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Bettina Conci
Veröffentlicht
am 29.09.2015
MeinungPuffgeflüster

Polterabend

Veröffentlicht
am 29.09.2015
Über Sinn und Unsinn der Ehe, schlampige und geordnete Verhältnisse. Und dann klopft auch noch die Polizei.
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Im „Pink Flamingo“ geht es hoch her: Ein Junggesellenabschied hat den Blauen Salon belegt, und zwischen den grölenden Mannsbildern in Feierstimmung findet sich auch der ein oder andere Herr der Schöpfung, dem offensichtlich nicht so ganz wohl ist in seiner Haut. Melanie erbarmt sich und nimmt sich mit kaum verhohlenem Schmunzeln eines bereits leicht angegrauten Exemplars an, das schüchtern in der Ecke sitzt und angestrengt die Tapete mustert.

Melanie: Musst keine Angst haben, ich tu dir nix.

Schüchterner Mann (weicht hektisch zurück): Ich bin verheiratet!

Melanie: Ach so. Ich wollte nur – nun ja, ich tu dir trotzdem nix, wenn du nicht willst.

Schüchterner Mann: Natürlich will ich, äh, nix. Wir dachten nur, weil der Norbert doch – na ja, so ein Besuch im Puff gehört zum Polterabend dazu, nicht? Zuerst dachten wir schon an eine Stripperin, aber die gutaussehenden sind dann doch etwas, ähm, teuer, und dann haben wir überlegt, für das Geld…

Melanie: …könnt ihr ihm gleich das volle Programm spendieren, dem Norbert? Na, das nenne ich mal wahre Freundschaft! (tätschelt seine Hand)

Schüchterner Mann (lächelt sie zaghaft an): Ja, er ist ja auch ein super Kumpel. Und jetzt, wo er heiratet, werden wir ihn schon a bissl vermissen. Seine Zukünftige ist nämlich eine ziemliche, na ja, wie soll ich sagen, ein rechter Drachen, verstehen Sie?

Melanie (tätschelt nun sein Knie, woraufhin der Mann zurückzuckt): Du darfst schon „du“ sagen. Ich bin die Melli. Ach so ist das, ich verstehe. Er hat also eine von den Frauen, die nicht kochen können, nicht putzen wollen, und womöglich auch noch gerne Karriere machen würden? (verdreht die Augen in Richtung Elsa und Maria, was der schüchterne Herr allerdings nicht sieht)

Schüchterner Mann (eifrig nickend): Ganz genau! Woher weißt du das?

Melanie (haucht sinnlich in sein Ohr): Weibliche Intuition. (Elsa und Maria prusten fast los vor unterdrücktem Lachen)

Es ist schon merkwürdig. Irgendwie scheinen unsere Kunden alle den gleichen Typ Ehefrau zu Hause zu haben. Egoistische Weiber, die sich gehenlassen, sobald sie einen Ring am Finger haben, und ihre Männer total vernachlässigen. Weshalb die sich dann irgendwann nicht mehr zu helfen wissen und zu uns kommen. Und uns die Ohren volljammern. Während wir ihnen die Bierbäuche streicheln und das schüttere Haar kraulen.

Elsa: Wo warst du denn überhaupt diese Woche, Charlotte?

Ich: Ich? Ähm, nun ja, ich war… bei meiner… bei meiner Tante. Verdammt.

Melanie (kreischt vor Entzückung): Du hast gar keine Tante, stimmt’s? Deshalb bist du gerade rot geworden! Du kleines durchtriebenes Luder, du! Du hast ein Gspusi, gibs zu!

Herrgott nochmal. Dass man mir aber auch so leicht auf die Schliche kommt. Welche Nutte wird schon rot? Dabei kann man das zwischen mir und dem Berni wohl kaum als Gspusi bezeichnen. Und es ist es ja auch keinesfalls so, dass ich kein, ähm, Verhältnis haben darf. Es darf sich nur nicht auf meine Arbeit auswirken. Und das tut es nicht. Der Berni hat zwar so eine Ahnung, aber so richtig gebeichtet hab ich ihm das mit meinem Job nicht. Als ich beiläufig sagte, ich arbeite als Prostituierte, meinte er wohl, ich nähme ihn auf den Arm oder es wäre eine Metapher, denn er murmelte nur: „Ach so, Journalistin.“ Journalisten mag er nämlich nicht so, obwohl (oder weil?) er selbst welche beschäftigt, irgendwie. Sein Bruder ist sogar Chefredakteur. Berni selbst hat damit nichts am Hut, sagt er immer. Er ist Geschäftsmann, und anscheinend ein recht erfolgreicher, so nobel, wie er mich immer ausführt. Weil bisher hat er mich ja nur ausgeführt. Ganz gentlemanlike. Und ich stehe doch auf diese Alphatypen. Diese Aura von Macht, die sie ausstrahlen. Da werd ich so schwach wie andere Frauen nur bei einer Badewanne voller Rosenblüten oder weiß der Kuckuck was für einem romantischen Scheiß.

Melanie: Jetzt erzähl doch mal, Norbert, warum heiratest du denn überhaupt? In deinem Alter müsste man doch klüger sein.

Elsa: Lass ihn doch! Verlieben kann man sich in jedem Alter!

Schüchterner Mann (glucksend): Na ja, als verliebt würde ich die beiden jetzt nicht bezeichnen… der Norbert macht das nur, weil er ihr Gejammer nicht mehr ertragen kann… (lacht)

Martin (der jüngste der Polterrunde, aber auch schon über dreißig): Also, ich hab meine Laura nicht deshalb geheiratet…

Elsa: Seht ihr? Es gibt halt noch Romantiker! Und gottesfürchtige…

Martin: …sondern wegen der Beiträge! Wir wollten eben ein Haus bauen, das machen schließlich alle, und wir wären ja blöd gewesen, wenn wir das Geld nicht angenommen hätten. (Die Männer nicken zustimmend, während Melanie ob des betretenen Gesichtsausdrucks von Elsa in schallendes Gelächter ausbricht)

Melanie: Mach dir nichts draus, Elsie. Irgendwo heiratet sicher noch irgendwer aus Anstand und Moral heraus. Ah ja, und aus Liebe.

Ilona: Also, ich hab wegen meinen Eltern geheiratet.

Melanie: Was?

Ilona: Wegen meiner Eltern. Entschuldigung, Frau Deutschlehrerin.

Maria (ungeduldig): Nein, ich glaube, mit „Was?“ meinte sie eher „DU. WARST. VERHEIRATET?“

Ilona: Bin. Ich. Immer noch. Ich wollte einfach nur weg von zu Hause. Mein Vater war nicht gerade sehr nett zu meiner Mutter, und die wiederum ließ mich ständig spüren, dass ich nur auf der Welt bin, weil ihr Mann zu doof gewesen ist aufzupassen.

Elsa: Ja, und wo ist er jetzt, dein Mann?

Ilona: Zu Hause in der Slowakei, wo sonst? Ich bin abgehauen, als er sich von mir nur mehr bedienen lassen hat und fürs Vergnügen in den Puff ging. Da dachte ich mir, ich wechsle die Seite. Ich dachte mir, wenn ich im Puff arbeite, dann habe ich nur mehr mit den gutgelaunten, charmanten Männern zu tun, die ihre Launen daheim ausleben und hierher kommen, um Spaß zu haben.

Norbert (ein Rülpsen gerade noch unterdrückend): Ssssso issssses meine Ssssüße! Ssssum Wohl!

Plötzlich fliegt die Tür auf, die johlende Männerhorde verstummt mit einem Schlag, unter leisem Fluchen hie und da werden Kleider geordnet, Krawatten zurechtgerückt, und Norbert sucht fieberhaft nach seinem Toupet. Vor den erschrockenen Puffbewohnern und –gästen stehen zwei eigentlich recht harmlos anmutende uniformierte Männer, während hinter ihnen ein keuchender Jorge zu erklären versucht, dass er sie unmöglich an der Tür abwimmeln konnte.

Kommissar: Guten Abend, die Damen. (nickt in Richtung Poltertruppe) Meine Herren.

Maria (resolut): Also, Herr Kommissar, das ist jetzt aber nicht gerade die feine Art, hier einfach so hereinzuplatzen… (reibt sich besorgt die Hände) Unsere Gäste legen höchsten Wert auf Diskretion und Privatsphäre. Wenn ich Sie in unsere Teeküche bitten dürfte, da können wir uns ungestört unterhalten. (sie zögert kurz) Wenn Sie allerdings unseren Chef suchen, der ist nicht da. Der ist beim Herrn Bürgermeister, Verzeihung, Ex-Bürgermeister zum Essen eingeladen. Die haben was zu feiern, hat er gesagt. Ich hab nur Bahnhof verstanden.

Kommissar (unbeeindruckt): Wir suchen eine gewisse Frau Charlotte, man sagte uns, die sei hier zu finden. Sind Sie das?

Maria (nun etwas unfreundlicher): Nein, ich bin die Frau Maria. Und Sie sind…?

Kommissar: Grauner mein Name. Sie kennen nicht zufällig einen Herrn Melch?

Ups.

Maria: Melch? Den Melch? Berni Melch? Natürlich. Kennt den nicht jeder? Aber was hat die Charlotte…

Ich: Lass gut sein, Maria. Die wollen ja mich sprechen. Ist etwas passiert, Herr Kommissar?

Kommissar: Ich muss Sie bitten, uns aufs Revier zu begleiten, Frau Charlotte. Sie kennen Herrn Melch, ähm, persönlich?

Ich: Nun ja, kennen ist vielleicht übertrieben. Ihm ist doch nichts… zugestoßen?

Inspektor: A questo punto delle indagini non siamo autorizzati a fornire informazioni sullo stato della vitt- dell’individuo in questione, signorina.

Kommissar (verdreht die Augen): Na toll. Hören Sie nicht auf meinen Kollegen, Gnädigste. Er nimmts manchmal ein bisschen arg genau mit dem Polizeikauderwelsch. Claudio, fahr schon mal den Wagen vor, damit das Fräulein Charlotte nicht so weit gehen muss. (wendet sich wieder an mich) Wenn Sie doch bitte so nett wären, mit uns zu kommen. Ich verspreche Ihnen, Sie sind in zwei, drei Stündchen wieder an Ihrem Arbeitsplatz. Meine Frau kocht heute nämlich Knödel, und ich möchte nicht zu spät kommen, wenn sie sich schon die Mühe macht.

Elsa (schmachtend): Oh, wie süß. (zischt Melanie zu) Siehst du, der liebt seine Frau!

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