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Am 28. Juli geht die diesjährige Ausgabe von Tanz Bozen mit zwei Stücken des Rijeka Balletts zu Ende.
Zum Ausklang der 39. Ausgabe Tanz Bozen 2023 stehen am Freitag, den 28. Juli, zwei Stücke des traditionsreichen Rijeka Ballet auf dem Programm, das 1946 innerhalb des Kroatischen Nationaltheaters in Rijeka gegründet wurde und heute unabhängig ist. Als neuer Gast des Festivals debütiert die Kompanie mit gleich zwei italienischen Erstaufführungen: dem Duett The Afternoon of a Faun, eine Neuinterpretation von Nijinskys Meisterwerk, geschaffen von der künstlerischen Leiterin des Ensembles Maša Kolar, im Studio Theater um 20 Uhr und einem Stück für zweiundzwanzig Tänzer und Tänzerinnen der Kompanie mit dem Titel Tchaikovsky des spanischen Choreografen Cayetano Soto im Großen Saal des Stadttheaters um21 Uhr.
L’Après-midi d’un Faune, ein musikalisches Meisterwerk von Claude Debussy, basiert auf den symbolistischen Versen von Stéphane Mallarmé, die das arkadische und sinnliche Erlebnis eines Fauns mit seinen Nymphen beschwören. Es wurde erstmals 1912 von Vaslav Nijinsky für Djagilevs Ballets Russes in Paris getanzt. Der Titel ging als eine der ersten choreografischen „Revolutionen” des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein und diente zahlreichen Choreografen als Inspirationsquelle. Ausgehend von der Widersprüchlichkeit, die der Figur des Fauns – halb Mensch, halb Tier – innewohnt, sucht Maša Kolar, künstlerische Leiterin des Rijeka Ballet seit 2017, in ihrer Neuinterpretation The Afternoon of a Faun nach dem Dionysischen und Apollinischen in dieser mythologischen Figur und verwandelt sie in eine Metapher des modernen Menschen: narzisstisch, selbstgefällig, autoerotisch. „Ich wollte“, so Kolar, „einen Faun auf die Bühne bringen, dessen Leidenschaft sich zum Leidwesen einer Nymphe einzig auf sich selbst richtet. Zugleich ermöglicht mir der Titel, mich mit dem Thema des Begehrens auseinanderzusetzen. Diese Art des Begehrens findet in der Selbstliebe und in der Autoerotik Trost. Mir erscheint diese einsame und introspektive Erfahrung beängstigend und schön zugleich. Ich mag dieses Werk, weil es viel über mich selbst sagt und mir die Möglichkeit gegeben hat, die fließende Grenze zwischen Realität und Fantasie auszuloten, der ich in unserem täglichen Leben häufig begegne.“
Das für das Rijeka Ballett kreierte Stück Tchaikovsky des vielfach ausgezeichneten spanischen Choreografen Cayetano Soto speist sich aus Archivdokumenten des Staatlichen Tschaikowsky-Haus-Museums sowie Briefen, die erst 2009 veröffentlicht wurden, und ist eine Hommage an den großen russischen Komponisten, dem wir die schönsten Ballettpartituren des späten 19. Jahrhunderts verdanken. Erstmals im Februar 2023 im Kroatischen Nationaltheater in Zagreb aufgeführt, erwächst Tchaikovsky aus den kraftvollen Körpern der zweiundzwanzig Tänzerinnen und Tänzer des von Maša Kolar geleiteten Ensembles. Mehr an den Fakten und Geheimnissen im Leben des Komponisten als an seinem künstlerischen Schaffen interessiert, sucht Soto in der kreativen Auseinandersetzung mit dessen Musik (hier nicht aus den Ballettwerken) eher nach dem Menschen als dem Künstler. Tschaikowsky war wegen seiner Homosexualität im Russland des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu einem Leben voller Kampf und Geheimniskrämerei gezwungen. Er führte eine Art Doppelleben zwischen einer normalen bürgerlichen Fassade und einer abgründigen dunklen Seite, die er sorgsam vor den meisten verborgen hielt und die im tragischen Epilog seines Lebens, dem Selbstmord, ans Licht kommen sollte. Soto gelingt es, über die gesammelten Geschichten, die er in eine technisch kühne, expressive und zugleich groteske Choreografie übersetzt, ein berührendes Porträt des Menschen Tschaikowsky zu zeichnen. „Soto“, so nochmals die künstlerische Leiterin, „hat aus dem Leben des russischen Komponisten geschöpft, um ein unkonventionelles kreatives Konzept für die Kompanie zu entwickeln. Er hat sich beinahe persönlich mit dem Komponisten identifiziert, dessen ganzes Leben ein Kampf war.“
Das Rijeka Ballet, dessen vollständiger Name Ballett des Kroatischen Nationaltheaters „Ivan pl. Zajc“ in Rijeka (CNT Ivan pl. Zajc) lautet, wurde 1946 innerhalb des Nationaltheaters von Fiume (heute Rijeka) gegründet und präsentierte 1947 ihr erstes Stück. Ein Meilenstein in der Geschichte des Balletts war der 21. September 1990, als das Ensemble den Status einer unabhängigen Institution erlangte. In dieser Zeit begann das Ensemble Titel des klassischen Balletts wie Giselle, Schwanensee, Romeo und Julia in sein Repertoire aufzunehmen. Die Kompanie kann auf ein außergewöhnlich breites Spektrum an choreografischen Werken aus 76 Jahren zurückblicken. Derzeit präsentiert des Rijeka Ballet das Repertoire namhafter Choreograf:innen wie Mauro Bigonzetti, Douglas Lee, Giuseppe Spota, Kristian Lever, Andonis Foniadakis, Marco Goecke, Mauro de Candia, Walter Matteini & Ina Broeckx, Cayetano Soto, Nadav Zelner, Jeroen Verbruggen und Maša Kolar.
Quelle: Stiftung Haydn von Bozen und Trient/redSupport BARFUSS!
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