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Veröffentlicht
am 02.04.2024
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Weil er s/dich bewegt!

Veröffentlicht
am 02.04.2024
Worte können viel bewirken. Wenn der Sprecher hinter ihnen steht, noch mehr. Nathan Laimer steht mit jeder Faser hinter den seinen. Auf einer Zugfahrt mit dem aufstrebenden Poetry Slammer erfahren wir warum.
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ÖSlam U20 (c)Pe-tra Weixelbraun_@Staudenfuchs-035

Es rattert und klappert. Die Fahrt von Erfurt nach München ist nett, die Passagiere scheinen sympathisch – einer ganz besonders. Der gebürtige Meraner ist achtzehn Jahre alt. So richtig erwachsen wird Nathan Laimer aber wohl nie werden, dafür hat er viel zu viel von Peter Pan: ein verschmitztes Grinsen im Gesicht, ganz schön viel Flexibilität und unheimlich viel Wille zur Veränderung. Das alles sieht man ihm auf den ersten Blick an. Wagt man einen zweiten, kommt noch mehr zum Vorschein: Nathan Laimers riesiges Talent für die Bühne.

Nathan Laimer ist Poetry Slammer, er ist im Rampenlicht zu Hause. Obwohl er sich erst vor Kurzem der Bühnenlyrik verschrieben hat, gehört er in der Südtiroler Szene zu den ganz Großen, feiert einen Erfolg nach dem anderen. Anfang September 2023 wird er Vize-Landesmeister, gegen Ende des Monats darf er sich U20-Österreichmeister nennen. Mitte Oktober schafft er es in das Finale der gesamtdeutschsprachigen U20-Meisterschaften. In Südtirol nennt man ihn „Prince of Poetry Slam“.

Nathan gehört zu den lauten Poeten.

Wenn Nathan auftritt, hallt der Applaus noch lange nach. Die Energie schwappt über den Bühnenrand und Licht flutet bis in die hinterste Ecke des Theaters. Alles bebt. Dabei liest Nathan noch gar nicht so lange Texte vor Publikum: „Ich wusste nicht, was Poetry Slam ist, aber ich habe darauf gewartet“, erzählt Nathan. Und er erzählt von seinem großen Traum: Schauspieler zu werden. Das Rampenlicht war immer schon sein großes Ziel, mehr als ein erstrebenswerter Wunsch, schlichtweg essenziell. Dass auf dem Weg dorthin noch eine andere Kunstform auf ihn warten würde, hätte er sich nicht gedacht. Nur seine Gedanken, die hat er stets festgehalten. Heute ist er glücklich darüber. Nathan gehört zu den lauten Poeten. Sein Auftritt ist keine einfache Lesung, sondern durch und durch Performance. Man merkt ihm den Schauspieler an: Gestik, Dynamik, jeder einzelne Atemzug sitzt – und passt zum Inhalt.

Nathan schreibt über Politisches, er schreibt über Ungerechtigkeit, kritisiert die Gesellschaft. Damit kommt er an. Er bringt die Dinge auf den Punkt, verpackt die unguten Seiten der Welt in glasklare Gedankengänge und vergisst nicht, das Publikum dabei zu berühren. Sprachlich bringt der Slammer gerne seine Alltagssprache ein. Die kann auch mal etwas härter sein: „Das passt, das ist Nathan.“ Sein Lieblingswort? „Aufpimpen“. Auch wenn sich ihm die Bedeutung nach ausführlicher Recherche zur Herkunft des Wortes nicht mehr erschließt. Zu Nathan gehört auch seine, wie er sie nennt, toxisch männlich geprägte Welt. Im Freundeskreis hält er sich oft zurück. Er sagt, er könne da nicht mitreden. Nicht, weil es ihn nicht kümmert, sondern weil er viele der herumgeschleuderten Meinungen nicht teilt. Aber er schöpft aus dieser Welt: sucht das Gespräch, versucht herauszufinden, wo die Grenzen zwischen Meinungen, Unwissen und Humor liegen. Die Gespräche nutzt er als Anstoß für seinen Text, verwendet sie als Masche, um die Menschen im Publikum anzuregen.

Er tanzt zwischen zwei Welten. Über die Bühne greift er in das Weltgeschehen ein, punktet mit Offenheit. Nathan will Veränderung bewirken und das gelingt ihm auch. Seine zweite große Leidenschaft? „Fußball“. Bis vor Kurzem spielte er in der Südtiroler Oberliga, jetzt unterstützt er die Jugendmannschaft des Obermaiser Vereins. Das Niveau von früher kann er zwischen Texten und Auftritten nicht mehr halten – aber den Ausgleich braucht er unbedingt. Auch, wenn er von seinen Mitspielern nach den ersten Slam-Auftritten Unverständnis zu spüren bekam: „Sie haben mich gefragt, warum ich Kunst mache, was ich davon habe.“ Die Fans nicht. Im Gegenteil: Die Curva des Obermaiser Vereins brachte ihm Wertschätzung entgegen. Nathans Leben ist geprägt von Veränderung, alles ist in Bewegung. Für eine längere Zeit zu Hause zu sein tut ihm nicht gut.

Ihm fehlt die Szene, die Kunst, die politische Kante der Menschen, die sie ausleben. Die Slam-Szene ist was er braucht, was ihm Hoffnung gibt; das Heimkommen nach einem Auftritt im Ausland ein Realitätscrash. Damit hat Mama zu kämpfen: „Es war nicht einfach für sie, mich auf diese Weise loslassen zu müssen, zu sehen, dass ich mein eigenes Leben führe. Aber sie freut sich! Sie weiß, dass mir die Kunst die Möglichkeit gibt aufzublühen und sie ist stolz, dass ich aufstehe und für Politisches und Gesellschaftliches einstehe.“

Nathan nutzt sein Schaffen, er instrumentalisiert die Poesie für den guten Zweck. Packt Politisches in Kunst und erreicht so die Menschen. Zurück kommt Wertschätzung. Noch nicht im Ausmaß, das er sich erträumt. Aber die wachsende junge Szene zieht Aufmerksamkeit auf sich – und darin liegt Potential: „Der Slam ist ein Kampf gegen den Untergang der nicht-elitären Kunst.“ Der Südtiroler „Prince of Poetry“ kämpft diesen Kampf an vorderster Front.

Text: Hannah Tonner

Der Text erschien erstmals in der Straßenzeitung zebra. (02.04.2024 – 01.05.2024 | 94)

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