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ORF-Quotenkönigin und Fernsehikone Elizabeth T. Spira assistiert Amor seit fast 20 Jahren. In ihrer TV-Sendung „Liebesg’schichten und Heiratssachen“ vereint sie einsame Herzen und beleuchtet skurrile Schicksale. BARFUSS hat die 71-Jährige getroffen und mit ihr über Liebe, Einsamkeit und das Internet als Kennenlernbörse gesprochen.
Sind Sie Expertin in Sachen Liebe?
Nein, da irren sich alle immer. Wenn die Leute verliebt sind, brauchen sie mich und meine Sendung nicht. Ich kenne mich aber relativ gut mit Trennungen, Scheidungen, Einsamkeit und Ängsten aus. Mit Menschen, die noch nie einen Partner hatten. Diese seelischen Geschichten: darüber weiß ich Bescheid. Was Liebe wirklich ist – darüber habe ich mir nie den Kopf zerbrochen. Ich kann auch wenig darüber erzählen, denn in dem Moment, wo die Leute verliebt sind, werden sie unglaublich langweilig. Frisch verliebte Paare sind immer nur mit sich zusammen und ich sitz daneben und denk mir: „Was soll ich da fragen.“ Die sollen schmusen und ich geh wieder.
Menschen, die jahrelang einsam waren und plötzlich in einer Beziehung leben: wie verändern sich diese, äußerlich und innerlich?
Ein Mann, der noch nie zuvor eine Frau berührt hat, dekoriert sein Schlafzimmer plötzlich mit Plüschtieren und Decken, die mit Schmetterlingen bedruckt sind. Da sieht man auf einmal die weibliche Hand im Haushalt. Das ist dann natürlich sehr spannend. Die Menschen sind plötzlich offen und fröhlich. Man merkt, dass sie endlich die Fenster aufmachen und frische Luft in ihr Leben lassen. Eine in sich geschlossene Persönlichkeit, die zuvor immer nur eine Abfuhr bekommen hat, gibt sich auch selbst keine Chance. Das sind oft Leute, die bereits seit der Kindheit große Probleme haben, mit anderen in Kontakt zu treten – aus welchen Gründen auch immer. Man spürt, dass da etwas ist. Wenn ein solcher Mensch seine seelische Verkrustung durchbricht, ist das natürlich ein Glücksmoment für mich.
Warum, denken Sie, ist Ihr Format so erfolgreich?
Das weiß ich nicht. Wäre ich eitel, würde ich sagen: weil ich so gut bin (lacht). Teils aber sicher, weil die Sendung sehr realistisch ist. Bei uns gibt es keine Fakes. Die Leute, die sich für uns öffnen, sind absolut mutig. Ich bin immer wieder erstaunt, was sie mir berichten. Ich würde das nicht machen, freue mich aber, ihre Geschichte zu erzählen.
Was Liebe wirklich ist – darüber habe ich mir nie den Kopf zerbrochen. Ich kann auch wenig darüber erzählen, denn in dem Moment, wo die Leute verliebt sind, werden sie unglaublich langweilig.
Wird es immer schwieriger, Leute für Ihre Sendung zu finden?
Nein, leichter. Als wir angefangen haben, war das für die besseren Kreise ein No-Go. Heute melden sich irrsinnig viele Frauen, die richtig gut sind. Es gibt auch tolle Männer, aber die meisten sind Versager oder Weicheier. Viele suchen Mutter Spira, um zu jammern und über ihr trauriges Schicksal zu sprechen. Die Männer sind auch viel exhibitionistischer.
Was halten Sie von Sendungen wie „Bauer sucht Frau“ oder „das Geschäft mit der Liebe“?
„Das Geschäft mit der Liebe“ habe ich noch nie gesehen. „Bauer sucht Frau“ ein- oder zweimal. Das hat mit dem, was ich mache nichts zu tun. Bei diesen Formaten ist ganz genau festgelegt, was zu machen ist. Vieles davon finde ich unappetitlich. Wenn ein Bauer sich vier Frauen sucht, die bei ihm wohnen und er jede Woche eine rausschmeißt, ist das unmöglich. Das ist doch würdelos und respektlos. In diese Richtung würde ich nie gehen. Bei einem öffentlich-rechtlichen Sender ginge das auch nicht.
Es gibt aktuell vermehrt Formate, in denen es darum geht, Menschen bloßzustellen …
Das wirft man mir genauso vor. Ich sage dann immer: ich bin doch kein Zirkusdirektor. Wir zeigen Leute, wie sie sich selbst vor der Kamera vorstellen wollen. Natürlich haben wir auch Leute, die etwas meschugge sind. Es gibt eben Menschen, die glauben, sie sind Indianer oder ähnliches. Ich sage demjenigen nicht: „Ziehen Sie das an.“ Das ist eben eine Verrücktheit, eine Maskerade, die wahnsinnig komisch ist. Auch für mich. Ein 60-jähriger, erfolgreicher Unternehmer, der glaubt, er ist Schamane, aber nicht reiten kann – so etwas gibt es eben. Unser Team ist hinters Haus gegangen, um ein wenig zu lachen. Aber wenn ihm das Spaß macht, soll er doch. Immerhin sind das mündige, erwachsene Menschen.
Gibt es auch Aufnahmen, die Sie nicht verwenden?
Ja, wenn man merkt, der oder die ist nicht ganz dicht oder einfach eine brutale Sau. Bei einem Häfen-Bruder frage ich genau, warum er im Gefängnis war. Es gibt einfach Leute, bei denen man ein schlechtes Gefühl hat. Vielleicht auch zu Unrecht. Oder man merkt, dass jemand eine Krankheit hat oder geistig verwirrt ist, dann lässt man es besser. Verrückte sind meistens aber auch wahnsinnig lustig. Einmal waren wir bei einem, der meinte, seine verstorbene Frau umkreist als Satellit die Erde. Als er dann erklärt hat, es läuft eine Weltverschwörung gegen ihn, dachte ich mir, vielleicht sollten wir den eher nicht in die Sendung nehmen. Die Geschichte ist aber dann super geworden.
Sie haben die 68er-Bewegung, die in vielen Bereichen revolutionär war, miterlebt. Wie hat sich der Umgang mit der Liebe dadurch verändert?
Ich komme aus einem linken Haus, da war dieses Thema nie ein Problem. Natürlich war jeder erotisch gehemmt. Aber es war nicht mein Kampf. Für viele, die aus sehr katholischen oder Nazi-Familien kamen, war diese Zeit natürlich ein Aufbruch. Ich weiß noch, wie ein ziemlich verklemmter Bursche, einer mit dem man kein Bett teilen will, eine Wohngemeinschaft mit Männern und Frauen gründen wollte – sozusagen eine Kommune. „Da wird er ein Pech haben“, habe ich mir gedacht. Was viele meiner Kollegen, größtenteils männliche, verwechselt haben: locker zu sein, hat nichts mit der Anzahl der Sexualpartner zu tun. Da geht es um Qualität, nicht um Quantität.
Sind Sex und Liebe unmittelbar verknüpft?
Eine Mann-Frau-Beziehung kann ich mir nicht ganz ohne Sex vorstellen. Irgendwie gehört das schon dazu. Es ist zumindest schade, wenn es nicht passiert. Dann fehlt irgendwie das Salz in der Suppe. Zwei 80-Jährige, die sich kennen lernen und froh sind, nicht alleine zu sein, müssen nicht unbedingt eine heiße Liebesnacht haben. Wenn es doch so ist, ist es natürlich umso schöner. Man kann aber auch mit zehn Jahren verliebt sein. Es hängt natürlich vom Alter ab.
Ich sehe mir die Jungen in der Straßenbahn an. Alle schauen wie Verrückte auf ihre Smartphones. Die nehmen gar nicht mehr wahr, ob da ein fescher Bursch sitzt, eine alte Frau Hilfe braucht oder sie jemand anlächelt – weil alles nur mehr im Internet passiert.
Wissen Sie noch, wie Sie das erste Mal verliebt waren?
Na sicherlich, sowas merkt man sich doch. Da war ich sieben oder acht.
Wissen sie noch den Namen?
Fredi.
Was halten Sie davon, dass sich das Kennenlernen wie viele andere zwischenmenschliche Praktiken immer weiter in die Welt des Internets (auf Plattformen wie Facebook) verlagern?
Das sind Welten, die ich überhaupt nicht kenne. Ich war zwei Stunden in Facebook drinnen. In dieser Zeit wollten 300 Leute mit mir befreundet sein. So viele Freunde habe ich in der Wirklichkeit auch nicht, also hab ich es geschlossen und nie wieder aufgemacht. Mich verwirrt das alles sehr. Ich habe das Gefühl, die Menschen werden autistisch, weil sie ständig über das Internet kommunizieren. Ich sehe mir die Jungen in der Straßenbahn an. Alle schauen wie Verrückte auf ihre Smartphones. Die nehmen gar nicht mehr wahr, ob da ein fescher Bursch sitzt, eine alte Frau Hilfe braucht oder sie jemand anlächelt – weil alles nur mehr im Internet passiert.
Es ist doch schön, mit 17 Jahren tanzen zu gehen und jemanden zu erblicken oder erblickt zu werden. Überall, im Eissalon, auf der Sommerwiese oder am Stehplatz in der Oper kann man ins Gespräch kommen. Die Umgebung hat natürlich eine spezielle Atmosphäre. Ich habe zum Beispiel fast alle meine Männer im Kaffeehaus kennengelernt. Und nur Zuhause vorm Bildschirm zu sitzen ist doch langweilig. Es ist schade, seine Zeit darauf zu verwenden.
Dazu kommt noch so eine seltsame Tratschsucht, die sich durch Facebook entwickelt. Was Leute da reintippen, das interessiert mich nicht einmal, wenn es mir meine Freundin erzählt. Es gibt aber auch positive Sachen an Facebook. Wäre diese schnelle Kommunikation nicht, hätte es manche Revolten in diktatorischen Ländern wohl nie gegeben.
Sie als Wienerin, glauben Sie, dass Großstädter anders lieben als Menschen auf dem Land?
Natürlich gibt es Unterschiede. Die Ursache, verliebt zu sein ist wahrscheinlich bei allen ähnlich. Es ist manchmal angenehm, alleine zu sein, jedoch ist es auch ein Grundbedürfnis, einen Partner zu haben und Kinder zu kriegen. In der Stadt kannst du rausgehen und dir einen Partner suchen. Das ist zwar nicht sehr lustig, aber naja. Ich könnte mir nicht vorstellen, mit 70 in einem Lokal zu sitzen und mir irgendjemanden aufzuzwicken. Das ist wahrscheinlich sehr mühsam. Alle 20- bis 40-Jährigen würden die Männer abschleppen, die ich gerne hätte (lacht).
In der Stadt, wenn du dich als Frau selbst ernährst und der Mann sich nicht von dir aushalten lässt, ist es eine Beziehung von zwei gleichwertigen Partnern, die auch ohne einander leben könnten. Am Land ist es eine andere Welt, sind es oft andere Beziehungen. Ein Bauer braucht neben der Frau, die er liebt auch eine Partnerin für den Betrieb. Das muss einer Frau Spaß machen, und das macht es vielen nicht – was ich gut verstehen kann.
Warum sind die Scheidungsraten im Gegensatz zu früher aktuell so hoch?
Weil die Frauen unabhängiger und gut ausgebildet sind. Sie verdienen ihr eigenes Geld und können sich vom Mann trennen, wenn er sie langweilt oder sie sekiert. Früher war das nicht so leicht. Die älteren Menschen schimpfen dann oft und meinen, die Jüngeren nehmen die Ehe nicht mehr ernst und halten nicht zusammen. Das glaube ich aber nicht. Die Frauen sind einfach selbstbewusster und die Beziehungsrollen haben sich geändert. Heute sucht kaum noch ein Mann eine Frau für den Haushalt. Oder zumindest sagen sie es nicht. Außer die ganz Dummen.
Im ORF hatten Sie aufgrund Ihrer kritischen Reportagen öfters mit starkem Gegenwind zu kämpfen. Dachten Sie da manchmal: „Wo ist jetzt die Liebe hin?“
Das ist ja schon sehr lange her. Zurzeit werde ich aufgrund der Quoten geliebt. Fast schon vor Liebe erdrückt. Das geht mir eh auf die Nerven. Mittlerweile darf man mich auch kritisieren. Früher habe ich sehr gerne provoziert. Dazu war ich noch zu wenig blond und zu aufmüpfig für die damalige Führung des ORF. Dass man dann nicht immer geliebt wird, ist klar.
Ich bin geboren zur Provokation, und war immer ganz happy, wenn sich die Leute über meine kritischen Beiträge aufgeregt haben. Das war wunderbar. Heute werde ich zu viel geliebt – da fehlt mir auch irgendwas. Aber man kann nicht immer nur provozieren. Ich bin 71 und irgendwann überlebt man sich selbst.
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