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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 08.09.2014
LeuteInterview mit einem Querdenker

„Virtuell ist es einfacher“

Veröffentlicht
am 08.09.2014
Nico Platter hat sich keinen Kübel Eiswasser über den Kopf geschüttet. Der Student über seine eigene Spenden-Challenge, die Gefahren von Facebook und seine Liebe zur Musik.
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Es ist halb zwölf. Die Terrasse der Bar Piccolo in der Meraner Freiheitsstraße ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als sich Nico Platter in einen der dunkelbeigen Korbstühle sinken lässt. Mit der Bar verbindet der 19-jährige Naturnser viele Erinnerungen. Während der Schulzeit im Pädagogischen Gymnasium hat er sich hier regelmäßig mit seinen Freunden getroffen. Bald wird er in eine fremde Stadt ziehen, nach Graz, um dort zu studieren und seinem Traum, Filmmusik zu machen, näherzukommen. „Das wäre das Höchste“, sagt Platter, rührt ein paar Mal seinen Macchiato um und nimmt einen Schluck. Vor genau einer Woche hat er seine Version der Ice Bucket Challenge online gestellt. Pro 250 Klicks, die sein selbst produziertes Video erreicht, spendet er einen Euro an die Organisation Charity Water. Diese sorgt dafür, dass Gebiete in Entwicklungsländern mit Trinkwasser versorgt werden. Das Interview beginnt mit der Frage, die wohl am meisten interessiert:

Was hat dich dazu bewegt, das Video aufzunehmen?
In letzter Zeit haben immer mehr junge Leute bei der Ice Bucket Challenge mitgemacht und immer öfter hörte man: „Ihr habt zwei Tage Zeit, sonst schuldet ihr mir eine Pizza.“ Das hat mich aufgeregt und war der Auslöser zum Video, in dem ich anscheinend die passenden Worte gefunden habe (lächelt). Ich wollte, dass es viele Leute sehen und Informationen über den wahren Sinn der Ice Bucket Challenge und über diese schreckliche Krankheit (Anm.: Amyotrophe Lateralsklerose) verbreitet werden.

Ist das der Sinn des Videos oder was möchtest du damit erreichen?
Mir persönlich geht es nicht um das Spenden, das könnte ich auch ohne Video. Aber es soll ein Vorbild für einige Leute sein, dass sie auch darüber nachdenken, bewusster ihr Geld auszugeben. Ich verzichte auf mehrere Dinge, damit ich mir die 100 Euro spare, die ich spende. Ich bin damit aufgewachsen, dass man nicht den Wert vom Geld beachten soll, sondern den Wert der wichtigen Dinge. Außerdem habe ich eine sozialkritische Aussage im Video versteckt. Ich trinke das Wasser nicht aus Durst, es soll symbolisieren, dass wir umgeben von Wasser leben und damit oft sehr arglos umgehen.

Wie viel Geld musst du bis heute spenden?
Gestern (Anm.: Mittwoch) waren es um die 80 Euro. Meine Obergrenze sind aber die 100 Euro. Falls das Video in den nächsten Tagen noch außerhalb Südtirols hinausgeht, dann spende ich mehr.

Hast du dir erwartet, dass die Resonanz so groß sein wird?
(lacht) Nein. Obwohl ich mir schon gedacht habe, dass es mehr Leute anklicken, wenn ich etwas spende, weil sie auch helfen wollen.

Und wie war das Feedback?
Die meisten haben es positiv aufgefasst. Das Tolle ist, meine Freundin hat sich mir angeschlossen und spendet denselben Betrag wie ich.

Die Ice Bucking Challenge hat gezeigt, wie gut Social Media funktionieren können, wenn man sie geschickt einsetzt. Aber verblödet die Jugend deiner Meinung nach auch durch Facebook?
Ich finde, die Jugendlichen suchen auf Facebook eine gewisse Anerkennung, die sie sich im echten Leben nicht zu suchen trauen. Virtuell ist es für die meisten viel einfacher, aber so verlieren sie das Gefühl für das Reelle. Meiner Meinung nach sind die Folgen, dass sie dann nicht mehr so zufrieden sind. Das ist schade. Sie sollten die Grenzen erkennen.

Wie und warum benutzt du Facebook?
Ich benutze es nur noch, um Fotos oder Musik zu teilen. Persönliches lasse ich weg, ich finde, das hat bei Facebook nichts verloren, außer man ist nur mit seinen engsten Freunden befreundet. Aber die treffe ich lieber persönlich. Ich finde es problematisch, dass mittlerweile jeder viel mehr Freunde auf Facebook als im normalen Leben hat, da verliert man den Überblick. Ich werde jetzt mal ausmisten. (lacht)

Wie wichtig ist dir die Musik?
Musikmachen ist das einzige, bei dem ich wirklich und ohne Kompromiss frei sein kann. Dabei rede ich vor allem vom Klavier. Ich habe 88 Tasten, die einen Anfang und ein Ende haben, doch was ich spielen könnte, ist unendlich. Ich spiele seit fünf Jahren Klavier, Schlagzeug schon länger. Zu Hause singe ich auch sehr gern, aber öffentlich fehlt mir die Sicherheit dafür. (lacht)

Was drückst du mit deiner Musik aus?
Hauptsächlich sind es Gefühle. (macht eine kurze Pause) Aber auch Gedanken. Es ist so: Früher habe ich sehr gestottert. Vor zwei Jahren hatte ich eine Phase, in der für mich das Sprechen sehr schwierig war. Damals habe ich aber umso mehr gespielt. Mit dem Klavier konnte ich mich ausdrücken und abreagieren. Auch mit dem Schlagzeug, aber im Klavier sehe ich mehr Freiheit, darin verliere ich mich.
Für mich ist es das Schönste, wenn andere Leute meine Musik hören und sie ihnen gut tut und sie dabei nachdenken können.

Dein größtes Projekt bisher war 2013 das Album für das Benefizprojekt „A new beginning“ für die Multiple Sklerose Vereinigung Südtirol …
Das war auch das wichtigste für mich. Ich habe es mit David Wehnert gemacht, durch ihn war das Projekt erst möglich. Ich habe mich von der Krankheit und den Gefühlen der betroffenen Leute inspirieren lassen und versucht, eine Musik zu schaffen, die ihnen Kraft gibt.

Wie ist es dazu gekommen?
David arbeitet in der Multiple Sklerose Vereinigung in Bozen. Er hatte oft tolle Ideen und so haben wir langsam eine CD geschaffen, deren Erlös wir spendeten. Von 1.000 Stück haben wir die Hälfte bereits verteilt.

Wie schreibst du deine Lieder?
In Wirklichkeit schreibe ich sie nicht. Der Sinn vom Lied und die Melodie entstehen im Kopf. Ich spiele ein Lied nie ganz gleich. Wenn ich es niederschreiben würde, würde ich mich zu sehr darauf fixieren und es würde für mich etwas verlieren. Ich will immer diese bestimmte Spontanität haben.

Du machst neben deiner Musik auch Poetry Slam. Bist du dabei auch so spontan?
In der Vortragsweise schon, man könnte aber auch das Gesagte improvisieren, das wäre logisch das Beste. Aber das ist schwierig. (lacht)

Bist du nicht nervös, wenn du vor einem großen Publikum sprechen musst?
Ich habe gedacht, ich habe mit dem Reden Schwierigkeiten. Aber ich bin gerne auf der Bühne, es ist wie beim Theaterspielen, da gibt es keine Hemmung mehr. Das Genialste ist: Man ist alleine, hat sein Mikrofon und fünf Minuten Zeit. Man kann mit der Stimme und mit seinem Körper alles machen und experimentieren. Es ist ein guter Weg, um sich einerseits abzureagieren und andererseits zu zeigen, was man kann.

Viele deiner Projekte sind nicht nur kreativ, sondern auch sozial. Woher kommt dieses soziale Engagement?
Woher es kommt, weiß ich nicht. Ich wollte aber schon immer Leuten helfen, obwohl ich von gewissen Leuten immer beleidigt und verarscht wurde. Ich war in der Grundschule immer der Außenseiter. Ich war der einzige mit italienischer Mama, hatte lange Haare und hörte Metal. (lacht) Ich komme aber mit allen Leuten gut aus und versuche, wo ich kann, ein bisschen zu helfen. Manchmal bekomme ich dann diese Einfälle, wo ich Musik mit solchen Projekten kombinieren kann.

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