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Laut Psychiater Roger Pycha ist dies sogar genetischer Fakt, dass Männer deutlich mehr ihre psychische Gesundheit vernachlässigen als ihnen guttut; eben deshalb sei es wichtig, dass Männer in dieser Hinsicht besser auf sich schauen: „Auf dem männlichen Y-Chromosom sind 86 Gene, auf dem weiblichen X um die 2000. Männer kommen entsprechend mit weniger Information aus, oder anders: Sie kümmern sich weniger um ihre Gesundheit, gerade auch um die psychische. Sie sind risikofreudiger, stellen 75 Prozent aller Verkehrstoten, sind 2,5 Mal häufiger alkoholkrank, begehen 85 Prozent aller Morde und nehmen sich 3 Mal häufiger das Leben als Frauen. Während Frauen psychische Gesundheit als Anliegen betreiben, wissen Männer oft nicht, was gemeint ist. Für sie gibt es aber ein Lernfeld, etwas über das eigene Innenleben und die wichtigsten sozialen Beziehungen in Erfahrung zu bringen. Die Corona-Krise ist ein solches.“
Wie Männer Trennungen oder Scheidungen erleben, darüber sprach Familienmediator Elio Cirimbelli. „Hinter jeder Trennung steht immer ein enormes Leid, und zwar bei beiden Partnern, unabhängig davon, wer sich für die Trennung entscheidet.“ Auf die Männer hätten Trennungen häufig aber noch andere schmerzhafte Folgen: „In den allermeisten Fällen muss der Mann die eheliche Wohnung verlassen, Teilzeitvater werden, weiterhin die Hälfte der Hypothek auf das Haus zahlen, das sie beide mühsam gekauft haben, einen angemessenen finanziellen Beitrag für die Kinder und manchmal auch seiner Ex-Frau zahlen, wenn diese Teilzeit oder gar nicht arbeitet. Der größte Verlust, den ein Mann aber hinnehmen muss, ist der Verlust seines Heimes“, sagt Cirimbelli. Das setze den Männern oft hart zu.
Über „Männer und sexuelle Gesundheit“ sprach Psychotherapeut Michael Peintner. Dieser schickte folgendes voraus: „Sexuelle Gesundheit ist nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) untrennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden. Sie ist ein Zustand des körperlichen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf die Sexualität und nicht nur das Fehlen von Krankheit, Funktionsstörungen oder Gebrechen.“ Immer wieder würden Männer unter den Mythen leiden, die ihnen in Bezug auf Sexualität nachgesagt werden; daher bräuchte es einen viel offeneren und ehrlicheren Umgang mit dem Thema.
„Männer und gesunde Aggressivität“, dieses Thema sprach Psychotherapeut Arturo Sica an: „Wut kommt oft auf, wenn wir frustriert sind oder sich ein Wunsch nicht erfüllt. Wut schützt uns emotional und sozial vor Schmerz und Angst. Daher ist sie durchaus berechtigt, wenn sie vorübergehend ist und sie uns von Wut zu Schmerz und hin zu einer konstruktiven und zukunftsorientierten Perspektive führt“, so Sica. Krankhafte Wut indes müsse behandelt werden.
All die Themen, welche von den Referenten aufs Tapet gebracht wurden, kommen in der Caritas Männerberatung immer wieder zur Sprache. „Von Beginn an hat sich eines abgezeichnet: Viele Männer tun sich mit der Kommunikation innerhalb ihrer Partnerschaft, ihrer Familie und ihrem Umfeld schwer. Den meisten fällt es einfach leichter, mit einem Mann als Gesprächspartner schwierige Themen anzusprechen“, sagt Guido Osthoff, der Leiter der Caritas Männerberatung. Aus dieser Idee heraus sei vor 20 Jahren dieser Caritas-Dienst entstanden, das Rezept habe sich bewährt.
Seitdem haben sich nämlich insgesamt 6.000 Männer an die Beratungsstelle gewandt, das entspricht einem Schnitt von rund 300 Männern pro Jahr. Über 60 Prozent von ihnen sind über 40 Jahre alt, Dreiviertel von ihnen Väter. Die Anliegen der Ratsuchenden haben sich seit 2 Jahrzehnten nur leicht verändert. „Am häufigsten werden nach wie vor Fragen zu Problemen in der Familie und in der Partnerschaft angesprochen. Wir helfen den Männern dabei, eine Intimität zuzulassen, die auf wechselseitigem Vertrauen basiert, ihre Gefühle zuzulassen ohne die Grenzen anderer zu verletzen. Väter ermutigen wir, ihre Zuneigung zu ihren Kindern zu leben und sich gleichberechtigt die familiären Aufgaben mit ihrer Partnerin zu teilen“, erklärt Osthoff.
Seit 3 Jahren verzeichnet man in der Männerberatung eine Zunahme von Männern, die sich in einer Lebenskrise befinden. „Das zeigt, dass die Männer zunehmend unter Druck geraten, was ihre Erwartungen an sich selbst, ihre familiären Herausforderungen und den Leistungsdruck am Arbeitsplatz angeht. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung offensichtlich noch verstärkt“, sagt Osthoff.
Die Beratungen erfolgen je nach Bedarf auf Deutsch, Italienisch und neuerdings auch auf Englisch. Sie finden in Bozen, nach Absprache aber auch in Meran und Brixen statt. Sechs psychotherapeutisch ausgebildete Berater und ein Rechtsanwalt stehen dafür zur Verfügung. Zusätzlich zu den Einzelbegleitungen können Männer auch an einem Anti-Gewalttraining und an einer Männer-Austauschgruppe, der Männer AG, teilnehmen.
Quelle: Caritas/redSupport BARFUSS!
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