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Veröffentlicht
am 28.11.2021
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Was können wir aus der Pandemie lernen?

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Der Sozial- und Wirtschaftsethiker Markus Schlagnitweit, die Theologin und Armutsforscherin Magdalena Holztrattner, der Professor für allgemeine Erziehungswissenschaften und interkulturelle Bildung Hans Karl Peterlini hielten Impulsreferate. Am Nachmittag diskutierte Jutta Wieser mit Bischof Ivo Muser, Landeshauptmann Arno Kompatscher, der Leiterin des Amtes für Ehe und Familie der Diözese Bozen-Brixen Johanna Brunner und der Unternehmerin Maria Niederstätter darüber, was die Gesellschaft noch zusammenhalte. Solidarität zu fördern, sei im Ausgang aus der Pandemie eine der vordringlichsten Aufgaben von Politik, Zivilgesellschaft und Kirche, hieß es abschließend: Gerechtigkeit und Nächstenliebe seien ihre Gesichter.

Das abnehmende Vertrauen in die Corona-Politik der Regierenden, eine zunehmend aggressive Ablehnung getroffener Maßnahmen und eine sprachliche Verrohung in der öffentlichen Diskussion seien Ausdruck einer gefährlichen Spaltungstendenz in unserer Gesellschaft, sagten die Diskutanten. Die Erfahrung der Pandemie habe gezeigt, dass die Zukunft nicht einfach eine Fortschreibung des Bestehenden und des Bisherigen sein könne. Neues und nicht Vorhersehbares trete plötzlich in unsere Zeit und durchkreuz Planung und Organisation. Die Menschheit habe in aller Deutlichkeit gesehen, dass es auch in unserer wissenschaftlich-technisch durchorganisierten Welt eine völlige Absicherung nicht gebe und nicht geben könne. Es brauche eine vorrangige Option für die Armen und Schwachen. Nachhaltigkeit und der gesellschaftliche Dialog seien politische Handlungsprinzipien in der Tradition der Katholischen Soziallehre, sagte Bischof Ivo Muser. Sie könne im Blick auf die großen Konfliktfelder eine wichtige Orientierung bieten, betonte er. Landeshauptmann Arno Kompatscher sagte im Schlussplädoyer, dass er seine Aufgabe nur im Gesamtkontext der Nachhaltigkeit leisten könne. Zivilgesellschaftliches Engagement und vielfältige Möglichkeiten der Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen würden die Identifikation und das Bewusstsein für die gemeinsam zu tragende Verantwortung für das gesellschaftliche Zusammenleben stärken, betonten die Amtsleiterin Johanna Brunner und die Unternehmerin Maria Niederstätter.

Markus Schlagnitweit sagte bei seinem Impulsreferat, dass eine christliche Grundaufgabe immer und überall im Dienst an der Versöhnung stehe. Es gelte „Konfliktpartner in einen fruchtbaren, konstruktiven Dialog miteinander zu bringen und mit ihnen gemeinsam auf das Ziel eine guten Lebens für alle hinzuarbeiten.“ Dieser Versöhnungsdienst bedeute keineswegs ein Übertünchen, Zukleistern und Verdrängen von Bruchlinien, die gerade in der Pandemie überdeutlich sicht- und spürbar geworden sind. „Dass Christ/innen „Salz der Erde“ sind, bedeutet, dass sie sich dabei nicht bloß auf neutrale Positionen zurückziehen oder in eine faule Unparteilichkeit flüchten dürfen. Sie haben in jeder Situation an der Seite der jeweils Armen, Schwachen und Benachteiligten zu stehen.“ Letztlich bedeutet christliches Handeln immer solidarisch zu handeln.

Magdalena Holztrattner verwies auf die Agenda 2030 mit den 17 Nachhaltigkeitszielen als verbindlichen Auftrag. Die entscheidende Frage dabei sei, ob das gängige Verständnis von Nachhaltigkeit auf ein Reparieren von Schäden, auf ein verbessertes Management von Ökosystemen und ganz allgemein auf ein „grüneres“ Wachstum ausgerichtet bleibe. Papst Franziskus gehe in seiner Enzyklika Laudato si’ viel tiefer: „Es geht um ein radikales Umdenken, um eine ökologisch-soziale Konversion und um eine Abkehr vom technokratischen Modus des Weltumgangs“, betonte die Theologin aus Wien.

Der Professor für Erziehungswissenschaften Hans Karl Peterlini nahm die pandemiebedingte Situation der Kinder und Jugendlichen in den Blick: Die Erfahrungen würden zu einem neuen Nachdenken über Bildung und Lernen auffordern, ein Lernen, das sich „an der Welt entzündet und nicht bei einer Belehrung über sie stehenbleibt“. Lernerfahrungen sollten auch außerhalb der Schulmauern in nicht pädagogisch arrangierten, aber in realen Situationen gemacht werden. Es gehe um ein Lernen, „das alle Sinne herausfordert und den Heranwachsenden die Erfahrung ermöglicht, dass es auf sie wirklich ankommt, das sie herausfordert, sich auch in unbekanntes Terrain hineinzuwagen, um so ihren Platz in der Welt zu finden“.

Bei der Diskussion am Nachmittag wurde eindringlich darauf verwiesen, dass der öffentliche Diskurs einen neuen vergifteten Höhepunkt erreicht habe. Soziale Brüche und tief sitzende weltanschauliche Differenzen, Entmutigung und Verunsicherung machten eine gesellschaftliche Verständigung auf einen gemeinschaftlich zu gehenden Weg aus der Corona-Pandemie schwierig.

Demokratie lebe vom Streit und von der harten Auseinandersetzung in der Sache, betonten Ivo Muser, Arno Kompatscher, Johanna Brunner und Maria Niederstätter. Allerdings erfordere rationale Auseinandersetzung mehr Anstrengung als emotionale Schuldzuschreibung. Es bleibe in der Verantwortung der Politik und ihrer gewählten Vertreter/innen, aber auch aller Personen guten Willens, das Gespräch mit den Entmutigten und Andersdenkenden dort nicht abbrechen zu lassen, wo es noch eine kleine gemeinsame Basis für ein Gespräch gibt. Für den gesellschaftlichen Weg nach der Pandemie sei es unabdingbar, an einer maßvollen und konstruktiven Gesprächskultur zu arbeiten.

Der Vorsitzende des Katholischen Forums Franz Tutzer betonte, dass diese Tagung ein Baustein des konstruktiven öffentlichen Dialogs gewesen sei, von denen es viele weitere brauche.

Text: Maria Lobis

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