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Ein Saal in einer Kleinstadt in Nordalbanien. Die Klimaanlage läuft auf Hochtouren, aus den Lautsprechern dröhnt orientalisch angehauchte Musik in ohrenbetäubender Lautstärke. In der Mitte des Saals bilden Gäste händchenhaltend einen Kreis und tanzen Valle, einen Tanz, der zu einer albanischen Hochzeit dazugehört. Während die Gäste schon über dem dritten, randvoll mit Fleisch gefüllten Teller stöhnen, sitzen auf einem Podest mit üppigem Blumenschmuck Robert und Pranvera.
Mit dem Brautpaar feiern insgesamt 250 Freunde und Verwandte, für eine albanische Hochzeit keine außergewöhnliche Zahl. Zum Essen ist das Brautpaar zwischen all den Glückwünschen bisher noch nicht wirklich gekommen. Der Magen knurrt dementsprechend, als es für sie wieder auf die Tanzfläche geht, in die Mitte des tanzenden Kreises. „Es ist mal was anderes“, sagt die 62-jährige Mutter von Robert und schaut staunend in die Runde. Kurz nach 17 Uhr, das Dessert ist aufgegessen, die anderen fünf Gänge noch nicht ganz, ist der Zauber vorbei und die Gäste sind auf dem Weg nach Hause oder zur nächsten Hochzeit.
Knapp einen Monat ist es her, dass sich der Lajener Robert Lang und die gebürtige Albanerin Pranvera Vlashaj in deren Heimatstadt Lezhë das Ja-Wort gegeben haben. Jetzt sitzen die beiden im Wohnzimmer ihrer Wiener Wohnung und plaudern über ihre Beziehung. An den Wänden hängen Fotos von der jungen Familie, über den Boden verteilt liegt Kinderspielzeug. Auch wenn Robert die quirlige 27-Jährige mehr als einmal auf einen Kaffee hat einladen müssen, um in ihre Gunst zu kommen, ging es danach umso schneller: „2010 kennengelernt, 2011 zusammengekommen, 2012 standesamtlich geheiratet“, rechnet Robert vor. „2013 ein Kind bekommen und 2014 in Albanien kirchlich geheiratet“, ergänzt Pranvera. Kennengelernt haben sich die beiden vor vier Jahren in ihrer Studienstadt Wien. „Mi sembra che stiamo insieme da una vita“, sagt Pranvera heute.
So schön eine Berührung, ein Gefühl oder ein tiefer Blick in die Augen auch sein können, ganz ohne den verbalen Austausch geht es dann doch nicht. Bevor Pranvera nach Wien gekommen ist, hat sie in Rom studiert. Am Anfang hat sich das Paar deshalb auf Italienisch unterhalten. Profitiert haben davon auch die Sprachkenntnisse von Robert, die Zweisprachigkeitsprüfung hat er daraufhin locker geschafft. „Irgendwann haben wir ins Deutsche gewechselt. Heute fällt Pranvera nur noch ins Italienische, wenn sie böse ist“, merkt Robert neckisch an. Umgekehrt profitieren jetzt die Deutschkenntnisse von Pranvera. Für den einjährigen Sohn sollen die drei Sprachen hingegen von Anfang an dazugehören. Mama spricht mit ihm albanisch, Papa deutsch und im Kindergarten soll dann italienisch dazukommen. „Ich hätte gern, dass er albanisch auch schriftlich lernt“, sagt Robert. „Nicht, dass es ihm so wie seinen Papa geht, der erst mit 25 richtig italienisch gelernt hat”, fügt Pranvera schelmisch hinzu.
Mit Vorurteilen oder Zurückweisung aus der Familie und dem Bekanntenkreis waren die beiden bisher noch nicht konfrontiert. Im Gegenteil: Beide wurden von Familie und Freunden ihres Partners herzlich aufgenommen und fühlen sich willkommen. „Pranvera ist sehr kommunikativ, deshalb hat es von Anfang an gepasst”, erklärt Robert. Dass die Herkunft des Partners hin und wieder doch eine Rolle spielt, leugnen aber auch Robert und Pranvera nicht. „Sie hat mich geheiratet, aber ich habe ihre ganze Familie geheiratet“, scherzt der Lajener. Wenn sich von der Schwester bis zum Cousin alle um die Probleme aller kümmern und jeder mitreden möchte, was denn nun die beste Entscheidung wäre, ist das selbst für einen Dorfbuben aus Südtirol gewöhnungsbedürftig. Das südländische Temperament seiner Frau bekommt er auch bei Zankereien zu spüren. „Sie kann wirklich eine Stunde lang streiten und sich dabei unzählige Male wiederholen“, sagt Robert und wird von seiner Frau gleich bestätigt: „Ihr seid ruhiger, vielleicht auch rationaler. Wenn wir streiten, kommt am Ende nichts heraus, es gibt kein Resultat.”
Mittlerweile haben die beiden einen Mittelweg gefunden, haben sich bis zu einem gewissen Punkt aneinander angepasst und gelernt, mit den Gewohnheiten des anderen umzugehen. So sind Pranvera besonders die Spinatkasknödel von Tante Johanna ans Herz gewachsen und den Südtiroler Dialekt versteht sie nicht nur gut, sondern spricht ihn auch, wie sie selbst sagt, „a bissele“. Robert wiederum weiß die herzliche Art der Familie seiner Frau zu schätzen: „Man wird gleich von allen abgeschmust, von Männern wie Frauen. Das ist schön.“
Ob die fremde Kultur jemals Teil der eigenen wird? „Man ändert sich auf jeden Fall. Wir waren jetzt fast einen Monat lang in Albanien und es fängt schon an, ein Teil von mir zu werden. Mein Zuhause wird aber immer Südtirol bleiben“, erklärt Robert. „Es sind zwei verschiedene Kulturen und die sollen auch so bleiben, das ist schön“, resümiert Pranvera.
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