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Anton Rainer
Veröffentlicht
am 27.05.2014
LebenEsoterik-Schnuppertag

Supermarkt der „Heilsbringer”

Veröffentlicht
am 27.05.2014
Bei der „Energetika“-Messe in Vahrn sind Skeptiker unerwünscht. Auf mehreren Stöcken kämpfen Esoteriker aus aller Welt gegen die „böse Strahlung".
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„Sie da, Ihr Akku ist alle, Sie brauchen einen Kraftstein“, schallt es mir entgegen, als ich das Haus Voitsberg an einem warmen Freitagnachmittag betrete. „Und Sie, Sie sind künstlerisch begabt, Sie müssen auf die Bühne. Sie brauchen einen Stein für Harmonie, und einen für Lebensfreude“. Harald W. ist eigentlich professioneller Handleser, so steht es zumindest auf einem kleinen, beigen Flyer, der an dem bunt glitzernden Stand liegt. Linke und rechte Hand werden bei ihm übrigens getrennt berechnet. Heute aber merkt man ihm seinen Brotjob nicht an. „Sie können schlecht Nein sagen“, raunt er einer nickenden Mutter mittleren Alters zu, „Sie brauchen Klarheit, am besten mit diesem Stein“. Harald ist nur einer der dutzenden Aussteller bei der diesjährigen „Energetika“-Messe für alternative Heilung, die vom 16. bis 18. Mai in Vahrn stattfindet, und doch nimmt er den Raum vollständig für sich ein – zum Leidwesen der im selben Stock stehenden Aussteller, die bei der Verkaufsenergie des Marktschreiers mit den Glasperlen nicht mithalten können. Erste Lektion beim Verkauf von esoterischem Gerümpel: Lautstärke und Geschwindigkeit sind Pflicht. Wer schnell schreit, vermeidet, von „Das stimmt aber nicht“-Einwürfen übertönt zu werden. Als Harald gerade die Aura seiner Kundinnen in den bunten Farben einer iPad-App darstellt, drehe ich mich langsam weg.

„In ihrem Umfeld ist jemand erkrankt“, flüstert eine besonders aufmerksame Heilerin einer ihrer Kundinnen zu. „Das stimmt, die, ähm, die Mutter meines Chefs!“, erwidert diese ganz erstaunt.

„Ja, Sie lachen“, höre ich vom benachbarten Stand und ich fühle mich ertappt. „Nein, ich bin durchaus interessiert an … allem hier“, lüge ich nicht besonders überzeugend. Wie gut, dass Leichtgläubigkeit hier zum Jobprofil gehört. Der Reiki-Meister Uwe S. lächelt und wird erneut zum Verkäufer: „Was Sie hier sehen, wird Ihnen dabei helfen, Ihren Körper zu harmonisieren“, sagt er und profitiert davon, dass ich mich wegen des penetranten Geruchs von Rauchstäbchen gerade nicht bewegen möchte.
Die zweite Lektion in Sachen Esoterik: Such dir ein Fachgebiet mit möglichst vielen wissenschaftlich klingenden Begriffen aus. Für Uwe und geschätzte zwei Drittel aller in Vahrn ausstellenden Heiler ist das die unsichtbare Gefahr der Strahlung. „Bluetooth schwingt mit minus 25 Hertz, diese Musik hier mit plus 25 Hertz. Das heißt, wenn ich beide auf den Körper einwirken lasse …“, Uwe wartet darauf, dass ich den Satz für ihn beende, „…löschen sie sich gegenseitig aus“, sage ich brav und koste von dem „energetisierten“ Wasser, mit dem mein Gegenüber die Milchproduktion seiner Kühe um bis zu 30 Prozent steigert. Hauptberuflich ist Uwe nämlich Bauer, auch wenn die Ausbildung zum Reiki-Meister durch einen anderen Reiki-Meister einige Zeit in Anspruch genommen hat. Es ist dies derselbe Meister, der nun im Tonstudio Musik aus dem Universum empfängt und diese für seine treuen Jünger, Uwe ist einer von ihnen, auf teure CDs presst. Dritte, traurige, Lektion: Hier beutet niemand aus, der nicht selbst schon ausgebeutet wurde.

Da ich kein Interesse habe, an dieser endlosen Verlustpyramide teilzunehmen, suche ich im zweiten Stock mein Glück, finde aber, Überraschung, noch mehr Strahlung, noch mehr „Wissenschaft“, noch mehr penetranten Räucherstäbchengeruch, nun auch akustisch mit indischen Klängen am Keyboard untermalt. Die Fülle an Ausstellern macht mich stutzig: Wenn sich hier alle einig sind, dass Strahlung für unser aller Unbehagen verantwortlich ist, warum hat dann jeder einzelne eine komplett verschiedene Strategie, um damit umzugehen? Wässerchen, Metallplatten, Geistheilung, alles steht gleichwertig nebeneinander zu stehen, als hätte jemand eine Kirche neben eine Moschee neben eine Synagoge gebaut. Ein Supermarkt ohne Kennzeichnung der Inhaltsstoffe.

Das Klicken meines Fotoapparats zieht wütende Blicke an. Ich und meine gesunde Skepsis sind hier ganz offensichtlich nicht willkommen. Ich werde beobachtet.

Mit einem schnellen „Du musst dir das wie mit der Homöopathie vorstellen“, versucht ein Rittner meine Sorgen zu zerstreuen, schafft es aber kaum. Er ist Verkaufspartner einer Firma, die die Folgen des Elektrosmogs (da ist sie wieder, die böse Strahlung) mildern will. Das schafft sie mit metallenen Ionisiergeräten für den Hausgebrauch. „Negative Information“ macht krank, lautet das Credo der seriös daherkommenden Firma, wodurch sie für ihre Produkte deutlich mehr verlangen kann. Vierte Lektion: Der Preis wird erst am Schluss verraten. Davor erklärt mir der Rittner mit der Intensität eines Verschwörungstheoretikers, wie schlecht er sich gefühlt hat, bevor er seinen Lebensraum mit den metallernen Platten vollgepflastert hat. Ein Sticker fürs Handy um 100 Euro, eine kleine Platte fürs Auto um 300 Euro, ein elektronisch betriebener (!) Stecker fürs Haus um 800 Euro, solange man unter 100 Quadratmetern bleibt, sonst wirds teurer, ach ja und dann hat man noch gar nicht an die Wasserleitung gedacht, die braucht ein eigenes Gehäuse, damit …

Ich flüchte, weil mir der Kopf schwirrt. Ein letzter Blick auf meine Kamera, die den Betrieb vor lauter Räucherstäbchen eingestellt hat und nichts wie raus hier. Auf dem Weg nach draußen komme ich am Handleser mit den Glitzersteinen vorbei. Er zeigt auf mich: „Sie da, Ihr Akku ist alle“. Ich nicke. Es ist das erste Vernünftige, das ich an diesem Nachmittag gehört habe.

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