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Veröffentlicht
am 10.11.2022
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„Wir wollen zur Modellregion werden“

Veröffentlicht
am 10.11.2022
Im Jahr 2030 soll ein Fünftel aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Möglich machen soll das der neue Fahrradmobilitätsplan. Landesrat Daniel Alfreider und Harald Reiterer, Leiter des STA-Bereichs Green Mobility, über das Ziel, Südtirol zur Modellregion für Radmobilität zu machen.
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„Der neue und erste Radmobilitätsplan ist ein Planungs- und Strategiedokument zur Verbesserung der Radmobilität in Südtirol“, sagt Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider. „Er kann ganz Vieles leisten: Er definiert die politischen, strategischen und organisatorischen Ziele für die Südtiroler Landespolitik und Verwaltung, also eine klare Zielsetzung, wohin sich Südtirol in Sachen Radmobilität verbessern will.“ Neben normativen und technischen Details enthält er zahlreiche Umsetzungsideen für Gemeindeverwalter, Unternehmen oder Bildungseinrichtungen, damit jeder und jede in seinem Bereich die Radmobilität fördern kann. Außerdem ist der Radmobilitätsplan auch eine sympathisch lesbare Publikation für jeden Bürger und jede Bürgerin, die sich mit dem Thema Fahrrad beschäftigt, ist sich Daniel Alfreider im Interview sicher.

Wie soll die Radmobilität gesteigert werden: Genügt es, das Radwegenetz zu erweitern, oder woran muss noch gearbeitet werden?
Daniel Alfreider:
Es braucht ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Natürlich ist die Infrastruktur sehr wichtig, weil sie die Grundlage dafür schafft, dass jemand mit dem Rad bequem von A nach B kommt. Aber es geht dabei nicht nur um Radwege, parallel dazu müssen auch Straßen innerorts zugunsten des Rads angepasst werden. Dazu gehören Tempo-30-Zonen oder verkehrsberuhigte Zonen ebenso wie zum Beispiel vorgezogene Haltelinien für Radfahrer bei Ampeln oder die Radstreifen. Radfahrstreifen, wie sie unlängst in Bruneck, Brixen und Welsberg sehr gut umgesetzt wurden, sind flexible und günstige Lösungen, um dem Radfahrer und der Radfahrerin mehr Sichtbarkeit und damit mehr Sicherheit zu geben. Es geht darum, dass der Radfahrer und die Radfahrerin einen deutlich höheren Stellenwert im Verkehrsgeschehen erhält. Neben der Infrastruktur muss aber auch an der Sensibilität und der Kultur für das Rad gearbeitet werden, das eine funktioniert nicht ohne das andere. Viele Gemeinden und die Bezirksgemeinschaften haben den Zeitgeist erkannt und sich auf den Weg gemacht, zahlreiche Projekte pro Fahrrad umzusetzen – als Land Südtirol unterstützen wir sie dabei nach Möglichkeit.

Welche Ziele sollen bis 2030 erreicht werden?
Das deklarierte Ziel im Fahrradmobilitätsplan ist die Erhöhung des Radverkehrsanteil auf 20 Prozent. Wichtig ist es, den Anteil jener Menschen, die für die täglichen Fahrten unter fünf Kilometer das Rad verwenden, deutlich zu erhöhen. Wir arbeiten gerade am neuen „Landesplan für nachhaltige Mobilität und Logistik“, dem zahlreiche Erhebungen zugrundeliegen. Wir haben gesehen, dass noch unglaublich viele eigentlich recht kurze Strecken mit dem Auto gemacht werden, das Potential für den Wandel ist also enorm.

Wo sehen Sie die größten Potentiale, um diese Ziele zu erreichen?
Innerorts dem Auto Platz nehmen und den Fußgängern und Radfahrern geben, sichere Abstellplätze in den Ortschaften, vor allem aber bei allen Mobilitäts-Hubs, außerörtlich intakte und gut instandgehaltene Radwege und Radschnellrouten inklusive Beleuchtung, die übergemeindliche Zusammenarbeit ausbauen und Radverantwortliche in allen Gemeinden benennen. Für all diese Verbesserungen müssen wir als Land in den kommenden Jahren die notwendigen Haushaltsmittel bereitstellen, dann kann ein echter Wandel gelingen.

Landesrat Daniel Alfreider

Diesen Wandel mitgestalten will auch die landeseigene STA, die wesentlich am Radmobilitätsplan mitgearbeitet hat und dabei wiederum eine Reihe von Stakeholdern wie Wirtschaftsverbände, Gemeinden oder die Bezirksgemeinschaften eingebunden hat. Nichts soll dem Zufall überlassen werden. „Südtirol will zur Modellregion für die Fahrradmobilität werden“, sagt Harald Reiterer, der den Bereich Green Mobility innerhalb der STA koordiniert. „Dafür müssen wir die Maßnahmen umsetzen, die festgelegt wurden.“

Südtirol will zur Modellregion für die Fahrradmobilität werden. Was heißt das?
Harald Reiterer:
Dänemark und Holland sind weltweit Vorreiter im Bereich der Fahrradmobilität. Wir möchten das ebenso werden, aber zum Vorbildmodell im alpinen Bereich, also für Gegenden, die geografisch ähnlich beschaffen sind wie Südtirol. Der Radmobilitätsplan soll uns helfen, dieses ambitionierte Ziel zu erreichen.
Die Beispiele Holland und Dänemark sind auch für Südtirol eine Referenz, weil es ja auch bei uns Städte und Orte gibt, die eher flach sind. Zudem lassen sich generell einige Ansatzpunkte übertragen. Insofern ist es zum Beispiel sehr wichtig, gute Radabstellmöglichkeiten und Radwege zu schaffen, auszubauen und zu verbessern. Gleichzeitig werden wir versuchen, die übergemeindlichen Verbindungen zu optimieren und Mobilitätsknotenpunkte radtauglicher zu machen. Das schaffen wir, indem man bessere und sichere Radstellanlagen und somit zum Beispiel das Umsteigen von Zug auf Rad einfacher und bequemer macht. Was wichtig ist: Nicht nur die Radinfrastruktur in der Stadt muss noch besser werden, sondern wir möchten auch die Radanbindung der angrenzenden Dörfer an die Städte verbessern.

Sie sprechen schon Maßnahmen an, die im neuen Fahrradmobilitätsplan vorgesehen sind. Darin wird auch von radfunktionalen Einheiten gesprochen. Was sind das?
Wir haben uns bei der Ausarbeitung des Plans auch mit den Gemeinden ausgetauscht. Da generell bei der Mobilitätsplanung ein übergemeindlicher Ansatz sehr wichtig ist, wurden sogenannte radfunktionale Einheiten erarbeitet, also gemeindeübergreifende Zonen für die Radmobilität, das ist ein Novum in Südtirol. Konkret erfassen diese Einheiten die Gemeinden mit dem größten Radpotential.

Harald Reiterer

Gehört dazu auch Bozen?
Ja, Bozen und sein Umland gehören dazu. Diese radfunktionalen Einheiten sind aber über ganz Südtirol verteilt. Aber natürlich gibt es auch Gebiete, die aufgrund ihrer geografischen Beschaffenheit, ich denke vor allem an die vielen Steigungen und Streusiedlungen, nicht dazu gehören. Aber auch diese Gemeinden bemühen sich häufig, die Radmobilität zu steigern.

Der Fahrradmobilitätsplan wurde an die unterschiedlichen Typen von Radfahrern ausgerichtet. Was gibt es für Typen?
Da gibt es die Radbegeisterten, die in jeder Situation versuchen, das Rad zu benutzen – das Rad gehört zu ihrem Lifestyle. Sie fahren mit dem Rad zur Arbeit und auch in ihrer Freiheit. Das Auto und öffentliche Verkehrsmittel werden kaum genutzt. Dann gibt es die Pragmatiker, die Radfahren als pragmatische und umweltfreundliche Alternative sehen. Meist sind es Frauen, die in der Stadt leben und mit dem Rad zur Arbeit und zum Einkaufen benutzen.

Und welche Typen sind am schwersten zu erreichen?
Sicherlich die Verweigerer. Diese interessieren sich nicht für Radmobilität, sie verwenden auch kein E-Bike. Sie nehmen vorwiegend das Auto für den Weg zur Arbeit oder in der Freizeit, nur sehr selten benutzen sie öffentliche Verkehrsmittel. Da braucht man sich nichts vormachen: Eine gewisse Gruppe wird man nie erreichen. Aber trotzdem muss man bei den Maßnahmen diese mitdenken, weil wer weiß, was die Zukunft bringt. Wenn das Autofahren mal zu teuer wird, machen sie sich vielleicht doch Gedanken darüber, ob das Rad eine Alternative sein kann, weil es überdies ja auch gesund und umweltfreundlich ist. Was den Weg zur Arbeit betrifft, dürfen wir nicht vergessen, dass auch viele Arbeitsplätze zu weit vom Wohnort entfernt sind, um direkt mit dem Rad dorthin zu kommen. Es wäre toll, wenn diese Pendler dann auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen würden.

Die primäre Zielgruppe sind Personen, die eine Grundaffinität haben, aufgeschlossen sind, aber es derzeit noch nicht als ideal sehen, mit dem Fahrrad zu fahren.

Und wer gehört zur primären Zielgruppe, auf die der Radmobilitätsplan abzielt?
Das sind Leute, die der Radmobilität gegenüber zwar aufgeschlossen sind, aber noch nicht zu Radfahrern geworden sind. Um eine typische Person zu beschreiben, wäre das zum Beispiel Miriam, eine Bankangestellte in Riffian. Sie pendelt täglich mit dem Auto von ihrem Wohnort, Meran, zur Arbeit. Das Rad nimmt sie selten, am ehesten bei Verabredungen oder um Erledigungen im Ort zu machen. Im Straßenverkehr fühlt sie sich mit dem Rad noch unsicher. Sie könnte sich die Verwendung eines E-Bikes vorstellen, um zum Arbeitsplatz zu kommen, der ja keine zehn Kilometer entfernt ist. Das normale Rad will sie nicht nehmen, da die Strecke doch etwas lang ist und Wind und Wetter zuweilen Sorgen bereiten. Zusammenfassend: Die primäre Zielgruppe sind Personen, die eine Grundaffinität haben, aufgeschlossen sind, aber es derzeit noch nicht als ideal sehen, mit dem Fahrrad zu fahren.

Wie wollen Sie Miriam überzeugen?
Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit es für diese Leute interessant ist, mit dem Rad zu fahren. Wir müssen die Radinfrastruktur verbessern und ausbauen, die Dörfer mit dem Hauptradweg verbinden, damit sie sich sicher fühlen. Das ist nicht immer möglich. Aber auch innerhalb der Ortschaften ist es möglich, den d Radfahrern mehr Sicherheit zu geben, indem die Autofahrer eingebremst und zusätzliche Maßnahmen gesetzt werden, um Radmobilität sicherer zu machen und klar zu machen, dass Straßen nicht nur für Autos da sind. Und wir brauchen Sensibilisierungsarbeit. Das ist die große Aufgabe des Radmobilitätsplanes.

Der Radmobilitätsplan umfasst fünf Handlungsfelder. Welche?
Genau, es handelt sich um die Themen Information, Motivation, Kooperation, Partizipation und Infrastruktur. Für jedes dieser Handlungsfelder haben wir Maßnahmen definiert, die wiederum in Teilziele unterteilt wurden. So möchten wir im Bereich Information die Leute sensibilisieren, dass das Radfahren gesund ist und auch sicher sein kann. Es hat auf die eigene Person, die Gesellschaft und die Umwelt positive Auswirkungen, wenn mit dem Fahrrad gefahren wird. Und man kommt auf bestimmten Strecken auch schneller und bequemer von A nach B.

Im Rahmen des Radmobilitätsplan soll unter anderem vermittelt werden, dass Radfahren nicht nur gesund, sondern auch sicher ist.

Wie bekommen wir die Ortschaften autofreier?
Das ist die große Herausforderung. Landesrat Daniel Alfreider hat es bereits angesprochen: Das Radfahren innerhalb eines Ortes muss sicherer, bequemer und angenehmer sein, gleichzeitig muss das Autofahren unattraktiver gemacht werden. Die Radfahrer müssen ausreichend Abstellplätze vorfinden. Die Nachteile des Autofahrens müssen offensichtlich werden, ich denke an die Kosten für Umwelt und Gesellschaft, die das Autofahren mit sich bringt. Innerhalb der Ortschaft sollte die Geschwindigkeit heruntergesetzt werden, es sollte nicht mehr erlaubt sein, mit dem Auto wie selbstverständlich überall – also in alle Straßen und auf alle Plätze – hinzufahren, die Parkplätze sollten tendenziell verteuert und nur in bestimmten Bereichen vorgesehen werden. Es darf nicht mehr bequem sein, mit dem Auto innerhalb der Ortschaft zu fahren, das soll es mit dem Fahrrad sein. Dabei ist klar, dass nicht in allen Ortschaften dieselben Maßnahmen gesetzt werden können. Das Grundprinzip muss allerdings sein: Die gewünschte Mobilität, in unserem Fall das Radfahren und Zu-Fuß-Gehen, belohnen und attraktiv machen und das Autofahren mit all seinen gesellschaftlichen Nachteilen durch verschiedene Maßnahmen eingrenzen.

Werden die Gemeinden in der Radmobilitätsplan eingebunden?
Absolut. Der Plan soll ein Unterstützungsinstrument für die Gemeinden sein, die für sich überlegen sollen, welche Maßnahmen am besten für sie funktionieren. Wir unterstützen die Gemeinden nicht nur, es werden auch regelmäßig Austauschtreffen mit Gemeinden stattfinden.

Werden Arbeitgeber auch mit ins Boot geholt?
Ja, wir haben damit begonnen, bei Netzwerktreffen Unternehmen anzusprechen. Wir möchten ihnen zeigen, dass betriebliches Mobilitätsmanagement etwas ist, das für sie relevant ist. Je weniger Unternehmen zum Beispiel Parkplätze zur Verfügung stellen müssen, desto mehr sparen sie Geld ein. Dazu zeigen wir auf, dass Mitarbeiter, die Radfahren oder sich aktiv mobil bewegen, gesünder sind und somit weniger Krankenstände haben, das ist wissenschaftlich belegt. Darüber hinaus ist es ein Imagegewinn für das Unternehmen, sich als nachhaltig präsentieren zu können.

Jeder Kilometer, der mit dem Rad zurückgelegt wird, bringt der Gesellschaft 30 Cent. Jeder Kilometer, der mit dem Auto zurückgelegt wird, kostet die Gesellschaft hingegen 27 Cent.

Es gibt eine Studie zum Kostenvergleich zwischen Auto und Fahrrad in Deutschland. Was ist da rausgekommen?
Es gibt zahlreiche Studien, die einen Kostenvergleich zwischen Auto und Fahrrad anstellen. Das Resultat ist immer dasselbe: Für eine Gesellschaft ist es gut, wenn viele mit dem Rad und wenige mit dem Auto unterwegs sind. Die Studie aus Deutschland, auf die wir im Radmobilitätsplan Bezug nehmen, bezieht in der Analyse eine Reihe von Faktoren ein: vom Klimawandel und Lärm über die Landnutzung und Infrastruktur bis hin zu Gesundheitseffekten und den Tourismus. Das Resultat: Der ökonomische Vorteil des Radfahrens im Vergleich zum Autofahren beträgt 57 Cent pro Kilometer. Jeder Kilometer, der mit dem Rad zurückgelegt wird, bringt der Gesellschaft 30 Cent. Jeder Kilometer, der mit dem Auto zurückgelegt wird, kostet die Gesellschaft hingegen 27 Cent. Wir haben keine Südtiroler Studie, aber alle Studien in diesem Bereich weisen auf diesen Effekt hin.

Wie geht es mit der Umsetzung des Radmobilitätsplans weiter?
In Südtirol werden schon einige Projekte und Maßnahmen umgesetzt, so etwa in Bruneck oder Meran, welche die Radmobilität vorantreiben. Wir leisten auch Sensibilisierungsarbeit für Schulen. Das Ressort für Mobilität ist dabei, die Geldmittel bereitzustellen, die für den Ausbau und die Verbesserung der Radinfrastruktur notwendig sind. Im Radmobilitätsplan gibt es insgesamt 120 Maßnahmen, die breitgefächert sind. Nach einer Prioritätenlisten versuchen wir, die wichtigsten Maßnahmen auf Schiene zu bringen und die Leute für das Thema zu begeistern. Gemeinsam und in Zusammenarbeit mit den Stakeholdern wird uns das hoffentlich auch gelingen.

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