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Gustav Hofer
Veröffentlicht
am 16.05.2013
MeinungGesichter Italiens

Zarte Hände

Veröffentlicht
am 16.05.2013
Ein junger Maurer und seine Geschichte.
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Es ist ein Freitag Ende April 2013. Der Bahnsteig 3 am Bahnhof von Bologna ist rammelvoll. Das einzige verlängerte Wochenende des Jahres steht an. Jene, die es sich leisten können, warten auf die Frecciarossa, die sie nach Venedig, Rom oder Neapel bringt. Von der Marmorbank aus, auf der ich Platz genommen habe, sieht man den Riss in der Bahnhofsfassade, der an den Bombenanschlag vom 2. August 1980 erinnern soll. 85 Menschen haben bei diesem Attentat von Neofaschisten ihr Leben verloren.

Eine junge Afrikanerin nähert sich mir, sie hält ihren Fahrschein in der Hand. Hinter ihr ein junger Mann aus Osteuropa, der ihren schweren Koffer schleppt, dem die Rollen fehlen. Die junge Frau, sie stammt aus Nigeria, wie ich bald erfahre, fragt mich in gebrochenem Italienisch und mit freundlichen Augen nach der Abfahrtszeit des Intercity-Zuges nach Neapel. Ich muss sie enttäuschen: Der Intercity kommt immer zu spät und ihrer erst in 40 Minuten. Damit habe ich mich offenbar zur Informationsstelle habilitiert und so setzt sich ein noch jüngerer Mann an meine Seite. Hagere Statur, markante Gesichtszüge, Sonnenbrille, kurzes blondes Haar und weiß gebleichte Zähne, die auf eine Jugend mit Zahnspange hinweisen. In neapolitanischem Akzent will er wissen, ob er auf dem richtigen Bahnsteig steht, um mit dem Hochgeschwindigkeitszug nach Neapel zu kommen. Noch schneller kommen wir ins Gespräch.

Alfonso ist 23 Jahre alt. Er ist seit sechs Monaten in Modena und arbeitet als Maurer. Ich blicke verwundert auf seine zarten Hände. Er sei nicht immer Maurer gewesen, so erzählt er weiter, das sei nur eine Möglichkeit, die finanziellen Schwierigkeiten daheim zu überbrücken und ihm so sein Pharmazie-Studium an der Uni in Neapel zu finanzieren. Er will vermutlich Apotheker werden, auch wenn die Jobaussichten derzeit nicht gerade rosig sind. Sechs Prüfungen hat er dieses Semester trotz Rackerns am Bau ablegen können. Sein Vorarbeiter habe ihn ständig ermutigt, weiterzumachen und ihm dafür einige Freistunden genehmigt. Er sei nicht der einzige aus Neapel, die wie er in den Norden emigriert sind, um sich damit ihr Studium zu finanzieren. Daheim finden sie keinen Job. Mit einem gewissen Stolz erzählt er mir seine Geschichte, ohne sich über seine Situation zu beschweren. Dann fährt die Frecciarossa ein und Alfonso bricht auf, in sein wohlverdientes langes Wochenende nach Neapel.

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