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Veröffentlicht
am 10.10.2023
MeinungSo sig is

Fehl am Platz: Katholische Kirche im Leben junger Menschen

Veröffentlicht
am 10.10.2023
Gedanken junger Menschen und die Vorstellungen der katholischen Kirche sind inkompatibel, meint die junge Autorin Isabella Rauch. Dies erklärt auch die geringe Anzahl an jungen Menschen in der Kirche. Doch was sind die wahren Probleme und mögliche Lösungen?
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Immer weniger junge Menschen gehen in die Kirche. Dies war der Inhalt der Fürbitte neulich in der Messe. Stimmen tut dies gewiss, in der Kirche sieht man überwiegend ältere Menschen. Doch woran liegt das? Sind die jungen Menschen einfach kirchenfaul geworden, liegt es an den Umständen, die in und um die Kirche vorherrschen oder an der mangelnden Anpassung der Kirche an die fortschrittlichen Gedanken, die die jungen Menschen beschäftigen? Wahrscheinlich eine Kombination aus allen drei Möglichkeiten, doch hauptsächlich sind die Vorstellungen der katholischen Kirche mit denen der Jugendlichen inkompatibel.

Stellen wir uns vor, in der Kirche würden alle miteinbezogen, statt Fürbitten würden Papierflieger mit eigenen Bitten beschrieben und in Richtung Altar fliegen gelassen, statt der Orgel und der alteingesessenen Kirchenchormitglieder würden Gitarren benutzt und der Jugendchor würde singen und der Segen würde mithilfe von Konfetti verteilt. Eine spritzige und spannende Vorstellung, doch stattdessen führt der Priester einen Monolog, der durch einen kurzen Monolog einer Lektorin ergänzt wird und auf welche die Kirchengänger*innen mit „Ja“ und „Amen“ antworten.

Doch nicht nur in der Kirche sieht man immer weniger Jugendliche, sondern sie nutzen auch kaum mehr den Religionsunterricht. Die meisten Ministrant*innen geben ihr Amt auf, sobald sie in die Oberschule gehen, wenn sie überhaupt so lange durchhalten. In diesem Alter beginnt man nämlich über Umstände in der Kirche nachzudenken und die Dinge, die gesagt und getan werden zu verstehen und zu verurteilen.

Die Vertreter der katholischen Kirche in Südtirol sind natürlich nicht diskriminierend, schließen niemanden aus und verurteilen keine Menschen, die anders sind, außer vielleicht Homosexuelle, Menschen mit anderer Hautfarbe, Frauen, die eine Abtreibung durchgeführt haben, Menschen, die vor der Ehe Geschlechtsverkehr hatten, Menschen mit einer anderen Religionszugehörigkeit. Und diese Liste kann man wohl sehr lange weiterführen.

Vor nicht allzu langer Zeit wurden auch Missbrauchsfälle in der Kirche bekannt, doch Aufarbeitung – Fehlanzeige. Sexueller Missbrauch von Kindern, der gedeckt und sogar verteidigt wurde, wird nun nicht aufgearbeitet. Die Frage ist nur: Warum wurde/wird von Seiten der Kirche geschwiegen? Was sollen Jugendliche von diesem Verhalten halten?

Junge Menschen suchen junge Vorbilder und haben moderne Gedanken, beides Dinge, die sie in der katholischen Kirche nicht finden. Kaum ein Priester in unserer Gemeinde ist jünger als 40 Jahre und fast keiner hat moderne Gedanken. Altmodische Priester und langweilige Predigten werden Jugendliche sicherlich nicht davon überzeugen, in die Kirche zu gehen und sich dort zu betätigen. Überraschung: Da helfen auch keine Fürbitten, die dies kritisieren.

In unserer Kirche haben wir am Ostersonntag keinen Priester, der die Messe leitet, aufgrund von Personalproblemen, aber Frauen im Priesterdienst wären eine Katastrophe. Frauen sind nämlich, aus welchen Gründen auch immer, absolut nicht fähig dazu, mit Gott zu kommunizieren, den Gläubigen die Worte Gottes nahezubringen und die heilige Kommunion zu segnen. In der evangelischen Kirche wiederum stellen Priesterinnen kein Problem dar.

Auch das Zölibat ist längst ein veraltetes Prinzip, das wahrscheinlich für kaum Jugendliche Sinn ergibt. Warum dürfen Priester keine Familie gründen und keine Ehefrau oder keinen Ehemann haben?

Außerdem versteht kaum ein junger Mensch die Evangelien, die Predigten und die Gebete. Wie auch? Die Evangelien wurden schließlich vor knapp 2000 Jahren geschrieben. Was also bewegt uns, dies immer noch zu lesen, anzuhören und zu beten? Glauben junge Menschen heutzutage wirklich noch an Gott, an den Schöpfer des Himmels und der Erde und an seinen Sohn Jesus Christus, an die heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen und das ewige Leben oder sind das einfach nur auswendig gelernte Phrasen, die man runterrattert?

Auch die Kleidungsordnung ist ein leidiges Thema: keine kurzen Hosen, Schultern bedecken, Knie bedecken. Warum? Hat dies wirklich etwas mit Respekt Gott gegenüber zu tun? Und warum liefern sich Menschen dann an großen Festen eine Modeschau in der Kirche? Ist dies Sinn eines Kirchganges? Wohl eher nicht.

Auch Sexualität ist ein schwieriges Thema, wo Kirche und Jugend sehr auseinandergehen. Jugendliche sind offener bei Themen wie Homosexualität, Sex vor der Ehe und Abtreibungen. Hingegen sind viele ältere Menschen im Kirchendienst gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen, gegen Sex vor der Ehe und sehen Abtreibungen als Auftragsmord an.

Aufgrund dieser Umstände sind sich viele, vor allem junge Menschen, einig: eine Reform der katholischen Kirche ist dringend nötig. Andere denken eine Umstrukturierung und Modernisierung sei unnötig, denn schließlich war es schon immer so und Traditionen dürfen natürlich nicht gebrochen werden. Diskriminierungen, Missbrauchsfälle und Fremdbestimmung sind damit total plausibel erklärt. „Es war immer schon so.“

Immer öfter fühlen sich Jugendliche in der katholischen Kirche fehl am Platz, doch Jesus selbst sagte: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Joh 6,37b). Egal welche Sexualität, welche Hautfarbe, welche Vergangenheit, welche Entscheidung sein Leben zu leben, Kirche sollte ein Platz für alle sein, sollte verbinden und ein Netz sein, das einen in schwierigen Momenten auffängt. Dann werden auch Fürbitten wie die am Anfang meines Textes überflüssig sein.

Text: Isabella Rauch

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