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Die repräsentative Demokratie ist für den Bürger ein relativ gemütliches Instrument der politischen Willensbildung. Alle fünf Jahre macht man sein Kreuzchen auf dem Stimmzettel, und dazwischen lässt sich der persönliche Zeitaufwand für Politik und Politiker problemfrei gering halten und bestenfalls darauf beschränken, sich von Zeit zu Zeit über beschämende Gehälter und andere Gaunereien zu empören.
Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, warum jemand die Welt zwischen Landtag und Landesluis zu seiner Bühne und den Kampf um Wählergunst, zumindest in Zeiten des Wahlkampfs, zum Antrieb seines Handelns macht. Während vielen Leuten Politik meist in Maßen reicht, gibt es doch welche, die sich dieser verschrieben haben. Als Motivation und Beweggründe mag man Idealismus oder – im Kanon der allgemeinen Politikverdrossenheit – schnöden Opportunismus unterstellen. Begleitet man die Kandidaten einen Tag lang bei ihren Terminen, zeigt sich zumindest eines: Wahlkampf ist anstrengend.
In Position gehen
Auch Sven Knoll hat in der Woche vor der großen Wahl gut zu tun: Zwischen Podiumsdiskussionen, TV-Aufzeichnungen und direktem Wählerkontakt tingelt er durchs Land, stets im Kampf um Stimmen und Wählergunst. Er trägt dabei die rote Jacke mit dem Süd-Tiroler Freiheit-Logo wie eine Uniform, und beim persönlichen Treffen fragt man sich, wer dieser Mensch Sven Knoll denn wohl gewesen wäre, wenn er nicht hinter der Person des Politikers verschwunden wäre. Der Spitzenkandidat der Süd-Tiroler Freiheit ist Vollprofi. Sein Umgang mit der Presseanfrage ist professionell, sein Small-Talk sowieso, seine Haltung stets kontrolliert. Bei einer TV-Aufzeichnung für die RAI nimmt Knoll im zugewiesenen Sessel Platz, und kaum ertönt die Regie-Anweisung, dass es losgehe, geht er in Position: Der Rücken wird noch gerader als sonst, die Arme werden angewinkelt, die Hände ineinander gefaltet in den Schoß gelegt. Und er lächelt freundlich, wie man das wohl machen soll. Mit klaren Sätzen spricht er in die Kamera. Hier ist jemand, der sich zu kontrollieren weiß, Politikerhabitus auf hohem Niveau.
Das Frage-Antwort-Spiel zwischen Moderatorin und Knoll wirkt in seiner Präzision einstudiert. Es hat den Charme einer Prüfung, und Knoll ist der Einser-Student, dem keine Frage etwas anhaben kann. Trotzdem meint er im Anschluss, dass ihm die Fragen im Vorhinein nicht bekannt sind: „Das wär ja auch langweilig.“ Natürlich wisse er aber langsam, was da auf ihn zukomme, allzu sehr variiere das Gefragte nie, und da hätte er im Laufe der Zeit schon seine Antworten parat. Es werde zur Routine, so Sven Knoll, abgebrüht mit nur 33 Jahren. Er sei sich auch bewusst, dass die Arbeit der letzten Tage vor der Wahl nur begrenzte Wirkung hat: Die meisten Wähler hätten sich eh schon entschieden. Wichtiger als Medientermine sei die Arbeit an der Basis, das Tingeln von Bar zu Bar, der Kontakt mit den Leuten in den Dörfern.
Der Mensch dahinter
Bevor er zu diesem Zweck am Abend ins Vinschgau fährt, geht es noch zu einer weiteren Fernsehaufzeichnung ins Stadtcafé am Waltherplatz. „Daum im Stadtcafé“, so die illustre Runde, bei der neben Knoll die Spitzenkandidaten der anderen Parteien an einem Tisch sitzen und in einer knappen halben Stunde ihre Botschaft via TV an die Leute bringen wollen. Sven Knoll spricht klar, sobald er an der Reihe ist und von Moderator Daum angesprochen wird. Dazwischen lässt sich seinem Gesicht aber nichts entnehmen, die Aussagen seiner Konkurrenten erfahren durch seine Gestik oder Mimik keine Wertung. Auch hier ist er wieder ganz Profi. Der Gegenentwurf zum Politikermodell Knoll ist Brigitte Foppa. Auch sie sitzt bei der Gesprächsrunde mit am Tisch. Foppa ist nicht kontrolliert: Sie meldet sich zu Wort, wenn ihr etwas am Gesagten nicht passt. Sie wirft ein und führt aus und gerät auf eine Aussage Pius Leitners mal kurz in Rage.
Brigitte Foppa lernt man als Menschen kennen. Da ist keine Maske der Berufspolitikerin, hinter der sie schon verschwunden ist. Nach der Gesprächsrunde im Stadtcafé fragt sie ehrlich interessiert ob es denn gut war, und ist mit sich selbst nicht ganz zufrieden. Bevor es bei ihr im Anschluss weitergeht mit der Politik, muss sie noch kurz ein Geschenk für ihren Sohn kaufen, der am nächsten Tag Geburtstag habe. Keine halbe Stunde später trifft sie im Circolo Cittadino ein, zur italienischsprachigen Podiumsdiskussion mit Kandidaten wie Arno Kompatscher, Elena Artioli und ihrem Kollegen Riccardo dello Sbarba. Foppa beobachtet als Zaungast vom Publikum aus: Sie scherzt und lacht und kommentiert das Gesagte der Kandidaten mit Leidenschaft. Sie erzählt Anekdoten von Elena Artioli, wie sie bei einer anderen Veranstaltung die Tasche offen gelassen hat und da die Spaghetti rausgeguckt haben. Und stellt gleich zu Beginn fest, dass „der Tommasini sitzt, wie eine Statue“ (Später hat auch er sich entspannt.) Sie hat keine antrainierte Haltung, die sie für die Kameras einnimmt. Sie findet Arno Kompatscher als Person angenehm, sagt sie, er sei kein „Polterer“, auch wenn seine Positionen ihr zu vage bleiben, um Angriffsfläche zu bieten.
Im Kampf gegen Gipfel
Ihr Auftreten ist ein anderes als das von Knoll – unbeschwerter, unvorsichtiger. Es ist eine andere Form der öffentlichen Präsenz, die über den Inhalt der vertretenen Politik nichts aussagen muss. Was sie eint in ihrer Position als Kandidaten der Oppositionsparteien ist ihre unbedingte Haltung, mit der sie sich in den Ring schmeißen, als sei noch nichts je verloren gewesen. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen, sagt man, und man muss sich Sven Knoll und Brigitte Foppa als glückliche Menschen vorstellen.
Nach der Gesprächsrunde im Stadtcafé wollte die Spitzenkandidatin der Grünen ursprünglich noch nach Brixen zu einer weiteren Veranstaltung. „Das fällt nun doch flach", sagt sie, denn sie wolle für ihren Sohn noch einen Kuchen backen. Man kann sich nicht vorstellen, dass Sven Knoll mal einen Termin sausen lässt, um einen Kuchen zu backen.
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