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Wenn in München Theater gespielt wird, dann im Dialekt. Aber nicht etwa auf Bayrisch: Auf Pustrarisch, im Sarnar Dialekt und a bissele fa sui und fa imene ist auch dabei. Seit nunmehr über dreißig Jahren läuft das schon so auf dem Parkett der Südtiroler Volksbühne München. Hier treffen vom Studenten bis zum Pensionisten jede Menge theaterbegeisterte Südtiroler aufeinander, um mit einer Prise guter Regie ein einzigartiges Projekt zu schaffen.
Im Jahre 1976 gründen die ersten Südtiroler Heimatfernen die Bühne in München. Einige sind aufgrund der Option ausgewandert, andere freiwillig in die Hauptstadt Bayerns gezogen. Aus purer Lust am Theaterspielen entsteht die Idee und entwickelt sich mit der Kollaboration von Jung und Alt bald zur einzigen Südtiroler Laienbühne außerhalb des Landes.
Im Jahre 2006 stand die Bühne kurz vor der Auflösung, weil der leitende Regisseur zurück nach Südtirol aufgebrochen war. Doch die Tochter zweier Südtiroler, Veronika Jabinger, war die rettende Instanz. Ihr Vater gehört zu den Gründern der Volksbühne, darum war sie bereits seit Kindheitstagen bei den Proben dabei. Wenn sie vor einem sitzt, spürt man regelrecht ihre Theaterleidenschaft. Ihre ungeschminkten Augen strahlen, wenn sie vom Projekt „Südtiroler Volksbühne München" erzählt. Erst wollte sie die Regisseurinnenrolle gar nicht übernehmen, weil sie Bauerntheater mit Klischee-Szenen nicht so gerne mag. Doch mit etwas Mut und viel Geduld hat sie es tatsächlich geschafft, aus Jung und Alt ein eingespieltes Team zu machen, das sich gerne theatralen Herausforderungen fernab von Mägden und Bauern stellt.
Veronika arbeitet selbst für das Metropoltheater und die Bayerische Theaterakademie. Letztere unterstützt die kleine ausländische Heimatbühne übrigens mit dem geeigneten Platz zum Proben. Das Theater hat die neue Regisseurin also im Blut. Sie liebt es, unterschiedliche Menschen auf der Bühne zu vereinen. „Worauf sich die Zuschauer bei uns auf alle Fälle verlassen können, ist, dass sie sich auf nichts verlassen können", schmunzelt Veronika in einer netten Mischung aus Münchner Hochdeutsch und vereinzelten Dialektwörtern.
Einmal im Jahr gibt sich die Bühne mit ihrer Regisseurin dann die Ehre. Fünf Aufführungen folgen auf die Premiere, mit insgesamt knapp tausend Zuschauern. „Was nicht wenig ist für München", so Martin Mössmer, einer der Amateurschauspieler, voller Stolz und breit grinsend.
Für das Publikum wird der Abend bei den Südtirolern bestimmt nie ohne Überraschungen ausgehen. Ganz unkonventionell fängt es an. Einlass ist knapp zwei Stunden vor Aufführungsbeginn. Die Stühle sind nicht wie in einem normalen Theater in Reihen angeordnet, sondern wie in einem Salon, an Tischen. Statt Popcorn wie im Kino gibt es eine zünftige Südtiroler Marende. Mit Kaminwurz, Schüttelbrot und Speck kann man sich dann gemütlich in den Stuhl lehnen und Theater genießen.
Ob es lustig, ernst oder dramatisch wird, das weiß man bei den Südtirolern nie so genau. Von Paolo Coelho und Ephraim Kishon zu Peter Landstorfer, von Revues bis hin zu Dramen wie „Grummetzeit": Das Spektrum ist groß und dementsprechend groß auch die Arbeit, die dahintersteckt. Die Bühne besteht aus knapp fünfzig Mitgliedern, von denen jeder einen Part übernimmt: Gastro, Kostümbild, Technik, Schauspiel oder Regie. Alles selfmade.
Sitzt der Zuschauer dann erst einmal gut versorgt in seinem samtroten Stuhl, wird er vielleicht überrascht sein. Die Bühnensprache ist nämlich kein klassisches Hochdeutsch, sondern eher ein Streifzug durch Südtiroler Täler: Pustertaler, Sarner, Unterlandler, Burggräfler, Vinschger. Und alle sprechen in ihrem Dialekt. Die Südtiroler Volksbühne will auch fern der Heimat die Südtiroler Kultur mit ihrer Sprache pflegen und erhalten und bleibt daher den Dialekten treu.
Durchschnittlich stehen zwischen zwölf und vierzehn Leute auf der Bühne. Die Stücke werden einfach so umgeschrieben, dass jeder, der auf die Bühne will, auch einen Part im Stück bekommt. Seit zwei Jahren ist auch Luca dabei. Neun Jahre alt ist der Enkel eines langjährigen Mitspielers. Nun reicht die Facette also vom 9-Jährigen bis zum Mitsiebziger. Es sind Charaktere aus allen Altersklassen, die am Ende auf der Bühne eine Einheit bilden.
Auch für dieses Jahr plant die kleine Theaterfamilie einen etwas unkonventionelleren Abend in München: „Heimatabend mal anders" nennt sich das Projekt für 2014. „Konzept gibt es noch kein wirkliches", gesteht die Theaterfrau Veronika. Ihr Plan ist es, zu schauen, was es für Menschen gibt, welche Geschichten dahinterstecken: Was heißt Heimat, was ist München, was Südtirol für die Leute?
Ganz sicher wird es kein Theaterstück mit Rollen. „Eher so ein Collage", sagt Veronika gedankenverloren, „auch wenn ich das Wort nicht mag". Bestimmt wird es ein emotionaler und lustiger Abend mit Theater, Musik, Marende und vielen kleinen Südtiroler Geschichten fernab der Heimat.
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