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Mit großen blauen Glubschaugen und weißer Bäckermütze lacht das Comic-Gesicht von der Glasfront der kleinen Konditorei in der Goethestraße in Meran. „Torten by Judy“ steht daneben in geschwungener Schrift, „Konditorei – Pasticceria“ ist groß darüber geschrieben auf poppigem, dunkelrosa Hintergrund mit hellrosa Herzen. Die Außengestaltung lässt erahnen, dass hinter dem Geschäft eine junge Betreiberin stehen muss. Und dann kommt sie auch schon aus dem Laden. Auf dem Kopf die Bäckermütze und mit einem breiten Grinsen und freundlichem „Hallo“: Judith Staffler aus Rentsch in Bozen. Sie hat mit ihren erst 22 Jahren vor drei Monaten das kleine Geschäft hier eröffnet und den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.
Karottenkuchen, Mohnkuchen und Buchweizentorte stehen in der Theke neben Zwetschgendatschi, Kastanienherzen, Käsesahne und veganem Apfel-Streusel-Kuchen. Judith mag sie alle gerne und zaubert sie von Hand in der 100 Quadratmeter großen Backstube im hinteren Bereich des Geschäfts. Ihre Kuchen seien gesünder als herkömmliche, sagt die Jungunternehmerin. Sie verwendet wenig Sahne und anstatt Zucker häufig Honig. Die Früchte kommen vom Bauern, der Kaffee vom Schlern. Auch Geschmacksverstärker haben in Judiths Kreationen nichts verloren, beteuert sie. „Ich backe so, wie es meine Oma auch machen würde“, so die junge Konditorin. Die Rezepte hat sie dabei aus verschiedenen Kochbücher, von ihrer Mutter oder aus dem Internet.
Die Theke ist übersichtlich. Neben Kuchen entstehen auch Croissants, Kekse, Vollkornbrote und „Vinschger Paarlen“ durch die Hand von Judith. Mit hausgemachten Marmeladen, einheimischem Honig und weiteren Produkten erweitert sie ihr Sortiment. Weitere Brötchen bestellt sie von einem Bäcker. „Ich habe viel zu tun, mehr schaffe ich nicht, selber zu machen“, sagt sie. An ihrer Arbeit liebt sie, dass sie anderen mit ihren Kuchen eine Freude machen kann und es ihren Kunden schmeckt. Dabei ist es Judith egal, was sie gerade backt: ob Geburtstagskuchen und Hochzeitstorten auf Bestellung, Kuchen für ihr Geschäft oder Süßes für Cafés in Meran. Außer Kekse, diese mache sie nicht so gerne, weil es eine große „Fitzelarbeit“ sei und sie dafür im Moment nicht so viel Zeit finde, verrät die Konditorin.
Nach der Grundstufe der Landesberufsschule für das Gastgewerbe Savoy, besuchte Judith zwei Jahre die Fachschule für Konditorei und Bäckerei Emma Hellensteiner in Brixen, arbeitete einen Sommer lang auf der Alm und drei Jahre in einem Café in Bozen. Vor ihrer Selbstständigkeit und der Eröffnung der Backstube am 12. April diesen Jahres arbeitete sie als Konditorin in einem Hotel. Anfangs wollte sie mit ihrer Konditorei ausschließlich auf Bestellung arbeiten, damit sie nicht so viele Lebensmittel wegwerfen müsse, sagt sie. Da von den Hotels aber alle abgesprungen seien, versuchte sie es mit dem kleinen Geschäft.
„Ich hatte Angst vor dem Risiko.”
„Die Geschäftseröffnung war eine Katastrophe für mich“, sagt Judith leise. Grund war die einmonatige Straßensperre. Keine einzige Bestellung trudelte in diesem Monat ein und keine Laufkundschaft verirrte sich in den neuen Laden. Judith dachte sich: „Was habe ich da bloß gemacht?“ Mittlerweile läuft es aber besser. Von Tag zu Tag hat die junge Frau mehr zu tun – die Aufträge steigen. Auch heute noch hat sie ein bisschen Angst, aber es gehe aufwärts und das mache der gebürtigen Boznerin Mut. Ihre Torten kommen gut an und wenn mal etwas übrig bleibt, bekommen es die Oma oder Bekannte. Die Kunden empfehlen Judith weiter und sie kann weiter hoffen, dass sie mit dem Sprung in die Selbstständigkeit keinen Fehler gemacht hat. „Ich hatte Angst vor dem Risiko, auch weil ich keine Erfahrung hatte und nicht wusste, wie viel ich investieren muss“, gibt sie zu. Dennoch ging sie immer davon aus, dass alles klappen würde.
In ihrem Bekanntenkreis sehen das einige anders. Zwar fänden die meisten ihren Schritt toll, viele würden es ihr aber nicht zutrauen, sagt die Konditorin. Sie sei froh über jede Kritik, aber die Zweifel anderer würden sie doch ein bisschen runterziehen. Auch, dass im Laden manchmal nach dem Chef oder der Chefin gefragt wird, nagt an der 22-Jährigen. „Wenn ich sage, dass ich das bin, wird es für einen Scherz gehalten“, sagt sie. Dabei steht ihr Laden für Jugendlichkeit – die Gestaltung mit den rosa Herzen zieht sich durch das gesamte Geschäft.
Judith wollte schon immer ihre eigene Konditorei, sie habe sich aber nie darüber hinausgesehen und wollte nichts riskieren. Dann entdeckte ihr „Schwiegerpapi“ die freie Konditorei in der Goethestraße und machte ihr Mut, es zu versuchen. „Es waren einige schlaflose Nächte am Anfang“, sagt Judith. Die habe sie immer noch, gesteht sie. Aber es werden weniger und mit jedem verkauften Stück Kuchen kommt sie ihrem großen Traum näher. „Mein Wunsch wäre irgendwann noch ein kleines Geschäft mitten in der Stadt“, verrät mir die ambitionierte, junge Frau noch, bevor wir uns verabschieden.
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