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Diese Woche steht im Landtag eine entscheidende Abänderung des Gesetzes für Raum und Landschaft bevor. Eine der Kernänderungen betrifft die Aufhebung der Fristen für das Gemeindeentwicklungsprogramm, was weitreichende Folgen für unsere Landschaft und Ortsbilder haben könnte.
Das Landesgesetz für Raum und Landschaft hat einen schweren Stand. 2018 in Kraft getreten hat es bereits fünf Novellierungen erfahren, knapp 500 Abänderungen hat es bisher in Bezug auf die 107 Artikel gegeben, so der Minderheitenbericht zum neuen Gesetzentwurf, der dieser Tage im Landtag behandelt wird. Die sechste Novellierung mit Abänderungen zu über 30 Artikeln soll heute beschlossen werden und birgt weitreichende Folgen in sich. Das Gesetz müsse man „anwendbar machen“ heißt es entschuldigend, doch die bisherige Geschichte der Abänderungen zeigt, dass damit nicht das Stopfen von Löchern, sondern das Öffnen neuer Schleusen gemeint ist.
Das Gemeindeentwicklungsprogramm wird ausgehebelt
Das Gemeindeentwicklungsprogramm war eines der Kernstücke des Gesetzes für Raum und Landschaft und sollte die Gemeinden zu einer weitreichenden Planung bringen. Die zentralen Instrumente dafür: eine Erhebung des Leerstands, die Erhebung der Ensembles und somit von schützenswerter Bausubstanz, ein Mobilitäts- und Erreichbarkeitskonzept, ein Tourismusentwicklungskonzept und die Ausweisung der Siedlungsgrenzen, allesamt Pläne, die man meinen möchte, für eine vernünftige Gemeindeplanung längst bestehen sollten. Dass dem nicht so ist, beweist, dass bisher nur zwei der 116 Gemeinden ein entsprechendes Programm eingereicht haben. Die Frist für die Einreichung des Programms war bereits einmal verlängert worden, nun soll sie komplett fallen. So steht es jedenfalls im Novellierungstext. Nachdem viele Gemeinden mit der Planung noch gar nicht richtig begonnen haben, ist zu befürchten, dass das so bleiben wird. Denn ohne Frist hat das Gemeindeentwicklungsprogramm keine zeitliche und somit überhaupt keine Verbindlichkeit.
Kein Ensembleschutz, keine Leerstandserhebung, kein Mobilitätsplan, kein Tourismusentwicklungskonzept
In der Praxis bedeutet das, dass viele Gemeinden sich weiterhin keine Gedanken über Mobilität, Leerstandsmanagement und Ensembleschutz machen müssen. Das, obwohl der kürzlich vorgestellte Landesmobilitätsplan einen beachtlichen Teil der Einsparungen beim motorisierten Individualverkehr auf die Gemeinden schiebt und das, obwohl dringend geboten wäre, bestehende Bausubstanz zu sanieren, statt neue Flächen zu versiegeln. Der 1997 auf Initiative des Heimatpflegeverbandes gesetzlich verankerte Ensembleschutz bleibt leider nur mehr optionales Beiwerk und wird wohl auch weiterhin von vielen Gemeinden nicht umgesetzt werden. Für unsere Ortsbilder wird das weitreichende negative Veränderungen bringen.
Übergangsbestimmungen fördern die Zersiedelung
Problematisch ist auch, dass solange es kein Gemeindeentwicklungsprogramm gibt, die Übergangsbestimmungen (Artikel 103) in Kraft bleiben, die voller Schlupflöcher für Einzel- und Lobbyinteressen sind. Während das Gemeindeentwicklungsprogramm Siedlungsgrenzen klar festlegen und somit auch Bauvorhaben außerhalb limitieren sollte, gilt gemäß den Übergangsbestimmungen bereits eine Gruppe von zehn Häusern als zusammenhängende Siedlung, wo entsprechende Baurechte gelten. So darf auch außerhalb der Ortschaften munter weitergebaut und zersiedelt werden. Bürgermeister und Gemeindeausschüsse können dort nach Belieben Tourismuszonen ausweisen und Baurechte vergeben. Der Druck auf die Gemeindevertreter wird somit weiter steigen. Für unsere Landschaft hat das fatale Folgen.
Das unterirdische Bauen kommt zurück
Die Novellierungen beschränken sich aber nicht nur auf das Gemeindeentwicklungsprogramm, sondern versuchen durch die Hintertür auch Teile der Abänderungen am Landschaftsleitbild in das Gesetz zu schmuggeln, die im Frühjahr 2023 durch den Umweltvorbericht gefallen waren, und zwar jene zum unterirdischen Bauen. Im Artikel 3 unter „Grundsatz der Einschränkung des Bodenverbrauchs“ finden wir just jenen Passus wieder, den die Umweltverbände bereits bei den Abänderungen zum Landschaftsleitbild vehement kritisiert hatten, weil die unterirdische Baumasse bereits vielen Höfen im wahrsten Sinne des Wortes einen „Beton“-Riegel untergeschoben hatte, was zum Abbruch vieler historischer Altbauten führte.
Ein Zugriffsrecht des Landes schaffen
Mit den Novellierungen bleibt das Bauwesen fast zur Gänze in der Kompetenz der Gemeinden. Die Umweltverbände haben bereits öfters beklagt, dass das Land damit sogar auf große urbanistische Fehlentscheidungen bei Durchführungsplänen und Bauleitplanänderungen keinen Einfluss und keinen Zugriff mehr hat, ebenso beim Ensembleschutz, womit dieser im wahrsten Sinne des Wortes „erledigt“ ist. Es wäre dringend anzuraten, jetzt die Möglichkeit zu nutzen, eine wirksame „Notbremse“ für Ausnahmefälle in das Landesgesetz einzubauen.
Rechtsunsicherheit und kein partizipativer Prozess
Bei der Einführung des Gesetzes für Raum und Landschaft 2018 war eines der Versprechen, für Rechtssicherheit zu sorgen. Sechs Novellierungen und knapp 500 Änderungen später ist nun klar, dass das Gegenteil eingetreten ist: Die Verunsicherung bei Bevölkerung, Planern, Gemeinden und Beamten ist größer denn je. Ständig wird korrigiert und dabei den Lobbys nachgegeben.
Doch bisher bestand immer noch die Hoffnung, dass mit der Ausarbeitung der Gemeindeentwicklungsprogramme ein demokratischer Prozess entsteht, bei dem die Bevölkerung und die Gemeindepolitik gemeinsam eine lebenswerte, nachhaltige und erreichbare Zukunftsvision ihrer Orte und Gemeinden entwickeln. Mit dem Streichen der Fristen fällt das Kernstück des Gesetzes. Die Geschichte des Raumordnungsgesetzes kommt einer Kapitulation auf Raten gleich.
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