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Rainer Feichter
Veröffentlicht
am 02.01.2014
LebenUnsere Vereine

Gegen den Strom

Veröffentlicht
am 02.01.2014
Kommerzialisiert und gleichgeschaltet: So sieht der Verein VERSO den Kulturbetrieb im Pustertal. Mit viel Engagement soll diese Misere gestoppt werden.
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Markus Schwärzer nimmt kein Blatt vor den Mund. „Die Kultur im Pustertal ist auf dem Holzweg. Die Akteure setzen vorwiegend auf große Namen und große Events. Kreativität schaut definitiv anders aus.“ Der 33-jährige Erzieher aus Bruneck analysiert schonungslos jenen Missstand, der 2007 zur Gründung des Vereins VERSO führte und in seinen Augen bis dato anhält. „Es gibt bei uns keine kulturelle Einrichtung, die nicht dem Diktat einer beinharten Kosten-Nutzen-Rechnung unterliegt“, so Markus. „Wir von VERSO machen da nicht mit.“


Vor fünf Jahren haben Joachim Gatterer, Manuel Messner und Dennis Oberhuber den Verein für Resozialisierung und Solidarität, kurz VERSO, aus der Taufe gehoben. Als Statement gegen die Kultur der schillernden Events und Mainstream-Acts. Markus Schwärzer stieß ein halbes Jahr später dazu. „Wir haben in den letzten fünf Jahren einiges bewegt. Mit Konzerten, Fotoausstellungen und Lesungen, bei denen stets die Qualität im Vordergrund stand. Mit viel persönlichem Engagement anstelle opulenter Budgets“, resümiert Markus.


[[{“fid”:”11544″,”view_mode”:”teaser”,”fields”:{“format”:”teaser”,”field_description[und][0][value]”:”Markus Schwärzer”,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Rainer Feichter”,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”attributes”:{“height”:277,”width”:220,”class”:”media-element file-teaser”}}]]In Bozen oder anderswo könnte man VERSOs Kritik als Jammern auf höchstem Niveau kritisieren. Landesweit wird dem Pustertal noch immer eine vielfältige Kulturpolitik zugeschrieben. Zu Unrecht, finden VERSO. „Das Gros der Initiativen bedient nur den Mainstream. Die Jugendkultur stagniert. Schlummernde Potentiale junger Kulturschaffender bleiben ungenützt“, konstatiert Markus, „es fehlt an kreativen Freiräumen abseits von Lederhosenbällen, Kirchtagen und Electro-Partys, wo sich Jugendliche kulturell betätigen können.“ Dieses Manko ist laut Markus vor allem wirtschaftlich bedingt. „Man folgt der Maxime des Wachstums. Events müssen in erster Linie lukrativ sein. Entsprechend scheut man das Risiko, auf unbekannte Künstler zu setzen.“ Gab es früher noch innovative Akteure und provokante Akzente, so findet man heute fast nur mehr salonfähige Events mit wenig Reibungsflächen, bemängeln VERSO.

Echtheit statt Missionierung

Ihr Gegenkonzept zum kommerziellen Wachstum lautet „Fortschritt durch Bewegung". Bestes Beispiel für dieses Leitmotiv sind die displaced sessions. Seit nunmehr drei Jahren organisieren die 15 aktiven Mitglieder des Vereins in unregelmäßigen Abständen an unkonventionellen Orten unprätentiöse Konzerte mit Bands, die nur unter Insidern bekannt sind. Die Location wechselt ständig. Durch beinharte Reduzierung des Rahmenangebotes wird der logistische Aufwand auf ein Minimum beschränkt. „Die Musik, die Künstler, die ungefilterte Interaktion mit dem Publikum stehen im Zentrum der displaced sessions", erklärt Markus. „Wir verzichten bewusst auf kulinarischen Schnickschnack und technischen Hokuspokus. Bei uns gibt es authentische Musik, Dosenbier und handelsübliche, leckere Imbisse.“ VERSOs Veranstaltungen sind also keine verkappte Nabelschau für Gutmenschen und Ökos, sondern schlicht der Versuch, „Kultur wieder in ein kollektives Erlebnis mit AHA-Effekt zu transformieren“, erläutert Markus. „Wir haben es satt, dass Kultur nur mehr als Konsumgut gesehen wird, das jeder isoliert und individuell für sich benutzt.“

Chimäre VERSO

Wie der Idealtypus einer VERSO-Veranstaltung aussieht, konnte man 2010 miterleben. Unter dem treffenden Titel „Supernova" verwandelte der Verein das zum Abriss freigegebene Dopolavoro beim Zugbahnhof in Bruneck noch einmal in einen leuchtenden Stern der zeitgenössischen Kultur. Konzerte, Ausstellungen und Lesungen formten ein mitreißendes Requiem für einen untergehenden Fixstern des kulturellen Lebens in der Rienzstadt. Was im Dopolavoro begann, ist mittlerweile zu einem Hauptanliegen von VERSO avanciert. Der Austausch und die Vernetzung der deutsch- und italienischsprachigen Kulturszene im Pustertal fanden von 2011 bis 2012 in der konkreten Zusammenarbeit mit der A.R.C.B. (Associazione Ricreativa Culturale Brunico) statt. Momentan wird dieser Fokus im aktiven Diskurs mit den rührigen Centri Sociali Norditaliens weitergeführt. „VERSO bedeutet auch, jeder Kategorisierung zu trotzen. Man kann uns nicht leicht umreißen, wir sind alles andere als uniform“ so Markus. „Das ist unsere Art des Widerstandes, unser subversives Statement in Zeiten der Vereinheitlichung und Standardisierung.“

Geschätzte Rebellen

Der Durchsetzung ihrer Interessen hat diese authentische, ja fast trotzige Haltung bis dato nicht geschadet. Ihre ehrliche Art fand vor allem bei Brunecks Bürgermeister stets ein offenes Ohr. „Wir können ohne Umschweife sagen, dass Christian Tschurtschenthaler ein äußerst aufgeschlossener Gesprächspartner war. Er hat unsere Arbeit stets respektiert und nach Möglichkeit unterstützt“, lobt Markus die Arbeit des ehemaligen Stadt-Gouverneurs. Er war es auch, der VERSO die Erlaubnis zur Durchführung des „Castle Disaster" gegeben hat. Am Brunecker Schlossberg, dem historischen Schauplatz des legendären Schlossberg-Open-Airs, organisierten VERSO erstmals 2009 und zuletzt im August 2013 ein äußerst gelungenes Konzert unter dem Namen „Castle Disaster vol. 1 & 2", das an Brunecks glorreiche Festivalzeiten anschließen konnte, ohne dabei ins Nostalgische zu verfallen. „Auf die Verwendung des Namens Schlossberg haben wir bewusst verzichtet, weil wir keine Mythen bemühen, sondern Neues, Unerwartetes schaffen wollten“, fügt Markus hinzu.

In derselben Tonart soll es auch 2014 weitergehen. VERSO haben die vergangenen Monate für eine kleine Verschnaufpause genutzt und möchten im neuen Jahr wieder sichtbare Akzente setzen. „Es gibt noch keinen konkreten Zeitplan, aber wir planen eine weitere Ausgabe der displaced sessions, verrät Markus, „und möchten, sofern wir von politischer Seite Unterstützung bekommen, ein Vereinslokal finden, in dem wir dauerhaft bleiben können.“ Außerdem gilt es, mit dem zum Verein gehörenden Fußballclub „Fortuna Verso" die Pustertaler Freizeitliga wieder ordentlich aufzumischen. Und selbstverständlich möchten VERSO in Bewegung bleiben, um sich weiterzuentwickeln. „Wir freuen uns über jede und jeden, der bei uns mitmachen möchte. VERSO steht allen offen, aber am meisten willkommen sind uns Querköpfe, Rebellen und Freigeister, die unseren Verein, unsere Arbeit bereichern“, lautet Markus Schwärzers abschließende Einladung.

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