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Als verlorene Generation hat Ex-Ministerpräsident Mario Monti im August 2012 die 30- bis 40-Jährigen in Italien bezeichnet, die bisher mehr Zeit mit der Jobsuche als mit einer festen Arbeit verbracht haben. Gut ausgebildet, aber perspektivlos – man solle sich lieber auf die wirklich Jungen konzentrieren: Diese Generation ist eben ein Opfer einer falschen Politik. Zu diesen Verlierern der Geschichte gehört laut Monti sicher auch Bartolo Mancuso, Mitte 30, geboren auf Sizilien. Wie ich glaubte er an eine andere, bessere Welt (Un altro mondo è possibile), an den Traum der Demonstranten vom G8-Gipfel in Genua im Jahr 2001, der für viele mit den Todesschüssen aus einem Carabinieri-Jeep begraben wurde.
Doch Bartolo ließ sich seinen Glauben nicht nehmen, er beendete sein Jurastudium und zog nach Rom. Dort besetzte er leerstehende Häuser für jene, die sich die Wuchermieten in der ewigen Stadt nicht leisten konnten. Das wurde vorerst zu seiner Mission. Vor einem Jahr schuf er mit Freunden im Stadtviertel San Giovanni einen Ort der Begegnung. So entstand das Zentrum SCuP („Sport e cultura popolare“). In einem seit Jahren brachliegenden Gebäude schwitzen seitdem über 200 Leute beim Kickboxing, Thai Chi, Yoga oder Hip Hop in der Turnhalle im Erdgeschoss. Kinder spielen unter Aufsicht einer Pädagogin in einer Kinderstube im Mezzanin, während nebenan in der Osteria degli ScupPiatti neue Rezepte ausprobiert werden. Der Duft breitet sich auf die darüber liegenden Räume aus, wo Spanisch, Arabisch, Französisch und sogar Deutsch unterrichtet wird. Nebenan bietet eine Psychotherapeutin ihre Dienste an: zu einem Preis, den sich jeder leisten kann. Und Radio Sonar im Raum daneben überträgt live via Web in die ganze Welt.
Bartolo ist stolz auf diesen Ort voller Leben. Er strahlt über das ganze Gesicht, während er mich durch diese Räume führt. Er betont, dass alle, die hier ihr Können der Gemeinschaft zur Verfügung stellen, honoriert werden. Es sind zwar wenige hundert Euro, aber in mageren Zeiten ist das immerhin eine Hilfe. Er spricht von einem „neuen Welfare“, einem selbstgemachten Sozialfürsorgesystem in einem Land, in dem die Aufgaben des Staates immer öfter von seinen Bürgern übernommen werden – und nicht zuletzt von jener Generation, die Monti als verloren bezeichnet hat.
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