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Das Bolzano Festival Bozen beginnt mit einer beliebten Tradition; dem Open Air Konzert des Haydn Orchesters im Semirurali Park. In dieser stimmungsvollen, ungezwungenen Atmosphäre dirigiert Beatrice Venezi ein Programm, das populäre Lieder in Orchesterarrangements von Armando Franceschini mit Mozarts Sinfonie Nr. 39 in Es-Dur verbindet.
Im Mittelpunkt der Arbeit von European Union Youth Orchestra und Gustav Mahler Jugendorchester steht stets das opulent besetzte sinfonische Repertoire des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Nach zwei Jahren, in denen die Pandemie den Klangkörpern personelle Obergrenzen diktierte, ist es nun wieder so weit, unter der Leitung großer Dirigenten und herausragender Solisten werden die „Auserwählten“ des europäischen Orchesternachwuchses an wahre Meilensteine der sinfonischen Literatur herangeführt. So ist beim EUYO etwa Strawinskys Sacre du Printemps, Strauss‘ Rosenkavalier Suite und Ravels La valse zu hören. Im ersten Programm unter der Leitung von Gustavo Gimeno ist der französische Starviolinist Renaud Capuçon mit Werken von Chausson und Saint-Saëns als Solist zu Gast, im zweiten Programm freuen wir uns besonders auf den amtierenden Busoni Preisträger Jae Hong Park, der Rachmaninows Rhapsodie über ein Thema von Paganini interpretieren wird. An diesem Abend unter der Leitung von Gianandrea Noseda wird das Orchester überdies mit Nexus eine Auftragskomposition von Hannah Kendall zur Uraufführung bringen.
Am 22. und 23. August ist das Gustav Mahler Jugendorchester unter der Leitung von Herbert Blomstedt zu erleben. Am ersten Konzertabend im Stadttheater dirigiert der Altmeister die 7. Sinfonie von Anton Bruckner, am folgenden Abend die Sinfonie Nr. 3 von Franz Schubert und die Sinfonie Nr. 2 von Jean Sibelius. In den mehr als 70 Jahren seiner Karriere hat Blomstedt sich den uneingeschränkten Respekt der musikalischen Welt erworben und kann mit Fug und Recht als kapellmeisterliches Jahrhundertgedächtnis bezeichnet werden. Für die junge Generation ist es von unschätzbarem Wert, sich von ihm als lebender Brücke in die Musikkultur des letzten Jahrhunderts durch sinfonische Welten leiten zu lassen – jeder einzelne seiner Besuche in Bozen ist ein unschätzbares Privileg für Musiker und Publikum!
30 Jahre Antiqua – Heilig und Mysteriös
Antiqua, das traditionsreiche Festival Alter Musik, erschließt stets aufs neue musikalisches Neuland und führt sein Publikum auf unbekannten Wegen zu auch selten gespielte Perlen des frühen, barocken und frühklassischen Repertoires. In dieser Ausgabe sind das Heilige und das Mysteriöse – the Sacred and the Mysterious – thematische Ausgangspunkte einer Reise zu außergewöhnlichen, mitunter von biblischen Texten und Themen inspirierten Werken. Vom Veni Domine in der Interpretation der Vokalgruppe Cupertinos, über das Werk Georg Friedrich Telemanns und einen harmonischen Gottesdienst der Accademia Hermans bis zur vielseitigen, aus Chile stammenden Cembalistin Catalina Vicens. Die Gruppe Capella de Ministrers ersucht den Schleier des Mysteriums um die geheimnisvolle Figur der Renaissancefürstin Lucrezia Borgia zu lüften, während Francesco Cera eine Art fiktives Cembalo-Duell zwischen Bach und Frescobaldi inszeniert. Claudio Astronio und Stefano Molardi sind wiederum in einer bisher unveröffentlichten Transkription der Konzerte für Cembalo und Orchester von Carl Philipp Emanuel Bach zu erleben. Größte Erwartungen rechtfertigt auch die Rückkehr des Lautenvirtuosen Hopkinson Smith, einer der größten Ikone der Alten Musik Szene. Und durch den Violinisten Jonas Zschenderlein und den Cembalisten Alexander von Heissen wird dem Festival schließlich noch eine gehörige Portion jugendlicher Frische eingehaucht.
Tastenfeuerwerk im Festivalprogramm, Busoni Klavierwettbewerb beginnt im November als Glocal Piano Project
Hochkarätiges Klavierprogramm im Bolzano Festival Bozen
Im August 2021 ging eine ausgesprochen erfolgreiche Finalphase des Busoni Wettbewerbs zu Ende, die von großem internationalen Interesse begleitet wurde und in der Preisverleihung an den herausragenden jungen Koreaner Jae Hong Park gipfelte, der in diesem Sommer als Solist beim EUYO nach Bozen zurückkehrt. Der Busoni Wettbewerb geht mit umfangreichen Neuerungen ins neue Biennium: Eine erste Jury wird ab Anfang Mai unter den Bewerbungen jene 100 Kandidat*innen mit dem größten Potential auswählen, die die erste öffentliche Bühne betreten dürfen – ausgewählte Steinway & Sons Vertretungen in aller Welt.
Doch kommen Klavierenthusiasten auch im sommerlichen Festival voll auf Ihre Kosten: Neben den russischen Ausnahmepianisten Arcadi Volodos und Grigory Sokolov und dem Debut des aktuellen Chopin-Preisträgers Bruce Liu darf sich das Publikum auf ein Wiedersehen mit Serena Valluzzi freuen die beim Busoni Finale im vergangenen Sommer durch ihre Musikalität und ihren ganz besonderen Stil bestach. Ein besonderes Konzert ist der für den 1. September angesetzte Klavierabend, denn als das Programm des Busonifestivals entstand, war kaum zu ahnen, welch völlig neue Konnotation dieser im Lichte des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erhalten würde. Drei junge ukrainische Pianisten werden dem großen, in Kiew geborenen Vladimir Horowitz ihre Hommage erweisen werden. Illia Ovcharenko, Roman Lopatynskyi und Antonii Baryshevskyi sind zugleich Preisträger des Busoni Wettbewerbs und des in Kiew ansässigen Horowitz Wettbewerbs. Dazu dürfen Liebhaber intensiver Konzerterlebnisse sich auf einen veritablen Skrjabin Marathon freuen, in dessen Rahmen alle zehn Klaviersonaten als intensive musikalisch-biografische Reise, von den Frühwerken bis zu kurz vor seinem Tod entstandenen Kompositionen aufgeführt werden. Die Protagonisten sind Alexandre Chenorkian, Daumants Liepins, Salih Can Gevrek, Axel Trolese, Luigi Carroccia und Lana Suran, angeleitet von ihrem Kurator und Mentor Louis Lortie, der den Abend mit einer kurzen Einführung eröffnen wird.
Frühere „Vorauswahlen” erneut im Format des weltweit stattfindenden Glocal Piano Projects
Das im ersten Pandemie-Jahr 2020 erfundene Format Glocal Piano Project wird modifiziert und fortgesetzt – die eindeutigen Vorzüge des für November 2022 angesetzten ersten Wettbewerbsdurchgangs liegen neben einer größeren logistischen Effizienz, nicht zuletzt durch verkürzte Anreisewege, in einer noch größeren Sichtbarkeit des Bozner Traditionswettbewerbs auf der ganzen Welt. Die Spielstätten, an denen das Glocal Piano Project diesmal auch vor einem möglichst zahlreichen, physisch anwesenden Publikum stattfinden soll, werden auf Grundlage der Wohn- und Aufenthaltsorte der ausgewählten Kandidat*innen definiert. Die Auftritte der jungen Künstler*innen werden dann unter möglichst gleichen Bedingungen von professionellen Filmteams gefilmt und auf verschiedenen Online-Plattformen verfügbar gemacht. Dort werden sie nicht nur von einer internationalen Jury bewertet, sondern auch von einem weltweiten Onlinepublikum, das erneut eingeladen ist, diesen Wettbewerbsdurchgang als großes Klavierfestival zu erleben und sich an der Abstimmung zu beteiligen.
Mahler Akademie mit Fokus auf Mahlers Originalklang und dessen historische Voraussetzungen
Die Gustav Mahler Akademie weitet den inhaltlichen Aktionsradius und schärft die eigene Identität. Im Anschluss an das klassische Akademieorchesterprojekt auf modernen Instrumenten – in diesem Jahr erneut mit Pablo Heras Casado – begibt man sich in der Erarbeitung von Gustav Mahler´s 9. Sinfonie auf die Suche nach deren Originalklang. Dank der Original-Instrumente aus der Sammlung des Euregio Kulturzentrums Toblach beschäftigt man sich zunächst in Bozen anhand von Kammermusik mit der Spielpraxis der vorvergangenen Jahrhundertwende. In Toblach als Ursprungsort der 9. Sinfonie von Mahler werden dann in einem Arbeitsblock diese Erkenntnisse in ein 3 teiliges Konzertprojekt fließen, das als Weltpremiere des Originalklangfprojektes von Toblach über Bozen nach Ferrara führt. Die Idee zu diesem Projekt stammt vom künstlerischen Kurator der Gustav Mahler Akademie, Philipp von Steinaecker. Die Produktion hat die Busoni-Mahler Stiftung inne in Zusammenarbeit mit dem Euregio Kulturzentrum Toblach. Die Interpreten sind die Gustav Mahler Akademie unter der Leitung von Philipp von Steinaecker.
Erstes Orchesterkonzert „kläre historische Vorbedingungen“
Bevor die Mahler Academy 2022 zu ihrem großen Mahler Originalklang Projekt ausholt, werden die historischen Rahmenbedingungen geklärt, dazu wenden sich die begabten Student*innen und ihre Mentor*innen jenem Komponisten zu, der die Epoche vor Mahler in Wien beherrschte: Johannes Brahms. Gemeinsam mit 12 Musikern des Mahler Chamber Orchestras und unter der Leitung des charismatischen Spaniers Pablo Heras-Casado werden sie Brahms Zweite Symphonie aufführen. In der ersten Hälfte wird der wunderbare Gewinner des Busoni Wettbewerbs 2019, Emanuil Ivanov, das erste Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven spielen.
Mahler Universum: Kammermusik-Soundtrack der Mahler Zeit
Weiter geht es bei der Mahler Academy 2022 dann mit der Erarbeitung von Kammermusikkonzerten auf Originalinstrumenten – die Streicher ziehen Darmsaiten auf, die Bläser greifen zu jenen Blasinstrumenten, die Mahler zwischen 1897 und 1907 für das Orchester der Wiener Hofoper gekauft hatte. In einem Medley aus einzelnen Sätzen, das die Wiener Musik-Epoche von 1887 bis 1925 umspannt, nähern sie sich Mahler zunächst noch indirekt über die Aufführung von Werken von Wolf, Brahms, Schönberg, Webern, Berg, Ravel, Bartok, Janacek, Varèse und Prokofiev.
Mahlers 9. im Mittelpunkt des Originalklang Projektes
Schließlich rekonstruieren das Mahler Academy Orchestra und Dirigent Philipp von Steinaecker mit dem Originalklang-Project jenen Klang, den Mahler beim Komponieren in seinem inneren Ohr gehört haben muss und füllen ihn mit neuem Leben. Zu diesem Zweck kommt eine Gruppe herausragender Musiker aus Europas Top-Ensembles in Toblach zusammen, um Seite an Seite mit den Studenten der Mahler Academy, Mahlers epische Neunte Symphonie zu proben und in Bozen, Toblach und Ferrara aufzuführen.
BFB Plus
Streicherakademie Bozen: Die Streicherakademie Bozen widmet sich in ihrem diesjährigen Sommerprogramm mit dem Titel Die Kunst der hohen Stimme: Farinelli und andere Helden dem Repertoire des 18. Jahrhunderts, vor allem Georg Friedrich Händels und seiner italienischen Zeitgenossen. Gastsolist ist der Countertenor Valer Barna-Sabadus.
Musica in Cortile: Nach dem Erfolg der vorherigen Festivalsommer erfährt auch das beliebte Format der Konzerte in den Innenhöfen diverser Bozner Kondominien eine Neuauflage. Kleine Ensembles des Monteverdi-Konservatoriums Bozen erfreuen die Bewohner*innen mit kurzen Konzerten unter freiem Himmel.
Kammerkonzerte EUYO & GMJO: Endlich ist es wieder möglich, dass Ensembles aus Mitgliedern der beiden Jugendorchester EUYO und GMJO kammermusikalische Beiträge zum Programm des Bozner Musiksommers beisteuern. Ein ganz besonderer Termin ist dabei sicher jenes Konzert, in dessen Rahmen unter dem Titel „Theresienstadt Erinnern“ Werke des am Todestag des 1941 im KZ Weißenburg verstorbenen Komponisten Erwin Schulhoff in der Passage der Erinnerung in der Reschenstraße zur Aufführung kommen. Ort und Termin der weiteren Kammermusiktermine werden zeitnah definiert.
Quelle: Sabine Funk/redSupport BARFUSS!
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