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Ich bin inmitten von Weinbergen aufgewachsen, Wein war immer da, aber Wein hat mich nie sonderlich interessiert. Als Jugendlicher wäre ich nie auf die Idee gekommen, irgendwann etwas mit Wein zu machen. Als Jugendliche haben wir lieber Bacardi-Cola getrunken und im Studium in Bologna lieber Bier. Es gibt eine Birreria in der Via Del Pratello, da gab es die Maß recht günstig. Da saßen wir paar Südtiroler dann oft an einem Tisch zusammen und tranken. Die Italiener (die nie so viel tranken und eigentlich lieber auf der Piazza herumsaßen) staunten darüber, wie viel wir Südtiroler trinken konnten. „'Sti tedeschi!“, sagten sie. Und wir erklärten ihnen lallend, wie das ist mit Südtirol und dass unser Italienisch nicht so komisch klingt, weil wir betrunken sind, sondern weil es nicht unsere Muttersprache ist.
In Südtirol haben wir entweder Forst getrunken oder Warsteiner. Mehr gab es meistens nicht. Wenn ich hier in Berlin, wo ich nun lebe, einfach „ein Bier“ bestelle, dann lacht mich die Bedienung aus. Oder sie schaut böse, weil sie keine Lust auf blöde Witze hat. Es gibt Helles, es gibt Dunkles, es gibt Pils oder Weizen oder Alt oder Kölsch und das alles von unzähligen Brauereien. Ich kenne mich da überhaupt nicht aus und bestelle, um mich nicht zu blamierten, ein Heineken aus der Flasche.
Vom Wein verstehe ich ebenfalls immer noch nicht viel, aber in Berlin reicht es meistens, so zu tun als ob. Früher habe ich manchmal eine gute Flasche mitgebracht, wenn ich irgendwo eingeladen war, das mache ich meistens nicht mehr. Der Wein wurde dann in Kaffeetassen oder in Plastikbechern rumgereicht. Wenn ich einlade, dann mache ich mittlerweile recht geschickt einen auf Weinkenner. Gute Weingläser, ein ordentliches Weinregal, beim Schwenken des Weines im Glas stelle ich mich inzwischen recht geschickt an, ich habe einen guten prüfenden Blick drauf, ich erzähle irgendetwas von den Vor- und Nachteilen des Korkverschlusses und davon, wie sehr die Konsistenz des Bodens den Wein beeinflusst, dass der Riesling der König der Weißweine ist, dass sich bei der Erderwärmung Deutschland zu einem exzellenten Weinland entwickeln wird und dass mein Großvater natürlich Gewürztraminer anbaut.
Da wird mit oft erst bewusst, wie märchenhaft das alles wirken muss, wenn ich von zu Hause erzähle: von unserem Haus inmitten der Weinberge, von meinem Opa, der Weinbauer ist, davon, dass wir als Jugendliche immer noch in einen Keller sind, wenn die letzte Bar im Dorf zugemacht hat, dass wir dort noch Wein getrunken und dazu Speck gegessen haben. Aber es ist ja kein Märchen. Es war ja wirklich so. Meine deutschen Freunde schauen dann immer so, wie man schaut, wenn einer davon erzählt, wie es ist, da zu leben, wo andere Urlaub machen. Und sie fragen mich, was ich hier eigentlich mache, hier im kalten Berlin. Und manchmal, gerade jetzt, wenn die Temperaturen wieder sinken, frage ich mich das auch. In Südtirol freut man sich nach einem langen Sommer auf einen langen Winter, weil man dann Skifahren geht. Hier freut man sich nach einem kurzen Sommer auf gar nichts, weil schon wieder ein langer Winter kommt und man nichts machen kann außer zu Hause zu bleiben und Wein zu trinken.
Ein bisschen interessiere ich mich mittlerweile für Wein. Im Herbst habe ich einen Kurzurlaub im Elsass gemacht. Wir sind die Elsässer-Weinstraße entlang gefahren. Dort sieht es so aus wie zu Hause. Wir spazierten durch die Dörfer. Sie sehen aus wie mein Heimatdorf. Und es riecht genauso. Wenige Tage vor unserem Urlaub wurde im Elsass gewimmt. Es roch nach Heimat.
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