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Karin Duregger
Veröffentlicht
am 07.07.2025
LeutePorträt über Mirko Costa

Mit der richtigen Welle

Veröffentlicht
am 07.07.2025
Sich nach Lust und Laune zu kleiden, auch mal zu schminken, sich in seinen Gedanken und seinem Tun frei zu fühlen. Das gelingt Mirko Costa einfacher in Barcelona als in Südtirol. Seit sieben Jahren ist dies die Wahlheimat des 31-jährigen Schauspielers aus dem Gadertal.
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copyright Karin Duregger_Wie Mirko sich selbst sieht

Mirko schaut zwischen seinem Gipfele und mir hin und her, nippt zaghaft am Cappuccino, wartet höflich auf mein Go für unser Gespräch in einem Cafégarten in Bozen. Er hat diese nahbare Seite in ihm und doch steckt er voller Überraschungen. Vor rund acht Monaten habe ich mit ihm bereits gedreht: Mirko Costa war einer der Protagonist:innen für einen Kurzkinofilm zum Thema Künstler:innen und deren Träume und Hürden. Ja, Hürden habe er doch einige zu nehmen, meinte er schon damals im Interview. Vielleicht bringe der Job der Schauspielerei tendenziell mehr schwierige Momente als gute hervor. „Aber die schönen Erlebnisse beflügeln mich, machen mich glücklich. Ich kann mir beruflich nichts anderes als die Schauspielerei vorstellen“, sagt Mirko mit einem Lächeln und voller Überzeugung.
Seit einigen Jahren ist Barcelona seine Wahlheimat, für ihn und seinen geliebten Begleiter, einen Cocker Spaniel namens Kaiser.  

Schauspieler zu werden, das war für den heute 31-jährigen Mirko Costa, in La Villa im Gadertal aufgewachsen, ein Kindheitstraum. Heute spielt der ausgebildete Musicaldarsteller auch bei größeren Bühnenproduktionen in Südtirol mit. Außerdem ist er für Kinder-Musicalshows bereits durch Katalonien in Spanien getingelt, trat in einem Hotel in Mallorca einen Sommer lang bei Abendshows auf, spielte in Deutschland und der Schweiz auf Theaterbühnen. Ab und an ist Mirko auch in Werbespots zu sehen. Sein Ziel ist  es, in der Filmschauspielerei mehr Fuß zu fassen. Was für ihn alle Bühnenaufträge, aber auch die Schauspielerei vor der Kamera gemeinsam haben, ist, dass er jeweils in völlig andere Rollen als sein eigenes Ich schlüpfen, aus seinem Wesen und seinem typischen Handeln heraustreten kann. „Es fiel mir anfangs ziemlich schwer, in einer Bühnenrolle auch mal laut zu werden, zu schreien, das bin ich privat nicht. Aber es gefiel mir zunehmend besser, mich auszuprobieren“, erzählt Mirko über seine große Leidenschaft für die Bühne. Zudem gefällt ihm die Interaktion mit dem Publikum, wenn sich dieses zunehmend auf die Geschichte einlässt und ihm die gespielten Rollen „abkauft“. „Ich mag es, Menschen zu verzaubern.“ 

Bei den Proben für „House of Tschumpus – Der Letzte trinkt den Nusseler …“ mit Viktoria Obermarzoner. Das Stück ist noch bis zum 23. Juli im Tschumpus in Brixen zu sehen.

Ich kann mich noch gut an Mirkos ersten Händedruck erinnern, damals im Herbst, vor dem Filmdreh. Erstaunlich kräftig für den sportlich schlanken, schüchtern wirkenden Mann. Aber wir denken wohl zu oft in Schubladen. Mirko arbeitet hart und zielstrebig an sich. Das durfte ich auch bei der kleinen Fotosession bei aktuellen Theaterproben im Tschumpus in Brixen beobachten. Er versuchte sich initiativ mehrmals an einer Szene, hörte aufmerksam auf die Regieanweisungen von Regisseur Lukas Lobis. Auch im Gespräch mit mir korrigiert er Sätze nach, feilt an Aussagen. Es scheint ihm wichtig zu sein, seine Gedanken klar zu formulieren.

Seine Muttersprache ist Ladinisch, Italienisch spricht er fließend, Spanisch beinah auch und Englisch im Zahn der Zeit sowieso. Im Sommer führen seine Eltern – heuer bereits im 45. Jahr, sagt er stolz – die Pisciadù Hütte in Alta Badia, eine Schutzhütte auf 2.580 Metern. Hier hilft Mirko heute noch, wenn er im Lande ist, als Kellner mit aus. Er scheut auch in Spanien Gelegenheitsjobs nicht, greift mitunter auf seine zweite Ausbildung als Masseur zurück. Vielleicht haben ihn die Sommerjobs oben auf der Schutzhütte geerdet und bodenständig bleiben lassen. Womöglich haben ihn aber auch viele Momente in seiner Lebenstimeline geprägt, von denen es schon während seiner Kindheit nicht nur einfache gab. Die Mutter einer Nachbarsfreundin, mit der er manchmal auch mit Puppen spielte, meinte einmal zu ihm – er war 8 Jahre alt – dass ein Junge, der singt und tanzt, nicht normal sei. „Das ist mir ewig im Kopf geblieben.“

„Das ist mir ewig im Kopf geblieben.“

Eine Tante von Mirko meinte daraufhin zu ihm, als er völlig verunsichert nachfragte: „Aber sicher doch, alles ist erlaubt.“ Sie zog mit ihm los, um für ihn Puppen zu kaufen. „Überhaupt hatte ich immer schon von meiner gesamten Familie das Gefühl bekommen, unterstützt zu werden“, erzählt Mirko. Seine beiden um einige Jahre älteren Schwestern ermutigten ihn mitunter, die Hüttengäste mit Abendshows zu unterhalten. Er hat schon früh gelernt, sich zu überwinden und für das, was ihn ausmacht, einzustehen.

Schon während der Oberschulzeit bildete sich Mirko bei Tanz- und Gesangs-Workshops in Deutschland und Südtirol weiter. Dann versuchte er die Aufnahmeprüfung an einer Musicalschule in Hamburg. Das klappte zwar nicht auf Anhieb, dennoch zog er in diese für ihn damals pulsierende Stadt, stand monatelang jeden Tag vor dem Spiegel und sagte sich: „Ich bin Mirko Costa und bin Schüler dieser Musicalschule.“Im zweiten Anlauf schaffte er es dann auch. Abschließend absolvierte er noch eine Zusatzausbildung im Musicalbereich in Mailand. Dann tauchte er in die reale Schauspielwelt ein. Ein Casting folgte dem anderen, Zusagen und Absagen gaben und geben einander noch immer die Hand.

Die Welt hinter der Musicalbühne war und ist ihm oft zu laut, zu überdreht. „In der Künstler:innen-Welt trifft man generell immer wieder auf starke Persönlichkeiten“, sagt Mirko. Bei vielen ziehe sich diese glamouröse, laute Bühnenwelt oft ins Private. Davon distanzierte er sich schon während seiner Ausbildungszeit und freundete sich mit Gleichgesinnten an.  

Die Fotografin fragt, Mirko antwortet: „Wie sehen dich andere?“

Auf meine Frage, wie er sich selbst sehe, kommt recht schnell und ohne lange zu überlegen: „Neugierig, aber ruhig und ich möchte immer das Gefühl haben, nicht gebunden, sondern vor allem frei zu sein – im Tun und in meinen Gedanken.“ Barcelona bietet ihm das. Wenn er aber länger dort ist, dann vermisst er die Berge, seine Familie. Am liebsten wäre ihm eine Stadt wie Barcelona in Südtirol, sagt er mit einem Schmunzeln. „Man wird in Barcelona nicht komisch angesehen, weil man mal Glitzer im Gesicht oder Bock hat, sich zu schminken.“

Dann folgt ein sehr emotionaler Moment. Behutsam frage ich nach seiner sexuellen Orientierung. „Klar“, sagt Mirko. Er möchte reden, über Träume, über Hürden, über sich – für sich und für andere. Schon als Jugendlicher sei es ihm oft schlecht gegangen. Zunächst wusste er nicht, woher das rührte. Aber dann wurde ihm zunehmend klar: „Wenn ich einen Mann gesehen habe und ihn attraktiv fand, dann ging es mir schlecht. Ich dachte, das ist falsch.“ Nach einer Theateraufführung erzählt er seinen Eltern, dass ihm Jungs gefallen. Seine Eltern ahnten dies wohl schon, sagt er heute, aber er hatte Angst, dass sie ihn nicht mehr so sehen würden wie vorher. Im Gegenteil. Sie nahmen ihn in den Arm und sagten, er sei genau richtig, wie er ist.

„Man wird in Barcelona nicht komisch angesehen, weil man mal Glitzer im Gesicht oder Bock hat, sich zu schminken“.

Mirko huscht ein Tränchen über die Wange. Er rede nicht so oft darüber. Er ist seinen Eltern für so vieles dankbar. „Für mich ist es heute schwierig zu sagen, ob ich nur auf Männer oder auf Männer und Frauen stehe. Vermutlich bin ich bi. Ich verliebe mich einfach in die Menschen.“ Er möchte sich auch nicht als pansexuell definieren, das schließe wieder zu sehr ein bzw. aus, sei ihm zu rigoros definiert. Er liebt einfach, wen er liebt.

Finanziell ist Mirko selbständig und das seit vielen Jahren schon. Vielleicht stehen seine Eltern deshalb so unterstützend hinter ihm, weil sie die eigenen Träume eines Profifußballers und einer Lehrerin nicht ausleben konnten. Mirko wartet aber nicht auf Türen, die sich von alleine öffnen, er arbeitet konsequent an seinem Tun, an sich selbst, an seiner Schauspielkunst. Aktuell besucht er Kurse für die Filmschauspielerei.

Auf meine Frage, ob er sich denn geeignet fühle für diese doch oft harte Branche mit vielen Zurückweisungen, sagt er: „Wenn ich heute ein Nein höre, dann denke ich mir: Das hat eben nicht sein sollen. Und dann kommt mehrere Monate später etwas anderes und es macht für mich noch mehr Sinn. Wenn man einen starken Wunsch hat und dranbleibt, dann geht es auch vorwärts.“ Mirko wünscht sich, so viele Rollen wie möglich ausprobieren und seine Facetten ausschöpfen zu können. Auf der Theaterbühne liegt seine Stärke wohl im Komödiantischen, so weiß er inzwischen über sich selbst. Aber gerade für einen Spielfilm würde er gerne in tiefgründige Charaktere schlüpfen, mitunter auch traumatisierte Rollen spielen. Ja vielleicht auch eine bisexuelle Person verkörpern, meint er, aber nicht eine, die all die Klischees bedient und stereotyp dargestellt wird, sondern eine Figur, die in ihrer Komplexität erfasst wird.

Wie siehst du dich in Zukunft, Mirko?

Mirko erzählt vom Stempel, als Künstler eh kein Geld und keine Jobs zu haben. Manche möchten ihn dann zum Kaffee oder Mittagsbrötchen einladen. Aber nein, Mitleid wolle er keines. „Lieber weniger Aufträge als solche, die mich künstlerisch nicht weiterbringen.“ Geld macht nicht glücklich, das hat er von seiner Familie von Beginn an gelernt.

Immer mehr kristallisiert sich heraus: Mirko surft als Suchender und Findender auf einer Welle, von der er sich treiben lässt, deren Wellengang und Bahn er aber auch vertraut. „Ich glaube, als Künstler blickt man immer kritisch auf sich selbst. Wenn ich zu wenig zu tun habe, denke ich viel nach, dann kommen auch die Selbstzweifel. Aber mein Hund und die Musik holen mich in diesen Momenten wieder auf den Boden zurück. Und ich vertraue dem, was kommen wird.“

In ihm den wagemutigen Surfer zu sehen – hier ziehe ich keine Schublade für ihn heraus, sondern dieses Bild zeichnet dieser engagierte, kreative und neugierige junge Mann ganz alleine in die Welt und zwar für jene, die ihn sehen und sehen wollen.

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