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Die Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens hat auch in unserem Land für Aufsehen und Irritation, Enttäuschung und Erschrecken gesorgt. Die sich seit Jahren drehende Spirale der ans Licht kommenden Fälle des Missbrauchs Minderjähriger und schutzbedürftiger Personen im engeren und weiteren Kontext der Kirche hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Das Leid der Betroffenen und der Mitbetroffenen lässt sich nicht mehr einfach übersehen und dem Vergessen anheim geben.
Auch unsere Diözese ist in mehrfacher Hinsicht gefordert: Die Einrichtung des diözesanen Dienstes für den Schutz von Minderjährigen stellt einen wichtigen Schritt für die Prävention von Missbrauch dar. Ebenso war die bereits 2010 erfolgte Errichtung der Ombudsstelle für innerkirchliche Missbrauchsfälle ein wichtiger Baustein in diesem Kontext. Längerfristig wirksame Prävention ist aber nur in Zusammenhang mit einer ehrlichen Ursachenanalyse des Machtmissbrauchs und der sexualisierten Gewalt in der Kirche möglich. Es wird deshalb auch danach zu fragen sein, worin – neben persönlichkeitsbezogenen Faktoren der Täter – begünstigende und zudeckende Faktoren für ein Missbrauchsverhalten im System der Kirche selbst liegen.
Vieles deutet darauf hin, dass vorhandene Machtstrukturen, Abhängigkeiten, ein überhöhtes Priesterbild sowie u.a. Mängel im Auswahlverfahren für Priesteramtskandidaten oder fehlende Begleitung und Supervision eine wesentliche Rolle spielen. Eine solche Auseinandersetzung stellt letztendlich das bisher gewohnte Bild der Institution Kirche in Frage, sie wird schmerzhaft sein und großen Mut erfordern. „Wachen, aufwachen, die Augen öffnen: Diese Aufforderung durchzieht immer wieder die biblischen Aussagen. Sie kann geradezu als kategorischer Imperativ der biblischen Traditionen gelten.“ So könnte man nach Johann Baptist Metz auch die Aufgabe der Kirche im Zusammenhang mit den kirchlichen Missbrauchsfällen benennen.
Viel zu lange wurde der aus Scham verstummte Schrei der alleingelassenen Betroffenen und deren niedergeschlagener Blick nicht gehört und nicht gesehen. Damit wurde es den Opfern auch unmöglich gemacht, ihr erlittenes Unrecht zur Sprache zu bringen. Die von der Diözese gemeinsam mit dem Fachbeirat ins Auge gefasste Studie zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle der Vergangenheit ist deshalb unabdingbar und darf nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Eine von einer unabhängigen Kommission durchgeführte, wissenschaftlich begleitete Aufarbeitung der Vergangenheit blickt mit den Augen der Betroffenen auf das erlittene Leid und gibt ihnen ihre Würde zurück. So kann ihnen und allen Beteiligten Gerechtigkeit widerfahren.
Eine umfassende Aufklärung der vergangenen Missbrauchsfälle und ein entschiedenes Handeln, das zukünftigem Missbrauch entgegenwirkt, erfordert Mut. „Die Wahrheit“, die dabei ans Licht drängt, „wird euch frei machen“. Das ist uns in der frohen Botschaft zugesagt. Das gilt für die Betroffenen, das gilt auch „für die vielen Gläubigen und engagierten Priester, die tagtäglich versuchen, dem Evangelium in den pluralen und oft zerklüfteten Lebenswelten ein ansprechendes Gesicht zu geben“ (so der Theologe Jan Heiner Tück), und es gilt auch für die Täter, so das Katholische Forum Südtirol in der Stellungnahme.
Quelle: Katholisches Forum SüdtirolSupport BARFUSS!
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