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Fast das ganze Jahr über ist es ruhig in St. Leonhard in Passeier. Aber nicht heute. Es ist sieben Uhr abends, als David Hasselhoff aus den Lautsprecherboxen kräht: „Limbo cool limbo fine everybody gets a chance, clap your hands it’s party time do the limbo dance …“ Das Stichwort für alle Limbo-Tänzerinnen und Tänzer und der erste Höhepunkt des Abends.
Im Passeiertal, wo Tradition groß geschrieben wird und Musikanten und Schützen sich an Feiertagen in ihre Tracht werfen, ist heute „Hofers Rock“. Das Festival findet bereits zum sechsten, der Limbo-Contest zum dritten Mal statt – auf der Wiese gegenüber vom Sandwirt. Der Hof ist das Geburtshaus des bärtigen Widerstandskämpfers Andreas Hofer, dem Namensgeber des Open Airs.
Nach dem Auftritt von Junk Love mit ihrer bizarren Bühnenshow geht es los. Es gilt, unter der waagrechten Stange durchzutanzen. Die Teilnehmer stellen sich dafür in einer Reihe auf. Begonnen wird bei 1,40 Metern, dann wandert die Stange in Zentimeterschritten immer weiter nach unten. Wer die Stange von der Halterung stößt oder umfällt, scheidet aus. Zwei Teilnehmerinnen tanzen mit einer Eleganz, mit der sie den Männern die Show stehlen. Eine von ihnen ist die 21-jährige Verena Mairhofer aus Proveis. 82 Zentimeter schafft sie und gewinnt den Contest damit.
Im vergangenen Jahr ist sie zweite geworden. „Trainiert habe ich für heute zwar nicht, ich wollte es in diesem Jahr aber unbedingt wieder probieren“, sagt sie außer Atem. Das Hofers Rock ist für sie bereits zum Pflichttermin geworden – vor allem, weil es „chillig und familiär“ ist.
Genau so, wie sich die Organisatoren das Festival wünschen. Veranstalter ist die „Gesellschaft für angewandte Rockmusik Passeier“. Einer ihrer Mitglieder ist Simon Gamper, freischaffender Komponist und Musiker aus St. Leonhard im Passeier. Während Shanti Powa die Besucher zum Tanzen bringen, findet er kurz Zeit, über das Festival zu sprechen.
Schon mit der ersten Ausgabe des Festivals im Jahr 2011 stand für die Veranstalter fest: Riesengroß wolle man nicht werden, sondern viel eher familiär bleiben – eine große Hofers Rock Familie eben. „Damals war hier in der Umgebung im Bereich Rock nicht viel los“, erinnert sich Gamper. Gemeinsam mit einigen Musikern und Jugendarbeitern kam ihm die Idee für das Festival. Kein Mammutprojekt sollte es sein, sondern ein Event, bei dem die Musik und die Regionalität im Vordergrund stehen.
Auch heute noch wird jede Band eigens anmoderiert. Und anstatt Schnitzel mit Pommes gibt es regionales Essen in den urigen Holzhütten: Knödel mit Gulasch oder Krautsalat und natürlich Käse, Speck und Schüttelbrot.
Jedes Jahr eröffnet das Festivals traditionell mit einer kostenlosen Marende. „Unser Konzept hat sich bewährt. Das Festival hat Charakter bekommen“, sagt Gamper stolz. Anders als in den Anfangsjahren sind die Organisatoren heute nur noch zu viert. Das sei zwar anstrengend, aber mittlerweile habe jeder seine Aufgaben. Rückhalt bekomme man von der Gemeinde. „Man hört oft, dass andere Veranstalter hier in Südtirol Schwierigkeiten haben, was Lizenzen und Förderungen betrifft. Gerade in diesem Punkt haben wir mit der Passeirer Gemeinde einen starken Partner”, sagt Gamper. Bei den unmittelbaren Vorbereitungen und dem Festival selbst packen dann zwischen 70 und 80 freiwillige Helfer aus den umliegenden Gemeinden mit an.
„Kein Eintritt, geiles Essen und flotte Location“
Die 20-jährige Judith Egger aus St. Leonhard hilft seit fünf Jahren mit. Sie arbeitet in der Küche, am Verkaufsstand und als Mädchen für alles. Egger bringt gute Laune ins Team und hat ihren Humor auch nach 290 gedrehten Knödeln und zwischen 30 Kilogramm Gulasch nicht verloren. „Es ist einfach super, dass es nur typische Gerichte gibt. Vor allem den Kuchen darf man nicht vergessen,“ sagt sie und lacht. Und damit hat sie wohl recht – auf welchem Festival serviert man schon Kuchen? Vielleicht ist es diese Mischung aus Festival und Volksfeststimmung, die das Hofers Rock Festival so authentisch macht und Besucher aus allen Teilen Südtirols ins Passeiertal lockt.
Die 20-jährige Vanessa ist dieses Jahr zum ersten Mal dabei. „Kein Eintritt, geiles Essen und flotte Location. Zwar am Arsch der Welt, aber das sollte ich als Ultnerin wohl nicht sagen“, beschreibt sie Hofers Rock und lacht. Es sei ein cooles, persönliches Festival. Und mit der Meinung ist sie nicht allein.
Die Stimmung ist gut, auch als es am Abend ziemlich windig wird und zu regnen beginnt. Tobias „Tobe“ Planer, für die Grünen im Bozner Gemeinderat, sitzt trotzdem bis spätnachts hinter dem Verkaufsstand mit Shirts, CDs und Buttons. Wie schon seit einigen Jahren schneidet er Motive aus Papier aus und verarbeitet sie zu Buttons: Der typische Ausspruch „Hou“ der Passeirer ist eines der Motive.
Das schlechte Wetter interessiert kaum jemanden, das Festivalgelände ist gut gefüllt. Ebenso die Plätze vor der Leinwand, die das Fußballspiel Deutschland gegen Italien zeigt. Während ein Teil der Besucher auf die Leinwand starrt und jeden, der den Beamer streift, mit wütenden Blicken straft, beginnt für mich ein weiteres Highlight.
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Die Band Toxici versetzt mich gleich zehn Jahre zurück, als ich noch großer „System of a Down“-Fan war. Mit ihrem grandiosen Auftritt holt sie sogar einige Leute vom Platz vor der Leinwand auf die Tanzfläche, die jetzt gerammelt voll ist. Die Menge tanzt und singt. Selbst nach dem verschossenen Elfmeter der Italiener ist man am Feiern. Mit ihren ironischen Texten und Coversongs bringen später 4Twenty, der Hauptact aus Brixen, das Publikum zum Beben. Spätnachts geht ein gelungenes Hofers Rock Festival zu Ende – hier, genau gegenüber vom Geburtshaus des Widerstandskämpfers.
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