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In Neumarkt soll entstehen, was seit Jahren unmöglich scheint. Ein neues, von allen geteiltes Gesetz zur Direkten Demokratie. Seit 2005 gab es schon deren zwei, dazu ein Volksbegehren und zwei Volksabstimmungen, doch noch immer gibt es keine Einigkeit, wie Direkte Demokratie in Südtirol praktiziert werden soll.
Also soll das Volk mitreden. Dafür werden landauf landab vom Südtiroler Landtag „Dialogabende“ organisiert, vor Kurzem auch einer in Neumarkt. Da trafen sich Interessierte, gruppierten sich um die Tische, bekamen Fragen gestellt und sollten darüber diskutieren. Ohne Moderator und Protokoll, wie beim Konzept des World Cafés üblich.
Wie soll unsere Demokratie in Südtirol in Zukunft aussehen? Welche Rolle sollen die BürgerInnen in der Demokratie Südtirols einnehmen? Keine einfachen Fragen. Also geht es zwischendurch um den Mutterschutz in der Privatwirtschaft anstatt um Demokratie. Ein Teilnehmer wird sich am Ende des Abends ein Referendum über ein globales Bankengesetz wünschen. Inmitten der immerhin fast 70 Teilnehmer in Neumarkt sitzen Mitglieder der Initiative für mehr Demokratie. Einige von ihnen geben sich zu erkennen, andere nicht. Manche erkennt man aber recht gut an den Beiträgen, die sie zur Debatte beisteuern. Eine Dame von der SVP liest ihre Diskussionsbeiträge von einem Zettel ab. Und immer mal wieder versucht einer, die Hoheit über die Diskussion zu bekommen.
Die Menschen müssen lernen, zu argumentieren anstatt zu schreien und andere Meinungen zu respektieren. Nicht nur an sich selbst denken. Auch mal nachgeben und Niederlagen akzeptieren.
Wenn es schon im kleinen Kreis so schwierig ist, offen, uneigennützig und zielorientiert zu diskutieren, wie soll es dann im Großen klappen? Die Menschen in Südtirol, allen voran jene in Mals, haben gezeigt, dass sie mitbestimmen wollen. Die Abstimmungen in Mals und Brixen haben aber auch gezeigt, dass uns noch viel zum mündigen Bürger fehlt. Da geht es nicht immer um die Sache. Da wird emotional abgestimmt. Da geht es um gefährdete Bürger gegen böse Bauern. Oder auch Landschaftspfleger gegen Verrückte, je nachdem auf welcher Seite man steht. Um Umwelt gegen Wirtschaft. Um Berg gegen Tal.
Die Menschen müssen lernen, zu argumentieren anstatt zu schreien und andere Meinungen zu respektieren. Nicht nur an sich selbst denken. Auch mal nachgeben und Niederlagen akzeptieren.
Bei einem Referendum gibt es nur wir oder sie, Freund oder Feind. Ein im Verhältniswahlrecht gewählter Landtag wäre dazu da, mehrere Positionen in Einklang zu bringen. Wir müssen dafür sorgen, dass er seine Arbeit ordentlich macht. Alle fünf Jahre können wir darüber entscheiden. Und zwischendurch, natürlich, per Volksabstimmung die Richtung weisen.
Aber erst wenn wir alle lernen, an der Urne mit Hirn statt mit Herz zu entscheiden, wird sich etwas ändern. Wenn Bürger, Politiker und Wirtschaftstreibende das Wohl aller im Blick haben, und nicht nur den eigenen Vorteil, dann kommt auch das neue Gesetz zur Direkten Demokratie von ganz allein. Wenn der Wutbürger aber nur wütend wird, wenn ihm etwas genommen wird, wird uns auch kein Referendum retten.
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