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Es ist Sonntagnachmittag, die Sonne scheint, wir könnten uns jetzt an die Spree setzen, ein paar Bier trinken, doch wir stehen vor einem furchteinflößenden Tempel, aus dem dumpfe Bässe dröhnen, vor dessen Stahltür drei böse blickende Männer stehen. Wir wollen da rein – eine Freundin hat Geburtstag, sie hat es sich so gewünscht, sie will da drin feiern. Der dunkle Tempel ist der Club Berghain am Ostbahnhof. Der Club gilt als einer der besten Technoläden der Welt, und Berlin ist die europäische Hauptstadt des Techno.
Rückblick: Während im Juli 1990 die Rockfans an den damals noch brachliegenden Potsdamer Platz pilgerten, um dort Roger Waters monumentaler Aufführung von „The Wall“ beizuwohnen, huschten einzelne junge West- und Ost-Berliner, sich über die Nostalgiegeschwängertheit der Großveranstaltung wundernd, durch die Massen und versammelten sich in einem nahegelegenen Kellerloch, um die Zukunft einzuleiten: sie feierten die Eröffnungsparty des ersten Berliner Technoclubs Tresor.
Auf dem Potsdamer Platz stehen heute Wolkenkratzer, das einst graue Berlin ist zur Partymeilen-Stadt geworden. Tausende Touristen tanzen jeden Sommer in den unzähligen Clubs. Doch keiner dieser Läden verkörpert den Mythos des legendären Berliner Nachtlebens so sehr wie das Berghain. Nirgendwo ist die Tür härter. Nirgendwo soll hemmungsloser, freizügiger, sündhafter gefeiert werden. Samstagnacht wartet man mehrere Stunden in der Schlange. Vor den Türstehern angelangt, beginnt das ewig gleiche Spiel: Reinkommen oder draußen bleiben? Das Sein oder Nichtsein der Ausgehbühne.
Versuch einer Wie-kommt-man-rein-Anleitung, die am Ende doch nichts bringt: möglichst gleichgültiger Blick, bloß keine glasigen Augen, nicht zu schick angezogen, lieber Sneakers und Kapuzenpulli. Ich erinnere mich an die Schlangen der Provinzclubs meiner Jugend, daran, wie im Baila, im Max oder im Juwel die Mädchencliquen immer vorgelassen wurden. Mädchencliquen? Haben hier im ehemaligen Schwulenclub kaum eine Chance. Die Hardcore-Berghain-Gänger verschwinden Samstagnacht im dunklen Eingangsschlund, irgendwann montagmittags spuckt sie das Gebäude wieder aus. Nicht mehr ganz so Feierwütige gehen neuerdings sonntagnachmittags ins Berghain, ein paar Stunden tanzen, dann gegen Mitternacht wieder nach Hause.
Falls, ja falls das klappt an der Tür. Wir von der Geburtstagstruppe sind jetzt dort angelangt. Drei junge Frauen (aus dem Mädchencliquenalter raus), drei Jungs (einer davon schwul, einer davon mit typischem Berghain-Fünftagebart), die Chancen dürften nicht schlecht stehen. Die drei Türsteher mustern uns ganz langsam von oben bis unten, die Machtverhältnisse sind klar verteilt. Sie grinsen ihr Türstehergrinsen. Wir hoffen. Die Sekunden ziehen sich in die Länge und dann …
What happens in Berghain stays in Berghain – so lautet die Regel für die, die drin sind. Und wer nicht reinkommt schweigt auch darüber.
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