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Thomas Tribus
Veröffentlicht
am 16.10.2015
LeuteGespräch mit einem Wandergesellen

Priamos’ Wanderjahre

Veröffentlicht
am 16.10.2015
Priamos Gruber aus Montan ließ einen alten Brauch wieder aufleben: Für drei Jahre und einen Tag begab sich der Zimmerer als Wandergeselle auf die Walz.
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Priamos Gruber hat die Welt bereist. Was in der heutigen Zeit nicht sehr beeindruckend klingen mag, hat einen ganz besonderen Hintergrund. Gruber war nämlich Wandergeselle und genau drei Jahre und einen Tag unterwegs. Der Brauch ist hunderte von Jahren alt, seine Wurzeln liegen im Mittelalter. Früher war es für einen frischgebackenen Gesellen Pflicht, auf die Walz zu gehen. Heute gibt es hingegen nur mehr wenige, die sich auf Wanderschaft begeben. Als gelernter Zimmerer ist Priamos Gruber mit 21 Jahren auf die Walz gegangen weil er, wie er selbst sagt, schon immer über den Tellerrand blicken wollte.

Es ist schon etwas nach 20 Uhr, als ich mich mit Priamos in der Sportbar in Montan, Priamus’ Heimatort, treffe. Der kräftige, junge Mann wartet schon vor der Tür, er trägt noch sein Arbeitsgewand.

Du hast nach drei Jahren Wanderschaft wieder einen regulären Job. Wie fühlt sich das an?
Es ist schon komisch, ich war jahrelang unterwegs und hatte nur selten einen festen Wohnsitz, da verändert man sich schon ein wenig. Aber es ist schön, wieder hier zu sein.

Du durftest für drei Jahre und einen Tag nicht mehr in die nähere Umgebung deines Heimatortes zurückkommen, warum war das so?
Das Wandergesellentum verfügt über einige uralte Bräuche und Traditionen, die jeder Wandergeselle einhalten muss. Einer davon war, dass ich meinem Heimatort nach Antritt der Wanderschaft für drei Jahre und einen Tag nicht näher als 50 Kilometer kommen durfte. Aber das war auch kein Problem für mich, schließlich wollte ich ja die Welt sehen. Ich glaube, dass diese Regel noch aus dem Mittelalter stammt. Damals ging man auf die Walz, um neue Techniken kennenzulernen und sein Handwerk zu perfektionieren, man wollte der Konkurrenz wahrscheinlich in die Karten gucken. (lacht)

„Man kann dann schon mal mit einem blauen Zeh aufwachen, aber das ist alles halb so schlimm.”

Wie bist du Wandergeselle geworden?
Während des Unterrichts in der Berufsschule hat uns unser Gemeinschaftskundelehrer von den Wandergesellen erzählt. Das Thema hat mich sofort fasziniert. Nach der Schule bin ich dann nach Hause und habe mich im Internet darüber informiert. Ich fand heraus, dass im Allgäu ein Wandergesellentreffen stattfinden sollte. Deshalb habe ich kurzerhand meine Sachen gepackt und bin da hingefahren.

Wie ging es dann weiter für dich?
Nun, zunächst musste ich mich für einen Schacht entscheiden. Als Schächte bezeichnet man die Wandergesellenvereinigungen. Meine Wahl fiel auf die Vereinigung der rechtschaffenen fremden Zimmer- und Schieferdeckergesellen. Nachdem man mit den Gesellen dort Kontakt aufnimmt, wird dein Lebenslauf gecheckt. Als Wandergesellen-Anwärter muss man einige Auflagen erfüllen. Vorbestrafte oder Verschuldete können zum Beispiel nicht Wandergeselle werden. Außerdem muss man ledig und somit nicht gebunden sein. Nach der Aufnahme wird einem für ungefähr drei Monate ein sogenannter Exportgeselle zugeteilt. Das ist ein erfahrener Wandergeselle, der einen in die Sitten und Bräuche der Wandergesellen einführt. Es ist nicht gerade ungefährlich, ohne Vorkenntnisse und Erfahrungsaustausch auf die Walz zu gehen.

War es schwer, dein altes Leben hinter dir zu lassen?
Anfangs ja. Ich habe vor allem meine Familie in den ersten Monaten vermisst. Ich musste auch mein Handy und alle meine elektronischen Geräte abgeben, was in der heutigen Zeit schon ein wenig komisch ist. Nach und nach gewöhnt man sich dann aber daran und schließlich meldet man sich nur mehr einmal im Monat zu Hause. Das hat meiner Mutter schon gestunken, aber ich hab ihr dann gesagt, dass sie sich erst Sorgen machen müsste, wenn ich mich mal öfters melde.

Wie kommuniziert ihr Wandergesellen miteinander, wenn ihr keine elektronischen Geräte besitzen dürft?
Nun, das ist eigentlich gar nicht so schwer, wie man sich das vorstellt. Jede größere Stadt verfügt über ein Internetcafe. Telefonzellen sind auch eine Option, auch wenn sie immer weniger werden.

Gibt es weitere Regeln, die ein Wandergeselle einzuhalten hat?
Oh ja, da gibt es einige (lacht).Öffentliche Verkehrsmittel sind grundsätzlich verpönt, auch wenn es manchmal einfach nicht anders geht. Zu Fuß nach Australien zu gehen, ist außerordentlich schwierig, wenn du verstehst, was ich meine (lacht). Es ist auch unsere Pflicht, die Kluft immer in ihrer Gesamtheit zu tragen. Die wohl wichtigste Regel eines Wandergesellen ist aber die, dass er sich auf Wanderschaft immer ehrenhaft und besonnen verhalten muss. Ein Wandergeselle hat einen bestimmten Ruf in der Öffentlichkeit zu wahren. Nicht nur seinen eigenen, sondern auch den der anderen Gesellen.

Wo hast du übernachtet, als du auf Wanderschaft warst?
Wenn man auf Wanderschaft ist, gibt es keine fixe Unterkunft. Es kann schon mal sein, dass man mitten im Winter auf der Straße schlafen muss. Warteräume auf Busbahnhöfen oder Tiefgaragen schaffen zwar Abhilfe, aber man kann trotzdem mal mit einem blauen Zeh aufwachen, das ist aber alles halb so schlimm. Das Einzige, was mir im Winter wirklich zu schaffen gemacht hat, war die verdammte Feuchtigkeit.

In welchen Ländern warst du bereits unterwegs?
Puh, das waren einige. Ich war einige Zeit in Australien unterwegs, dort hat es mir sehr gefallen. Neuseeland und Kanada habe ich mir auch angeschaut, dort ist es wunderschön.

Was würdest du jungen Menschen raten, die auch Wandergeselle werden möchten?
Meldet euch einfach bei mir! Ich gebe euch gerne Tipps mit auf den Weg und kann euch Kontakte zu verschiedenen Schächten herstellen.

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