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„Das Tollste ist, ‚dorhängte' Autos wieder schön zu machen“, sagt Matteo Ferranti und grinst. Er steht in Arbeitshose und orangem T-Shirt im hinteren Teil einer Karosseriewerkstatt in der Industriezone von Bozen. Hier macht der 17-Jährige zurzeit seine Lehre als Karosseriebauer, eine Ausbildung, die seit Kurzem die zwei Berufe Karosseriespangler und Karosserielackierer in sich vereint. Matteos Aufgabe am heutigen Vormittag ist es, eine Stoßstange wieder auf Vordermann zu bringen. Nur mit Lackieren ist es dabei nicht getan. Die Hauptaufgaben eines Karosseriebauers liegen in der Instandhaltung von Fahrzeugoberflächen. Dazu gehören auch das Beseitigen von Kratzern und Dellen, die Oberflächenvorbereitung, das Mischen der Farben und das Aufkleben von Werbemotiven.
Mit Hilfe von Schleifklötzen, Schleifmaschine und Schleifpapier in verschiedenen Körnungen befreit Matteo zuallererst die Stoßstange vom alten Lack. Der zum Vorschein gekommene Kunststoff wird mit Kunststoffreiniger und einem weißen Papiertuch gesäubert. Dann nimmt er die Lackierpistole in die Hand und stellt den richtigen Arbeitsdruck ein. „Jetzt wird ‚gefüllert’“, sagt er. Das heißt, mit Hilfe von sogenanntem Füller – dickflüssiger Masse – werden kleine Unebenheiten auf der Oberfläche aufgefüllt und der darunterliegende Grundwerkstoff isoliert. Der Kalterer geht um die teilweise mit Papier abgedeckte Stoßstange herum und beginnt an einer Seite mit der Arbeit. Durch Druckluft verteilt sich, mit leisem Zischen wie aus einer Spraydose, der feine, graue Sprühnebel auf der Stoßstange. Zweimal wiederholt Matteo diesen Vorgang, dann darf er in die Mittagspause, denn bevor er weiterarbeiten kann, muss der Füller erst aushärten.
Das zweite Jahr arbeitet Matteo jetzt in dieser Werkstatt. Nebenher besucht er die dritte Klasse der Berufsschule in Bozen und schon jetzt kann er sich keine andere Arbeit mehr vorstellen: „Es ist super, wenn sich der Kunde freut, sobald er sein Auto abholt.“ Schon von klein auf wollte er etwas mit Autos machen, konnte sich aber lange nicht entscheiden, welchen Weg er einschlagen sollte und schwankte zwischen den Berufen Karosserie- und Kfz-Mechaniker. Schließlich habe sein Nachbar für ihn eine Lehrstelle als Karosseriebauer entdeckt. Matteo, der sich dachte „okay, das probiere ich“, bekam die freie Stelle und ist geblieben, weil „mir die Arbeit einfach gefallen hat.“
Eine halbe Stunde ist vergangen und Matteo muss erneut schleifen – diesmal die ganze Stoßstange. Erst dann geht es ans Lackieren der inzwischen wieder glatten Oberfläche. Langsam und gleichmäßig trägt der Lehrling die abgestimmte Farbe mit der Lackierpistole auf. Schon nach kurzer Zeit verteilt sich ein intensiver Farbgeruch in der Werkstatt.
Das Arbeiten mit der Farbe gefällt ihm am besten. Deswegen dürfe er während seiner Lehre auch mehr Lackierungen als Spanglerarbeiten machen, erzählt der Autobegeisterte. Auch zu Hause lässt ihn seine Arbeit nicht los. Er bastelt viel an seinem Motorrad, an dem er selbst die Karosserie bearbeitet. „Jetzt habe ich mir einen alten Fiat 126 gekauft und bin gerade dabei, daran zu arbeiten“, sagt Matteo. Wenn er von seiner neuen Errungenschaft spricht, merkt man, wie sehr ihm die Arbeit Spaß macht. Dennoch, sagt er, bräuchte man gute Nerven für den Beruf. Oft sei die Arbeit ganz schön mühselig. Für einen Karosseriebauer gilt es, selbst kleinste Löcher wieder „heil“ zu machen.
„Warum nicht?“, dachte sich Matteo, als ihm sein Lehrer vorschlug, bei der Landesmeisterschaft der Berufe mitzumachen. Vom zweiten bis zum vierten Oktober finden in der Messe Bozen die „Worldskills Italy 2014“ statt. Matteo ist nur einer der vielen Teilnehmer. „Wir haben in der Schule bereits mehr oder weniger mitbekommen, was bei der Meisterschaft zu tun ist“, sagt er, während er die Lackierpistole in die Farbkammer räumt. Jeder teilnehmende Karosseriebauer bekommt demzufolge Neuteile mit Beschädigungen wie Dellen und Kratzer. Diese gilt es zu beseitigen: mit Spachtelmasse aufzufüllen, zu lackieren und zu polieren. Abschließend müssen noch zwei Folien aufgeklebt und ein Muster gesprüht werden. Eine Herausforderung.
Matteo freut sich darauf. Sein Motto lautet: dabei sein. „Ich möchte für mich selbst wissen, wie gut ich am Ende in diesem Beruf bin, ob ich eine Chance gegen andere habe“, so Matteo. Er hofft dennoch, nicht den letzten Platz zu belegen und versucht sich deshalb optimal darauf vorzubereiten. Ein gutes Ergebnis könnte ihm helfen, nach Abschluss seiner Lehre in seinem Lehrlingsbetrieb zu bleiben.
Muss Matteo seine Arbeitsstelle wechseln, sieht es für ihn nicht sehr rosig aus. „Es ist für Karosseriebauer eine Katastrophe, eine Arbeit zu finden“, beklagt er. Immer mehr Lehrlinge würden ausgebildet, obwohl es keine freien Stellen gebe. „Wenn ich hierbleiben darf, kann ich mich glücklich schätzen“, sagt Matteo abschließend hoffnungsvoll.
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