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Mit geübten Bewegungen vermengt eine junge Frau Milch mit Lab und Zitronensäure und formt kleine Mozzarellabällchen aus der fest gewordenen Masse. Geschickt schneidet sie diese auf und drapiert sie neben Tomaten und Basilikum auf einem Teller. Anschließend widmet sie sich ihrer Focaccia und bereitet nebenher den Teig für die Pasta zu. Nara Smith steht in ihrer Küche und bereitet das Geburtstagsdinner für ihren Mann zu. Dabei trägt sie keine Schürze, wohl auch, um ihr 449 Dollar teures Designerkleid nicht zu verdecken. Mit seinen Puffärmeln und dem weiten Rock passt es perfekt zu ihrem Seitenscheitel im Stil der 1950er Jahre und den mit Lockenwickler geformten Locken. Nara Smith schaut so mühelos perfekt aus, es macht mir fast Angst. Und auch wenn ich diese Frau im Video wirklich wunderschön finde, würde ich lieber was drüberziehen, wenn ich Tomaten aufschneide – nur für alle Fälle.
Hilfe, die 50er sind zurück
Mehr als acht Millionen Menschen verfolgen den Hausfrauen-Content der 23-jährigen Kalifornierin auf TikTok. Schauen ihr zu, wie sie Brote, Kaugummi, Hustenmedikamente bis hin zu Deodorant und sogar Cola herstellt. Früher arbeitete Nara Smith als Model, heute sieht sie ihre Berufung als Mutter von drei Kindern und inszeniert sich als sogenannte „Tradwife“. Der Ausdruck leitet sich von den Worten „traditional wife“ (auf Deutsch: traditionelle Ehefrau) ab. So beschreiben sich einige Frauen der westlichen Welt, Frauen, die sich ausdrücklich für einen Lebensentwurf entscheiden, der den traditionellen Geschlechterrollen entspricht.
Die Tradwife feiert und romantisiert unbezahlte Carearbeit. Sie wischt, bäckt und gebärt und lebt für ihre Kinder und ihren Ehemann. Für diesen schmeißt sie sich in Designerkleider und ist vom Scheitel bis zu den hohen Schuhen perfekt gestylt. Ganz nach dem Motto eines Werbespots aus den 1950er Jahren: „Eigentlich hat sie es ja viel besser als er – sie darf backen! Sie wissen ja, eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?” Ob sie es wirklich „besser hatte“, bezweifle ich. Die 50er waren wirklich kein gutes Jahrzehnt für Frauen. Hier mal ein bisschen Geschichtskunde: Während des Zweiten Weltkriegs und in den unmittelbaren Nachkriegsjahren übernahmen viele Frauen Aufgaben, die traditionell ihre Männer ausgeübt haben. Mit deren Rückkehr aus dem Krieg sollten Frauen wieder „zurück an den Herd“ geschickt werden. Nicht nur Zeitschriften und Radiosender propagierten die Rolle der Frau als Hausfrau, es war sogar gesetzlich verankert. So mussten Männer beispielsweise ihren Frauen eine Erlaubnis erteilen, wenn diese einem Beruf nachgehen wollten. In der Regel kümmerte sich der Mann um das Einkommen, die Frau um die unbezahlte Carearbeit.
Auch, wenn es sicherlich nicht auf alle Tradwives zutrifft, so gibt es dennoch eine relativ große Schnittmenge zwischen der Hausfrauenbewegung und der Alt-Right-Bewegung in den USA.
Nicht nur deshalb waren meine ersten Gedanken, nachdem ich das Video gesehen habe: „Hä, wieso würden sich Frauen freiwillig so ein Lebensmodell antun?“ Der zweite Gedanke: „Wo bekomme ich Lab für selbstgemachte Mozzarella her?“ Denn zugegeben: Nara Smith hat mich mit ihrer einnehmenden Stimme so fasziniert, dass ich das Video bis zum Ende geschaut habe. Das änderte sich aber spätestens dann, nachdem ich unter den Videos von weiteren Hausfrauen, das Hashtag mit #Antifeminism entdeckte. Es war ja klar, dass es hier nicht nur um Backrezepte geht. Im Gegensatz dazu halten sich wieder andere Tradwives für die einzig wahren Feministinnen. Denn selbst schuld ist die Frau, die sich die doppelte Arbeit mit Beruf und Carearbeit antut. Schließlich sind es Frauen, die den Großteil der Hausarbeit leisten und die Kinderbetreuung übernehmen, deshalb häufiger in Teilzeit arbeiten und dementsprechend weniger verdienen. Und das, obwohl sie eigentlich die doppelte Belastung haben. Dafür kann Frau schon in Kauf nehmen, sich finanziell von ihrem Ehemann abhängig zu machen und die eigenen Träume hinten anzustellen, oder?
Der Hausfrauentrend wirkt wie eine Flucht zurück in die Vergangenheit, weit weg von unserer mit Krisen überschütteten Gegenwart. Dabei war es früher auch nicht besser. Es wusste nur niemand, was psychische Krankheiten wie Burnout sind. Tradwives sind genauso feministisch, wie die 1950er Jahre: nicht wirklich. Zumindest, wenn man nach den Videos auf Instagram und Tiktok geht. Denn mit wirklicher Carearbeit haben diese nichts zu tun. TikTok-Tradwives wechseln keine Windeln, putzen keine Toiletten und zeigen auch nicht, wie sie nach ihren Kocheinheiten aufräumen. In vielen Fällen übernimmt diese Aufgaben die Haushaltshilfe oder Nanny. Tradwives haben nie fettige Haare oder Augenringe, man sieht sie nicht mal schwitzen. Eine Hausfrau sein, kann nur, wer privilegiert ist und genug Geld hat. Denn der Mann muss so gut verdienen, dass er eine Großfamilie allein ernähren, die Nanny und Haushaltshilfe bezahlen kann und dann gibt es ja noch die Designerkleider.
Rechtsextremismus, Religion und Verschwörungserzählungen
Tradwives propagieren nicht nur traditionelle Geschlechterklischees und das Bild einer heteronormativen Familie, einige haben auch einen erzreligiösen Hintergrund. Da wäre zum Beispiel Tradwife Estee C. Williams, die findet, dass sich Frauen ihrem Ehemann unterzuordnen haben, denn schließlich predige das ja die Bibel. Williams, die offen Trump unterstützt, schlägt Hobbys wie Malen oder Nähen für den Lebensstil zuhause vor und gibt Tipps, wie sich Frauen einen „maskulinen Mann“ angeln können. Zudem sagt sie, dass eine Frau keinen höheren Bildungsabschluss brauche. Und auch, wenn das sicherlich nicht auf alle Tradwives zutrifft, so gibt es dennoch eine relativ große Schnittmenge zwischen der Hausfrauenbewegung und der „Alt-Right“-Bewegung in den USA. Dabei handelt es sich um eine rechtsextreme Sammelbewegung, die gemeinsam für eine Vorherrschaft der „weißen Rasse“ kämpfen. Und die ein Hausfrauenbild propagieren, bei dem es darum geht, so viele weiße Babys wie nur möglich zu gebären. Im Vergleich zu anderen Gruppierungen, wie zum Beispiel dem Ku-Klux-Klan, verbreiten sie ihre Ideologien häufig über Internetblogs und soziale Netzwerke. Eine in diesem Jahr veröffentlichten Studie von Media Matter zeigte auf, dass der TikTok-Algorithmus im Anschluss der Tradwives-Videos häufig politisch rechte Inhalte und Verschwörungserzählungen vorschlägt.
„Hauptsache er ist glücklich“
Die Tradwives sind zwar ursprünglich ein amerikanisches Phänomen, aber auch im deutschsprachigen Raum gibt es Influencerinnen mit Hausfrauenvideos, wie zum Beispiel „Malischka“ auf TikTok. Ihre Inhalte seien bewusst überspitzt und humoristisch, den Hausfraueninhalt meine sie trotzdem ernst, wie sie in einem Interview erklärte. Auf Malischkas Profil finden sich Videos mit dem Titel „Für dich ist jeden Tag Weltmännertag“, „Als Hausfrau darfst du ihn den ganzen Tag bekochen“ oder „Hauptsache er ist glücklich“. Klingt für mich eher nach einem Satireprojekt als nach Feminismus. Und wenn es doch nur um „Selbstverwirklichung“ und „Freiheit“ geht – denn damit versuchen die meisten zu argumentieren – dann frage ich mich dennoch, wieso es dann fast ausschließlich Frauen sind, die sich durch putzen, kochen, Windeln wechseln, „erfüllt fühlen“ und sich in eine lebenslange finanzielle Abhängigkeit begeben sollen. Ich bezweifle auch, dass Designerkleider und Markenstaubsauger „von Gott gegeben“ sind. Geschlechterrollen sind sozial konstruiert. Punkt.
Außerdem – und jetzt kommen wir zu dem Punkt, den ich persönlich ironisch, fast schon amüsant finde – Tradwives sind eigentlich ja Influencerinnen und somit gar nicht arbeitslos. Und ja, dabei handelt es sich um eine wirkliche Karriere. In den 1950er Jahren waren Frauen keine Social-Media-Stars. Tradwives passen eigentlich gar nicht zu der Rolle, die sie verkörpern. Ich würde sogar weitergehen: Einige Tradwives wie Nara Smith, mit Millionen von Follower:innen und damit einhergehenden Werbedeals, sind Unternehmerinnen, die gutes Geld verdienen. Meist um Welten mehr, als es ihre Ehemänner je tun werden. Und die mit ihren Videos großen Schaden anrichten, weil zahlreiche Mädchen und junge Frauen sie sich zum Vorbild nehmen. Und das in einer Zeit, in der rechte Demagogen sowohl in den USA als auch in Europa versuchen, die hart erkämpften Rechte von Frauen immer mehr zu beschränken.
Deep Dive:
Studie
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