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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 13.09.2017
LeuteSchauspielerin Antonia Tinkhauser im Porträt

Mut zur Nacktheit

Veröffentlicht
am 13.09.2017
Früher trat sie als Königin auf, heute spielt sie lieber den Narren. Schauspielerin Antonia Tinkhauser hat gelernt mit dem Krebs zu leben und ihren Beruf deshalb neu überdacht.
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„Ich möchte mich neu erfinden“, sagt Antonia Tinkhauser und nimmt einen Schluck vom Cappuccino. Wenn die Schauspielerin Kaffee trinkt, hat sie oft ein schlechtes Gewissen. Viel eher sollte sie ein Basenbad nehmen oder noch mehr Brokkoli essen. „Unheilbar“ lautete ihre Diagnose vor eineinhalb Jahren. Den Krebs in ihrer Brust hat sie damals selbst ertastet. Es folgte die Chemotherapie und eine harte Zeit für die zweifache Mutter. Heute sieht sie sowohl ihr Leben als auch die Schauspielerei aus einem anderen Blickwinkel.

Antonia mit neuem Kurzhaarschnitt

Bereits als Kind liebte es Antonia Tinkhauser, mit ihrer besten Freundin Szenen aus dem Fernsehen nachzuspielen. Mit 13 entstand die Liebe zum Musical. „Rollenspiele haben mich immer schon begeistert. Dass man beruflich Schauspielerin sein kann, habe ich aber erst mit 18 Jahren entdeckt“, erzählt Antonia. Auch ihre erste prägende Bühnen-Erinnerung geht auf diese Zeit zurück. Regisseur Manfred Schweigkofler engagierte sie damals auch ohne Schauspielausbildung für eine Produktion der Vereinigten Bühnen Bozen. „Das war der Moment, in dem das Theater mein Herz erobert hat“, meint die Überetscherin heute und muss kurz über ihre kitschige Aussage lachen.

Kurz darauf gingen ihre Bewerbungen an den Schauspielschulen in Salzburg und Innsbruck ein. An der „Walter Sachers“ Schauspielschule wurde sie schließlich angenommen. Dreieinhalb Jahre lang genoss Antonia Tinkhauser eine relativ intime Ausbildung in der Stadt am Inn. Drei große Prüfungen später nahm sie ihr erstes Stück an. Seitdem lebt sie von der Schauspielerei. „Natürlich kommen neben dem Job auf der Bühne auch Lesungen, Radiospots und Workshops dazu, aber man überlebt“, sagt sie stolz.

Es folgten Produktionen in Innsbruck und München. Weiter hinaus in die Welt aber habe sich Antonia nie getraut. „Damals war ich echt ein Küken“, erinnert sich die Schauspielerin. Könnte sie noch einmal zurück, würde sie die Welt bereisen und in der Ferne studieren. Auch ein Angebot in der Nähe von Leipzig hätte sie rückblickend dankend angenommen. Damals aber entschied sie sich, der Liebe wegen daheim zu bleiben. „Ich war immer schüchtern“, gibt Antonia zu. Einzig beim Spielen konnte sie diesen Charakterzug ablegen. Die Bühne sieht die 37-Jährige als Schutzschild, das sie auf eine gewisse Art und Weise unantastbar macht.

„Es ist der Hammer, wenn die Figur einfach so aus dir heraus spielt und du sie selbst für einen kurzen Moment nicht wiedererkennst.“

Wenn sie eine Rolle spielt, muss sie sie durch und durch fühlen und verstehen können – das ist Antonia Tinkhauser wichtig. Sonst fühle sie sich „fake“. Egal ob sie Adolf Hitlers Ehefrau Eva Braun, eine Nonne oder eine Hure spiele. „Es ist der Hammer, wenn die Figur einfach so aus dir heraus spielt und du sie selbst für einen kurzen Moment nicht wiedererkennst“, sagt sie. Genauso wie ihre Rollen hat sie auch das Familiäre im Theater anfangs stark eingenommen. Für die Zeit einer Produktion mit Südtiroler Größen wie Liz Marmsoler und Lukas Lobis eine Art Familie zu sein, war für die junge Schauspielerin unbeschreiblich schön. Zahlreiche Freundschaften bestehen bis heute. „Das ist aber nicht immer so“, weiß Antonia heute.[[{“fid”:”23187″,”view_mode”:”teaser”,”fields”:{“format”:”teaser”,”field_description[und][0][value]”:”%3Cp%3EAntonia%20als%20Nonne%3C%2Fp%3E%0A”,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Antonia Tinkhauser”,”field_license_type[und]”:”_none”,”field_url[und][0][url]”:””,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”link_text”:null,”attributes”:{“height”:427,”width”:320,”class”:”media-element file-teaser”}}]]

Viel zu vergänglich wären die Gefühle hinter der Bühne, viel zu schnelllebig die Freundschaften. „Das kommt einem oft falsch vor“, meint die Schauspielerin und zieht Schultern und Augenbrauen gleichzeitig hoch. Weil sie das Theater nun anders versteht, will sie sich auch auf der Bühne neu orientieren. „Das Theater bin aber nach wie vor ich. Auf der Bühne kann ich mich einfach verwirklichen“, sagt die Überetscherin.

Seit ihrer Krebsdiagnose hat Antonia viel darüber nachgedacht, was sie in ihrem Leben eigentlich will. Das Theater, das sie früher gespielt hat, bezeichnet sie heute als egoistisch. Nun will sie Botschaften vermitteln. Sie will mit Leuten in Kontakt treten. Dabei sei es absolut nicht wichtig, was sie auf der Bühne erlebe, sondern viel eher, was das Publikum erlebt und durch ihr Schauspiel am Ende für sich mitnimmt. Genau das begeistert sie heute. Ihr Ziel: „Ich will nicht mehr jede Rolle annehmen, sondern nur noch die, mit denen ich auch Botschaften vermitteln kann.“

„In dem Moment, in dem du dich fragst, ob du wirklich leben willst, muss alles in dir schreien: Ja, bitte!“

Zwei Jahre lang war die Überetscher Schauspielerin nun schon auf keiner Bühne mehr zu sehen. Die Angst, nicht mehr besetzt zu werden, beschäftigt sie. Genauso wie der Gedanke an den Krebs. Ihre Lebensfreude hat sie aber nicht verloren: „Ich hatte viel Zeit nachzudenken“, sagt Antonia. „In dem Moment, in dem du dich fragst, ob du wirklich leben willst, muss alles in dir schreien: Ja, bitte!“

„Ich bin mir sicher, dass ich am Krebs nicht sterbe“, sagt die Schauspielerin selbstsicher. Die Krankheit wirkt sich trotzdem auf all ihre Entscheidungen aus. Lange hat sie sich dagegen gewehrt, über den Krebs zu sprechen. Heute weiß sie, dass er zu ihr gehört und sie immer Krebspatientin bleiben wird. Durch die Diagnose habe sie zwar einiges verloren, doch eigentlich fühle sie sich mittlerweile glücklicher als zuvor.

Närrin anstatt Königin

Ein Herzensprojekt, dem sie vor einigen Monaten den Rücken gekehrt hat, ist das MurX, ein Theater mit Kursangebot und eigener Academy. Gemeinsam mit Sängerin und Schauspielerin Doris Warasin hat Antonia Tinkhauser diesen Verein auf die Beine gestellt und fünf Jahre lang aufgebaut. Ihre Erkrankung hat ihr aber gezeigt, dass die Bürokratie dahinter einfach zu viel für sie ist. Die meiste Zeit sitze man über Zetteln und verliere dadurch die Leidenschaft: „Wenn ich bei MurX auf der Bühne gestanden habe, habe ich während des Spielens die Personen im Publikum gezählt und ausgerechnet, wie viel wir einnehmen“, erzählt Antonia.

Ihre Rückkehr auf die Bühne wollte die Schauspielerin bereits in diesem Jahr bei den Rittner Sommerspielen feiern. Doch die Krankheit habe sie davon abgehalten. 2018 will sie definitiv wieder spielen. „Ich will hässlich sein und eklig“, sagt Antonia. „Ich muss nicht die Königin sein, ich spiele gerne den Narren.“ Die Südtiroler Theaterwelt ist ihr manchmal etwas zu brav. Man setze bei Frauen immer auf Schönheit und ziehe damit eine Grenze. Dabei würden Südtirols Bühnen mehr Emotionen, Entblößung, Verrücktheit oder Nacktheit vertragen. Auch Antonia wurde vor ihrer Krankheit durch ihre braune, lange Mähne oft in die Schublade des „braven Mädchens von nebenan“ gesteckt und so besetzt. Allein durch ihren frechen, blonden Kurzhaarschnitt hat sie sich irgendwie schon jetzt neu erfunden.

Antonia als Eva Braun

Leider hat Antonia Tinkhauser den Kampf gegen den Krebs nicht gewonnen. Sie ist am 9. April 2018 verstorben.

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