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Veröffentlicht
am 11.07.2025
MeinungWas junge Menschen in Südtirol über die Welt im Jahr 2050 denken

Ist KI die Zukunft der Menschheit?

Veröffentlicht
am 11.07.2025
Wie wird die Welt 2050 aussehen? Patrick Lanzinger aus Sexten denkt über Chancen, Risiken und Widersprüche der KI nach – und darüber, warum wir uns nicht fragen sollten, wie die Zukunft wird, sondern wie sie sein sollte.
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Die Frage nach der Zukunft kann manchmal verwirrend sein, vor allem dann, wenn wir bei der Recherche auf Vorhersagen stoßen, die die Thematiken nur von einer Seite her beleuchten. Beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) tritt dieses Phänomen noch stärker auf als bei anderen. Sämtliche Prognosen, die versuchen, die eine „Wahrheit“ über die Zukunft zu liefern, sind als spekulativ einzuordnen. Von ihnen wird meist nur ein einziges von vielen möglichen Szenarien skizziert. Dieser Ansatz ist wenig zielführend, denn es sind zu viele Variablen im Spiel.

Und doch scheint es einige Konstanten zu geben, die grobe Annahmen und Theorien über die Zukunft zulassen. Bei einer Sache bin ich mir ziemlich sicher: Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Es gibt Grund zur Annahme, dass sie in bestimmten Sektoren und Disziplinen zu einem exponentiellen Fortschritt führen könnte. Es mag uns schwerfallen, diese Entwicklungen aus heutiger Perspektive zu begreifen; doch vielleicht spielt uns hier unser eigener Verstand einen Streich. Schon länger ist bekannt, dass der durch lineares Denken geprägte menschliche Verstand Schwierigkeiten hat, exponentielles Wachstum zu erfassen. In diesem Zusammenhang erscheint mir ein Zitat, das Bill Gates zugeschrieben wird, besonders treffend: „People tend to overestimate what can be done in one year and to underestimate what can be done in five or ten years.“

Wenn heute von KI-Systemen die Rede ist, verstehen die meisten darunter Chatbots wie ChatGPT, Gemini oder Claude.

Wenn heute von KI-Systemen die Rede ist, verstehen die meisten darunter Chatbots wie ChatGPT, Gemini oder Claude. Diese Tools sind als generative KI bekannt und unterstützen uns bei alltäglichen Aufgaben. Der Anwendungsbereich des digitalen „Assistenten“ ist bereits weit verbreitet und erweitert sich gefühlt von Tag zu Tag. Egal, ob man eine Präsentation für das Meeting mit den Arbeitskollegen vorbereitet, eine E-mail formulieren lässt, Bilder und Videos erstellt oder sogar eine App entwickelt. Wenn wir uns jedoch genauer ansehen, wo KI überall eingesetzt werden soll, so können wir erkennen, dass der digitale Assistent nur die Spitze des Eisbergs ist.

Tatsächlich erscheint eine Vielzahl an Themenfeldern, wenn wir unseren Fokus auf das Jahr 2050 richten. Besonders zwei davon möchte ich aufgreifen, da ich davon ausgehe, dass sie in den kommenden 25 Jahren eine zentrale Rolle spielen könnten. Es sind KI-gestützte Medizin und die Interaktion von künstlicher Intelligenz mit der physischen Welt, besser bekannt als humanoide Roboter.

Ein anschauliches Beispiel für „intelligente“ Medizin ist AlphaFold von DeepMind (Google). Dieses System ermöglicht es, die 3D-Struktur von Proteinen vorherzusagen. Es soll uns Menschen dabei helfen, neue Medikamente zu entwickeln und ein Verständnis von Krankheiten auf molekularer Ebene zu schaffen. Bei der Robotik sind die Pläne von Nvidia besonders spannend. Dort werden Roboter mit Isaac Gym, einer virtuellen 3D-Umgebung, unter realistischen physikalischen Bedingungen trainiert. Anschließend wird das in der virtuellen Welt erlernte Verhalten auf physische Roboter übertragen. Die Anwendungsbereiche sind nahezu grenzenlos. Die „schlauen“ Roboter können mit der realen Welt genauso interagieren wie wir, vielleicht sogar noch besser.

Manche sagen eine Superintelligenz (AGI) bereits bis 2027 voraus, während andere vor einem neuen „KI-Winter“ warnen.

Natürlich gibt es auch Limitierungen. Wer aktuell die öffentliche Debatte verfolgt, wird schnell feststellen, dass es auch unter Expert:innen unterschiedliche Einschätzungen darüber gibt, wie „disruptiv“ künstliche Intelligenz tatsächlich sein wird. Manche sagen eine Superintelligenz (AGI) bereits bis 2027 voraus, während andere vor einem neuen „KI-Winter“ warnen. So bezeichnet man im Rückblick eine Phase in der Vergangenheit, in der die hohen Erwartungen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz nicht erfüllt wurden. Anschließend hatte dies zur Folge, dass öffentliche Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung stark nachließen. Ich halte beide Vorhersagen jeweils für eine Extremposition. Wie so oft könnte die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen.

Es gibt jedoch eine Thematik, welche die Adaption von KI tatsächlich rein pragmatisch ausbremsen könnte. Was tun wir, wenn uns der Strom fehlt? Dieses Argument wird im Kontext der fortschreitenden Implementierung von KI-Systemen meist übersehen. So soll allein der Energiebedarf für die Datenzentren bis 2030 um ein Vielfaches ansteigen. Dabei wurden andere Faktoren wie fortschreitende Elektrifizierung von Mobilität, Heizungen usw. noch gar nicht berücksichtigt. Droht uns also der Blackout? Man sollte den Teufel nicht an die Wand malen. Denn paradoxerweise kann KI sogar ein Teil der Lösung sein. Der erste Schritt wird es sein, die Stromnetze resilienter und smarter zu machen. KI-Systeme können dabei helfen, eine optimale Verteilung der Energie durch datenbasierte Analysen zu erreichen. Auch könnte sie dabei helfen, Batterien und andere Formen der Energiespeicherung zu verbessern. Parallel dazu müssen wir die bereits vorhandenen Energieträger so effizient wie möglich nutzen und massiv ausbauen. Das Ziel sollte ein verlässlicher und nachhaltiger Strommix sein. Vielleicht schaffen wir es mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz sogar, Fusionsreaktoren kommerziell nutzbar zu machen.

Doch welche Veränderungen wird es in Wirtschaft und Gesellschaft geben?

Bei manchen geht aktuell die Angst um, dass sie ihren Arbeitsplatz an die KI verlieren könnten. Ich glaube, es kann eines von zwei Szenarien eintreten. Erstens eine Welt, in der menschliche Arbeitnehmer mit der künstlichen Intelligenz um Produktivität, Output und geringere Kosten konkurrieren. Oder zweitens eine Welt, in der die menschliche Arbeitskraft die durch die KI-Systeme gewonnene Produktivität nutzt, um in derselben Zeitspanne wie zuvor einen viel größeren Mehrwert zu schaffen. Diese Fragestellungen müssen jedoch auf gesellschaftlicher Ebene diskutiert und passende Lösungen gefunden werden. In freien Märkten kommt zudem den Verbrauchern eine Verantwortung zu. Sollte man bei einem Unternehmen einkaufen, das alle Arbeitsplätze gestrichen hat, um die Kosten zu senken, oder sollte man bei einem Unternehmen einkaufen, das eine Synergie zwischen Menschen und Maschinen ermöglicht?

Haben Sie sich in letzter Zeit mal die Frage gestellt, wo die europäischen KI-Systeme geblieben sind?

Einen letzten Punkt möchte ich im Ausblick auf die kommenden Jahre vor allem für uns Europäer:innen ansprechen. Haben Sie sich in letzter Zeit mal die Frage gestellt, wo die europäischen KI-Systeme geblieben sind? Zugegeben, mittlerweile gibt es Modelle, die in Europa entwickelt werden. Leider konnten diese Systeme bis jetzt nicht zu den Konkurrenten aus China und den USA aufschließen. Es kommt mir so vor, als hätten wir ein strukturelles Problem bei der Implementierung und Umsetzung technischer Innovationen. Dabei fehlt es uns nicht an kompetenten Leuten. Im Gegenteil, die europäische Grundlagenforschung hat viele der heutigen Technologien erst möglich gemacht. Der Knackpunkt scheint in der Umsetzung zu liegen. Auch die beste Idee bringt wenig, wenn sie bereits vor ihrem Weg zu einem Produkt mit Regulierungen überzogen und dadurch eigentlich bereits begraben wird. Ich bin deshalb der Überzeugung, dass es an der Zeit ist, den Regulierungsprozess in Europa zu überdenken. Ganz nach dem Motto: zuerst machen und dann regulieren. Dies wird notwendig sein, um in technischen Angelegenheiten nicht weiter von Asien und Amerika abgehängt zu werden.

Was bringt demnach die Zukunft? Wie sieht das Jahr 2050 aus?

Die Zukunft strahlt seit jeher eine ungeheure Faszination auf die Menschheit aus. Wir versuchen, uns vorzustellen, wie das Leben aussehen wird oder wie wir unsere Zeit verbringen werden. Zwangsläufig stellt sich bei all diesen Überlegungen die Frage: Wie wird die Welt in x Jahren aussehen? Diese Frage hat ihre Ambivalenzen. Für mich klingt sie fast so, als sei die Zukunft bereits vorbestimmt. Doch ich möchte mich nicht in der passiven Rolle des Beobachters wiederfinden, der einfach nur abwartet, bis etwas passiert. Persönlich glaube ich an eine Zukunft, die durch die Entscheidungen und Taten von heute beeinflusst und geformt wird. Dabei sollten wir so handeln, dass wir jene Zukunft erhalten, die wir uns wünschen. Deshalb stelle ich mir nicht die Frage, wie die Zukunft sein wird, sondern wie sie sein sollte.

Patrick Lanzinger, geboren 2001, Sexten

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