am Waldrand trotzdem oft grün bleiben würde und entsorgt werden müsste.

Als Nischenprodukt findet Tobias Karnutsch die Heumilch ideal. Bauern, die auch bisher kein Silo gefüttert haben, müssen nichts ändern und bekommen nun mehr Geld. „Aber es ist nicht richtig, dass die Silobauern in den Augen der Konsumenten die schwarzen Schafe sind. Die fragen sich doch jetzt, was sie vorher für einen Dreck getrunken haben?“


Es gibt noch keinen Test, mit dem man konventionelle Milch von Heumilch unterscheiden kann. Deswegen dürfen Heumilchbauern weder Feuchtheu, Gärheu oder Silage füttern, noch am Hof lagern oder verkaufen – ebenso wie andere Rundballen in Folie.

Bei vielen Konsumenten entsteht durch die gezielte Vermarktung der Heumilch der Eindruck, sie sei besser als konventionell hergestellte Milch. In einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie fand man heraus, dass die Milch von Kühen, die mit Gras und Heu gefüttert wurden, deutlich mehr wichtige Omega-3-Fettsäuren enthält, als die Milch von Kühen, die konventionell – also mit Silage und Kraftfutter – ernährt wurden.

Aber ist auch der Geschmack der Milch anders?

Toblacher Bauern wollten genau das wissen und organisierten intern eine Blindverkostung, bei der sowohl Silobauern als auch Heumilchbauern ihre Milch zum Verkosten vorbeibringen konnten. Das Ergebnis: Keiner der Probanden konnte die Silomilch von der Heumilch unterscheiden. Annemarie Kaser vom Sennereiverband sagt: „Hinter der Heumilch steckt einfach eine andere Philosophie. Die konventionelle Milch ist auch gentechnikfrei, hat also keine schlechtere Qualität.“

Trotzdem leidet die Silage zunehmend unter einem schlechten Ruf. Dabei sei es bei einer Heufütterung aufwändiger, eine gute Futterration für eine Hochleistungskuh zusammenzustellen, um der Kuh gerecht zu werden, weiß Tierärztin und Fütterungsberaterin Melanie Reger. „Von den Inhaltsstoffen kommt die Silage dem Gras sogar näher als Heu.“

„Von den Inhaltsstoffen kommt die Silage dem Gras näher als Heu.“

Melanie Reger, Tierärztin und Fütterungsberaterin

Beim Silieren wird Gras in Plastikfolie eingewickelt.

Im Idealfall wird beim Silieren einfach Gras in Folie eingewickelt, ohne Zusätze. Doch bei der Produktion kann eben einiges schiefgehen. Ist das Futter verschmutzt, zum Beispiel durch Erde oder eine tote Maus, kann es zu Fehlgärungen kommen. Bakterien vermehren sich und führen zu Verdauungsproblemen oder im schlimmsten Fall zum Tod der Kuh. Aber es kann auch Heu verunreinigt sein oder schimmeln“, erklärt Reger. Als Futtermittelberaterin rät sie nicht zur einen oder zur anderen Fütterung, das Futter müsse lediglich gesund, ausgeglichen, leistungsgerecht und Wiederkäuer-gerecht sein.

Familie Karnutsch befürchtet, dass konventionelle Bauern durch die Vermarktung von Heumilch mit der Zeit aus dem Markt gedrängt werden. Laut Sennereiverband gibt es bereits Pläne, neben Heumilch-Mozzarella bald auch Joghurt oder andere Produkte aus Heumilch herzustellen.

Unabhängig davon, welche Art von Milch der jeweilige Bauer stellt – ob Heumilch oder konventionelle Milch – in einem Punkt sind sich alle einig: Der Preis muss sich langfristig ändern, sonst sieht die Zukunft der Bauern nicht rosig aus. Wenn Südtiroler Landwirte nicht nur auf Masse gehen sollen, dann müssen die Milchhöfe und die Konsumenten bereit sein, mehr für einen Liter Milch zu zahlen. Nur so können die Bauern überleben und ihre Tiere auch artgerecht halten.

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