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Auch sechs Monate nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine bleiben uns die Geschehnisse unbegreiflich und lassen auch die Welt der zeitgenössischen Kultur um Haltung ringen. Einige Punkte im Programm von Transart spiegeln diese Realität in der Arbeit von ukrainischen, aber auch russischen Künstlern und Künstlerinnen, die sich von der kriegerischen Politik Putins und ihres Heimatlandes klar distanzieren, wie Kirill Savchenkov, der sich von der Teilnahme an der Biennale in Venedig zurückgezogen hat und seine Arbeit am Freitag in Eppan präsentiert. Der erste dieser Beiträge ist jedoch jener der in Berlin lebenden russischen Sängerin und Komponistin Natalia Pschenitschnikova, die 2018 mit ihrem Aufnahmegerät durch die Ukraine reiste und mit 80 – 90jährigen Frauen sprach. Sie fragte sie nach ersten Klangerinnerungen. In Stimmen. Brunnen der Erinnerung werden diese erstmals versammelt.
Pschenitschnikova arbeitet seit 2016 an diesem Projekt, in dem sie darauf abzielt, möglichst viele Aufnahmen mündlicher Erinnerungen von Frauen ab 80 zu sammeln. Am Beginn der Gespräche steht immer die Frage nach den ersten Klangerinnerungen als Schlüssel zu den verschiedensten, oft verborgenen oder verdrängten persönlichen Erinnerungen der Frauen. Die Aufnahmen sind geschnitten, teilweise gesampelt und editiert. O-Töne wurden mit der eigenen Stimme der Performerin gemischt, mal live mal als virtueller Klang im öffentlichen Raum. Die Realisierung von „Kyjiv-Kharkiv-Odessa-Lviv“ war für Kyjiv geplant, für alle Teile des Zyklus waren bereits Aufführungen geplant. Aufgrund der Pandemie und des Angriffskriegs Russlands sind diese nicht zustande gekommen. So wurde für Transart und das Dotmizil eine eigene Form entwickelt und die Beiträge zum ersten Mal aufgeführt. Die Künstlerin sagt über ihre Motivation: „Das gesamte Projekt war von Anfang an als ein fast liturgisches Antikriegsprojekt konzipiert. Unter den aktuellen Bedingungen des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, stellte sich für mich als Russin die Frage, ob ich dieses Projekt zu Ende führen darf. Mein persönliches Bedürfnis ist es, alles dafür zu tun, dass dieser Krieg endet, und zwar mit einem vollständigen Sieg der Ukraine. Nach vielen Überlegungen und Zweifeln habe ich mich dafür entschieden, dass dieses Projekt gerade in der heutigen Zeit von großer Relevanz ist. Es gibt den Menschen, die ich „damals“, noch vor dem Krieg, aufgenommen habe, eine Stimme. Ich verstehe es als meinen Tribut an die Ukraine, als Ausdruck meiner tiefen Bewunderung für die Kraft, Warmherzigkeit und seelische Freiheit der Ukrainer.“ Pschenitschnikova selbst performt inmitten der vielen Stimmen zusammen mit der ukrainischen Sängerin Viktoria Vitrenko in der von Freiwilligen getragenen Bozner Notunterkunft für Obdachlose Dormizil, dem der Erlös aus den Einnahmen dieser Veranstaltung zugute kommt.
Quelle: TRANSART 2022/redSupport BARFUSS!
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