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Mara Mantinger
Veröffentlicht
am 27.02.2018
LeuteSiegesdenkmal Bozen

Sieg und Frieden

Veröffentlicht
am 27.02.2018
Schandmahl oder Heldenstätte? Adina Guarnieri hat erforscht, wie die Sprachgruppen das Denkmal aus ihrer eigenen Perspektive sehen.
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Das Siegesdenkmal in Bozen ist seit seiner Einweihung im Jahr 1928 ein Ort, der für anhaltenden politischen Unfrieden gesorgt hat. Das Denkmal, das die im Ersten Weltkrieg gefallenen italienischen Soldaten ehren, aber vor allem die Herrschaft des Faschismus symbolisieren sollte, wurde schnell zur Projektionsfläche der Konflikte zwischen den Sprachgruppen. Als 2014 das Dokumentationszentrum in der Krypta eröffnete, studierte die Boznerin Adina Guarnieri gerade im Master „Beni Culturali“ in Trient. Sie war damals sowohl auf der Suche nach einem Nebenjob als auch nach einem Thema für ihre Abschlussarbeit. Mit dem Siegesdenkmal fand ihre Suche in beiderlei Hinsicht ein Ende: Während ihrer Zeit als Tourguide im Dokumentationszentrum vermisste sie eine Auseinandersetzung mit dem Denkmal nach 1945.

Adina, du hast dich in deiner Masterarbeit mit der Frage beschäftigt, wie nach 1945 mit dem Siegesdenkmal umgegangen wurde. Wie bist du dafür vorgegangen?
Ich habe sehr viel über das Siegesdenkmal gelesen und mir war dabei wichtig, dass ich sowohl Texte von deutschen als auch von italienischen Autoren lese. Die Berichterstattung zum Denkmal war in den ganzen Jahren in der deutschen und italienischen Presse völlig unterschiedlich. Daran kann man bereits erkennen: Je nachdem wer das Denkmal betrachtet, sieht eine andere Seite.

Adina Guarnieri

Wie hat denn die italienischsprachige Bevölkerung das Siegesdenkmal nach 1945 gesehen?
Für die italienischen Südtiroler war das Siegesdenkmal hauptsächlich ein Denkmal, das sie an ihren Start in dieser Region erinnert. Es ist für sie ein elementarer Teil ihrer Biografie, den sie nicht verlieren möchten. Gleichzeitig war es für sie schwer, sich in die deutsche Sprachgruppe hineinzuversetzen, die dieses Denkmal, also einen Teil ihrer Geschichte, weghaben wollte.

Ist das heute immer noch so?
Was mich bei der Bearbeitung des Themas sehr erstaunt hat, war, dass viele das Denkmal gar nicht mehr wahrnehmen. Und noch mehr hat mich erstaunt, dass die italienischen Rechten fast noch schlimmer sind als die deutschen, was das Denkmal angeht: Ich habe für die Analyse unter anderem das Gästebuch durchgearbeitet, und da waren die meisten negativen Kommentare von italienischsprachigen Besuchern. Sie beschweren sich beispielsweise darüber, dass der leuchtende Ring eine Beleidigung für das Denkmal darstelle – und dass im Museum ein völlig falsches Bild von der Geschichte vermittelt werde. Aber man muss dazusagen, dass diese Sichtweise eher die Ausnahme ist. Die meisten finden das Dokumentationszentrum sehr gut, weil es das Denkmal in einen neutraleren Rahmen setzt.

Für die italienischen Südtiroler war das Siegesdenkmal hauptsächlich ein Denkmal, das sie an ihren Start in dieser Region erinnert. Es ist für sie ein elementarer Teil ihrer Biografie, den sie nicht verlieren möchten.

Im Jahr 2002 wurde der Siegesplatz in „Friedensplatz” umbenannt und kurz darauf, nach einem Referendum, wieder in Siegesplatz umgetauft. Stand das Ergebnis des Referendums im Zeichen der Sichtweise der italienischsprachigen Südtiroler auf das Denkmal?
Ja und nein, man muss das Ganze relativieren. Beim Referendum haben 62 Prozent der Bozner für „Siegesplatz“ anstelle von „Friedensplatz“ gestimmt, das waren (mit einer Wahlbeteiligung von 62 Prozent, Anm. d. Red.) circa 30.000 Leute. Wenn man davon ausgeht, dass 30.000 Italiener noch totale Nostalgiker und Faschisten sind, dann wären wir echt schlecht dran: Das wäre dann ja die große Mehrheit. Ich denke, dass das Wahlergebnis eher eine Trotzreaktion widergespiegelt hat. Und was man auch nicht vergessen darf, ist, dass dem auch eine Hetzkampagne voranging, bei der sich „Alleanza Nazionale” und „Unitalia” viel mehr ins Zeug gelegt haben als die anderen Parteien.

Das Ergebnis war für viele Bozner und auch Südtiroler schon sehr prägend.
Ja, ich kann mich auch gut daran erinnern, wie die Schilder ausgetauscht worden sind. Ich war 15, auf dem Schulweg und habe beobachtet, wie sie das Friedensplatz-Schild ab- und das Siegesplatz-Schild angeschraubt haben. Ich weiß noch, dass mich das total schockiert hat. Es war sehr prägend und es ist im Gedächtnis der Bozner immer noch tief verankert. Vor zwei Jahren hat Caramaschi vorgeschlagen, man könnte das Denkmal in „Friedensdenkmal” umtaufen – die Antwort darauf war ein Shitstorm. In einer Meinungsumfrage des „Alto Adige” haben dann 78 Prozent der Leser angegeben, dass sie wollen, dass es weiterhin Siegesdenkmal heißt. Man sieht: Das „Friedensplatz”-Referendum ist eine offene Wunde. Ich glaube, da müssen wir noch eine Wählergeneration abwarten, bevor sich das langsam abkühlt.

Titelbild des „Alto Adige” nach der Explosion einer Bombe am Siegesdenkmal 1978

Die Stimmung um das Siegesdenkmal war aber schon deutlich schlechter – jahrelang musste es bewacht werden, weil die Gefahr bestand, dass es in die Luft gesprengt wird.
Ja, das stimmt. In den 70er- und 80er-Jahren war die Situation sehr angespannt – insbesondere nachdem am 1. Oktober 1978 unter der Büste von Damiano Chiesa eine Bombe explodiert ist. Wenn man heute hingeht, dann sieht man immer noch das Loch, welches die Bombe gerissen hat, es wurde nicht zugemauert. Drei Monate später wurde ein weiteres Attentat vereitelt, da wurden in der Krypta Gasflaschen gefunden. Die Situation hat sich danach deutlich beruhigt. Dazu beigetragen hat bestimmt auch, dass seit 1996 offiziell keine Kränze mehr niedergelegt werden. Das wurde immer als eine sehr große Provokation empfunden. Bis 1996 wurde am 4. November mit pompösen Paraden und Tricolore-Rauchschwaden das Ende des Krieges gefeiert. Ab 1996 wurde das dann abgeschafft, weil es so viele Protestaktionen gab: Deutschsprachige Südtiroler um die Schützen demonstrierten gegen die Kranzniederlegungen, Neofaschisten um den „Movimento Sociale Italiano” demonstrierten gegen diese Demonstrationen. Der Siegesplatz ist eben ein sehr ungünstiger Ort, um das Ende des Krieges zu feiern: Es hat zwar der Krieg aufgehört, aber dann sind italienische Truppen in Südtirol einmarschiert, also hat es sich für die deutschsprachige Bevölkerung so angefühlt, als ob der Staat die Besetzung Südtirols feiern würde. Es wurde zu aufwendig und teuer – 1996 mussten 400 Polizisten aufgeboten werden, um für Ordnung zu sorgen. Es gab nur mehr private Kranzniederlegungen, beispielsweise von Pietro Mitolo von „Alleanza Nationale”, oder auch von Giorgia Meloni. Die hat 2015 einen privaten Kranz hingelegt, um der italienischen Einheit zu gedenken.

Hat das Dokumentationszentrum die offene Wunde etwas heilen können?
Ja, es ist vieles besser geworden, seit es das Dokumentationszentrum gibt. Das Denkmal wurde historisiert und steht nun auf einem neutralen Sockel. Aber der Platz und der Park sind immer noch nicht wirklich Teil des Ganzen geworden; und auch die Umgebung, also der sogenannte „italienische” Teil von Bozen, wartet meiner Meinung noch darauf, dass er in einen Kontext gesetzt wird.

Das „Friedensplatz”-Referendum ist eine offene Wunde. Ich glaube, da müssen wir noch eine Wählergeneration abwarten, bevor sich das langsam abkühlt.

Wechseln wir die Sprachgruppe: Wie sehen die deutschsprachigen Südtiroler das Denkmal?
Das hängt wiederum davon ab, welche deutschsprachigen Südtiroler man fragt. Die eingefleischten Patrioten haben natürlich ein Problem damit. Nach all dieser Zeit, in der ich mich mit diesem Thema beschäftigt habe, kann ich das auch irgendwie nachvollziehen – aber wie gesagt, auch die italienische Seite ist teilweise einleuchtend. Was man generell festhalten kann, ist, dass junge deutschsprachige Südtiroler, die in der Stadt aufgewachsen sind, sicher eine andere Sicht auf das Denkmal haben, als die Leute aus den Dörfern, die weniger mit Italienern zu tun haben.

Wenn du über das Dokumentationszentrum bestimmen könntest und alles Geld der Welt zur Verfügung hättest: Was würdest du damit machen?
Ich würde einen neuen Raum einrichten. Es hat einmal ein sehr tolles Projekt vom Bozner Architekten Hermann Trebo gegeben, der vorgeschlagen hat, unter dem Kreisverkehr einen neuen Raum auszugraben und dort ein Museum für Zeitgeschichte, also ab 1945 einzurichten. Das finde ich eine sehr schöne Idee – man sollte im Museum nicht mit dem Jahr 1945 aufhören, danach ist noch viel zu viel Bedeutendes passiert.

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