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Die Bibel ist das meistgelesene, meistverkaufte und meistverbreitete Buch auf Erden. Nach dem Ikea-Katalog. Der ist nämlich – man glaubt es kaum – das auflagenstärkste Druckerzeugnis der Gegenwart. Darum blätterte wohl nicht nur der bekannte Literaturkritiker Hellmuth Karasek gerne darin, sondern auch ich.
„Es sind die kleinen Dinge, die einen Tag besonders machen“, lese ich in großen Druckbuchstaben auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe und schiebe mir kurz später eine schwedische Süßigkeit vom Ikea-Buffet in den Mund. Wer liebt es nicht, mit seinem Einkaufswagen durch die Möbelausstellung zu surfen, mit den kleinen, perfekt gespitzten Holzbleistiften Dinge zu notieren, die man am Ende doch nicht kauft, Köttbullar, Grönsakskaka und Pannkakor zu verdrücken und sich danach vom unendlich weitläufigen unteren Geschoss verschlingen zu lassen, um die zigste Bettwäsche auszusuchen und all die praktischen, kleinen Dinge zu kaufen, die man doch (nicht) so dringend in seinem Zuhause braucht. Wer liebt es nicht, sich am Ende beim Passieren der Schranke an der Kasse wie ein Marathonläufer beim Zieleinlauf zu fühlen – total erschöpft, aber glücklich. Wer liebt sie nicht, diese gelb-blaue Miniaturwelt, die vom Essen übers Bett bis hin zum Babysitter alles in sich trägt?
Wir zumindest lieben sie, denn Ikea hat für so ziemlich jeden Wandel eines Ypsiloners das passende Produkt mit schwedischem Namen parat und ist so immer wieder Begleiter auf den verschiedenen Lebensstufen unserer Generation.
Wohnst du noch, oder lebst du schon?
Ikea-Besuche kenne ich schon aus meiner Kindheit. Damals, als die Fahrt nach Innsbruck noch ein eintägiger Familienausflug war und man die Grenze passiert hat, weil „draußen“ alles günstiger war. Das erste Mal aktive Ikea-Besucherin war ich dann erst, als ich für mein Studium von daheim ausgezogen bin. Vor fünf Jahren, als ich mich zum ersten Mal neu erfinden durfte. Alles in weiß. Quadratisch, praktisch, gut. „Billy“ hat meine ganze Studienzeit über tapfer meine schweren Grammatikbücher getragen und nie schlapp gemacht. Nun steht er in meiner ersten eigenen Wohnung und wartet auf neue Freunde. Und irgendwann trägt „Billy“ dann vielleicht sogar die Spielsachen meiner Kinder, die ich beim Aussuchen neuer Kindermöbel bequem im Småland abgeben werde.
So schön es auch wäre, für jedes Möbelstück das passende Budget zur Verfügung zu haben, ist das aufgrund des Lebensstils bei uns Ypsilonern leider nicht der Fall. Und weil auf unseren Konten auch nicht die 39 Milliarden Euro des Ikea-Gründers Ingvar Kamprad liegen, müssen wir eben Prioritäten setzen – oder so wie Kamprad beim Einkauf immer noch Treuepunkte sammeln.
Wenn wir also zwischen einem vierstelligen Flugpreis und einem vierstelligen Küchenzeilenpreis entscheiden müssen, nehmen wir lieber Ersteres und improvisieren bei Zweiterem. Deshalb wird es diesmal auch in meinen vier Wänden ein Mix aus alt und neu werden. Vintage meets Ikea, das ist Ypsilon.
Ypsiloner mögen Möbel, die stylisch, einfach zu putzen, multifunktional und tragbar sind, sagt die Wissenschaft. Die Zeiten, in denen man sein gesamtes Vermögen beim Tischler ausgegeben hat, um diese Qualitäten erfüllen zu können, sind vorbei. Wir wollen unsere Unterhosen nicht jahrelang in derselben Eichenkommode und unsere Teller in denselben Nussbaumschrank stapeln. Wir sind die Generation der Flexibilität und das drücken wir auch in unseren Möbeln aus.
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