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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 14.06.2017
LeuteSchauspielkollektiv Binnen-I

Wer binnen-I?

Veröffentlicht
am 14.06.2017
Vom Schauspielen kann man in Südtirol nicht leben. Trotzdem gründen fünf junge Frauen das Schauspielkollektiv „Binnen-I“. Ein Probenbesuch in Klausen.
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Im Kapuzinerkeller in Klausen ist es dunkel und kühl. Durch die kleinen Fenster dringen nur wenige Sonnenstrahlen durch, draußen ist es sommerlich warm. Trotzdem haben sich fünf junge Frauen dazu entschieden, den Vormittag hier unten im geschlossenen Raum zu verbringen. Bereits seit einem Monat machen sie das vier Mal in der Woche so. Katharina Gschnell, Petra Rohregger, Alexa Brunner, Viktoria Obermarzoner und Marlies Untersteiner haben sich seit Kurzem nämlich zum Schauspielkollektiv „Binnen-I“ zusammengeschlossen und proben hier an ihrem ersten, gemeinsamen Stück.
Regisseurin Eva Kuen drückt auf Play und lässt damit strenge Tangomusik durch das Gewölbe des Kellers hallen. Die fünf Schauspielerinnen stehen hell beleuchtet auf der kleinen Bühne und blicken sich tief in die Augen. Plötzlich fängt Petra Rohregger an, nach und nach mit jeder der jungen Frauen zu tanzen. Eng umschlungen schweben sie über die Bühne, ehe die Musik aufhört und Petra in einen lauten Monolog ausbricht. Es geht um die Sprache, die nicht fähig dazu ist, bestimmte Gefühle richtig zu beschreiben und um das Aushalten von Nähe. Beides scheint sie aufzuregen. Ihr Kopf wird rot und sie fuchtelt wild mit den Armen.

Bei den Proben

„Es geht uns vor allem um die Message“, meint Viktoria. „Und um das Material, das wir behandeln“, ergänzt Alexa. Gemeinsam mit den anderen sitzen die beiden nun im Innenhof des alten Kapuzinerklosters, dort befindet sich nämlich der Eingang in ihren Proberaum. Viktoria hält kurz inne und versucht diese Message schließlich in einen Satz zu verpacken. „Wo steht der Mensch in der heutigen, vernetzten Welt, in der man alles erreichen muss? Wo steht er, was hilft ihm und was zerstört ihn oder bringt ihn weiter“, sagt sie schließlich und blickt in die Runde. „Wie geht er mit Themen wie Nähe und Liebe um und damit, sich in der Gesellschaft positionieren zu müssen“, ergänzt Katharina. Gender-bezogen seien die Texte nicht, betonen die anderen. Im Prinzip könnten sie von jedem vorgetragen werden.

„Total Quality Woman“ nennt sich das erste Stück, das das Schauspielkollektiv auf die Bühne bringt. Was die jungen Frauen dazu bewogen hat, sich darin mit solchen Themen auseinanderzusetzen, ist ihr Ursprung, das „Ich“. „Wer binnen i?“ ist die Frage, die die fünf Charakterköpfe während und nach ihren Ausbildungen zu diplomierten Schauspielerinnen immer wieder getrieben hat. „Grundsätzlich waren wir dann alle genau zur selben Zeit in der selben Situation“, erinnert sich Petra. Abgeschlossene Ausbildung, auf der Suche nach Jobs im Schauspielbereich und im Konflikt mit der Ländlichkeit Südtirols. Gemeinsam hatten sie schließlich eine Vision: etwas zu schaffen, wofür sie auch stehen und das ihnen selbst etwas bringt. Frei nach dem Motto „Warum darauf warten, wenn man es einfach selbst machen kann“ haben die jungen Frauen das Projekt „Binnen-I“ gegründet. Ein Name, der nicht nur dieses „Ich“ beinhaltet, sondern auch den Konflikt und die Vereinigung von Männlichem und Weiblichem in dieser Welt.

„Unsere Wurzeln sollen für unsere Arbeit Grund und Flügel zugleich sein“, schreiben sie in ihrer Vorstellungsmappe. Das, was sie hier in Südtirol haben, wollen sie dabei auf eine positive Art und Weise verändern. „Südtirol ist ein schöner Raum, um sich zu entfalten. Klein und geschützt ist manchmal besser als groß und unpersönlich“, meint Alexa. Einer der Gründe, warum alle fünf die Heimat irgendwelchen Großstädten vorgezogen haben. Dass Heimatbühnen in Südtirol stark vertreten sind und die Theaterlandschaft ansonsten eher klein ist, stört sie nicht.

Eva Kuen und die fünf „Binnen-Is“

Alexa hat eine wilde, lockige Mähne, eine tiefe Stimme und eine Antwort auf jede Frage, während Viktoria etwas länger überlegt, um dann in schön formulierten Sätzen zu kontern. Marlies ist eher ruhig und blickt mit einer runden Hermann-Hesse-Brille entspannt in die Sonne. Katharina hat feuerrote Haare und helle Haut, während Petra eher der südländische Typ ist. Vom ersten Eindruck her könnten die fünf jungen Frauen nicht unterschiedlicher sein. „Aber wenn es darum geht, was wir vermitteln wollen, denken wir alle gleich“, sagt Alexa. Als Schauspieler bewirke man etwas, man erreiche Menschen und könne dadurch die Gesellschaft bilden, da sind sich alle fünf einig. „Wir wollen unseren Menschen hier etwas zurückgeben“, erklärt sich Viktoria und schwingt ihren Pferdezopf dabei lässig nach hinten.

„Vernetzt, digital und alles under control. Downgesized oder upgegraded, unendlich scheinen die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Alles ist machbar, wer zerbricht ist selber Schuld.“ – Total Quality Woman

Die Grundlage für „Total Quality Woman“ waren die Texte von Falk Richter, in denen sich jede der fünf jungen Frauen beim Lesen wiederfinden konnte. „Daraus haben wir dann eine Performance entwickelt“, erklärt Alexa, „es sind Inputs, die wir dem Zuschauer damit geben“. Damit diese auch einen roten Faden hat, haben sie Regisseurin Eva Kuen mit ins Boot geholt, die die Performance mit Gesang und Tanz gefüttert hat. Ziel soll es nun sein, Bilder auf die Bühne zu bringen, mit denen man sich selbst verbinden kann. Die Suche nacht echten Begegnungen soll dabei im Mittelpunkt stehen. In unserer vernetzten und schnellen Welt würden diese nämlich oft zu kurz kommen. Und oft auch an den hohen Anforderungen an sich selbst scheitern, da sind sich die „Binnen-Is“ einig. Das Theater hingegen bleibe stets ein Ort, an dem echte Begegnungen stattfinden können. „Du musst hier offen sein und die anderen so nehmen wie sie sind. So entstehen ganz enge Freundschaften, weil man sich von Anfang an so zeigt, wie man wirklich ist“, meint Viktoria. Petra hingegen spricht sogar von Luxus. [[{“fid”:”22731″,”view_mode”:”teaser”,”fields”:{“format”:”teaser”,”field_description[und][0][value]”:”%3Cp%3EPetra%20in%20Action%3C%2Fp%3E%0A”,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Lisa Maria Kager”,”field_license_type[und]”:”_none”,”field_url[und][0][url]”:””,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”link_text”:null,”attributes”:{“height”:213,”width”:320,”class”:”media-element file-teaser”}}]]Niemand könne sich in seiner Arbeit so intensiv mit Themen auseinandersetzen, die die Gesellschaft und einen selbst beschäftigen. „Das Tolle am Schauspiel ist, dass man immer an sich selbst arbeitet“, meint Petra. Man sei ständig mit Facetten konfrontiert, die man entweder vor sich selbst verheimlicht oder gar noch nie entdeckt hat. „Nach jeder herausfordernden Rolle ist man eine erweiterte Version von sich selbst“, ergänzt sie und unterstreicht ihre Aussage mit einer breiten Handbewegung, „viel zu viele Leute rauschen einfach so durchs Leben.“ Petra ist zwischen Shanghai, Singapur und Südtirol aufgewachsen, hat ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen und als Geschäftsführerin einer internationalen Firma in China gearbeitet. Mit 27 hat sie sich doch noch für eine Schauspielausbildung entschieden. Seit zwei Jahren ist sie nun selbständig. „Dann habe ich relativ schnell gemerkt, dass einem in Südtirol bald die Möglichkeiten ausgehen“, sagt sie, „vom Schauspiel leben, kann man hier nicht.“ Trotzdem müsse man verstehen, dass Schauspiel und Theater Berufe sind, wirft Regisseurin Eva Kuen aus dem Hintergrund ein. „Nur weil man etwas gerne macht, heißt das nicht, dass man nicht arbeitet“, sagt sie und streicht sich eine Strähne ihrer braunen, langen Haare aus dem Gesicht. Sie findet, dass Frauengeschichten endlich erzählt werden müssen, ohne dafür als Feministin verurteilt zu werden und ist froh über die Gründung der „Binnen-Is“.

Obwohl ihre Gruppe rein weiblich ist, wollen die jungen Schauspielerinnen aber nicht als Feministinnen gesehen werden. „Wir sind grundsätzlich total offen für junge Männer“, meint Alexa und grinst. Die fünf jungen Frauen sollen nur die Basis des Projekts sein, das sich in verschiedenste Richtungen weiter entwickeln kann. „Aber wir wollen schon auch die Sicht der Frauen einarbeiten, die es in vielerlei Hinsicht noch zu präsentieren gilt“, ergänzt Petra. Zu welcher Formation „Binnen-I“ im nächsten Stück mutiert, wissen sie noch nicht. Was feststeht ist, dass das Projekt immer eine Herzensgeschichte bleiben soll, ein Kollektiv, um sich gegenseitig in der Südtiroler Theaterlandschaft zu stärken. „Einfach eine Spielwiese, auf der wir uns mit unseren Eigenproduktionen austoben können“, meint Petra.

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