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Es ist halb vier Uhr Nachmittag und es regnet. Es ist kühl, einige Nebelschwaden hängen bis zum Boden. Obwohl es Mitte August ist, ist das Wetter nicht sommerlich und schon gar nicht ideal, um zu grillen. Dennoch steigt in einem kleinen Garten in Kematen in Sand in Taufers Rauch auf. Davor steht ein Wagen mit der Aufschrift „Alpine Grill & BBQ“. Der Duft von Gegrilltem liegt in der Luft.
„Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Grills“, sagt Myrko Leitner, als er durch die Küche führt. Neben Haymo Gutweniger und Michele Capano gehört der 37-Jährige zum Dreiergespann MiG. Die „Männer im Glutrausch“ haben ein großes Hobby, das sie verbindet: das Grillen. Die drei standen schon immer gerne am Grill und experimentierten mit neuen Dingen. Seit 2011 machen sie es sich jetzt zur Aufgabe, die Südtiroler Grillwelt zu revolutionieren: Sie zaubern außergewöhnliche Kreationen mit ungewöhnlichen Gewürzen. Kunst und Kreativität am Grill stehen an oberster Stelle, denn „normales Grillen ist doch langweilig.“
Auch in der modernen Küche des Hauses riecht es bereits nach Essen. Gutweniger und Leitner stecken mitten in den Vorbereitungen. Bekleidet mit ihren schwarzen T-Shirts schneiden und würzen die beiden, was das Zeug hält. Capano kommt erst später, er ist noch bei der Arbeit. „Unsere Grillsaison geht vom ersten Jänner bis zum 31. Dezember“, sagt Gutweniger, während er das Fleisch von den Hühneroberschenkeln löst. Er bereitet die sogenannte Chicken-Bacon-Bomb vor, die es heute als Zwischengang gibt. Später wird er das Hühnerfleisch mit Rote Bete füllen und das Ganze mit Speck umhüllen.
Leitner rührt in der Zwischenzeit den Knödelteig für den Pressknödelburger. „Irgendwann kommt man auf diese komischen Ideen“, erklärt er und lacht. Entweder beim Autofahren oder beim Essen entwickelt das Trio seine Kreationen. Der Burger besteht aus Pressknödelscheiben, hinein kommen später ein weicher Ziegenkäse, gebratener Bauchspeck und Rucola (heute Blattsalat). Es brauche nur ein bisschen Fantasie, um nicht immer dasselbe zu grillen, so Leitner.
Neben privaten Grillpartys werden die Puschtra auch gerne von Gruppen gebucht. Pro Jahr haben sie um die 15 Events mit zwölf bis 50 Personen – von der Maturaklasse bis zur Geburtstagsparty für Senioren –, auf denen sie aus frischen und regionalen Produkten neue Gerichte zaubern. Von den Vorbereitungen bis zum Grillen erledigen dabei alles die Profis. Seit Anfang des Jahres halten die drei auch Seminare für Grillbegeisterte ab. Immer mit dabei ihre Event-Outfits: Kochjacken mit der Aufschrift „Seriengriller“.
Jetzt mischen die beiden Männer eine Trockenmarinade, genannt Rub. Zigeunerkraut für die Kalbsrippen, Schafgarbe und Hagebutte für die Lammkeule. „Das ist heute eine Premiere“, sagt Gutweniger. „Mal abwarten, wie es schmeckt.“ MiG verwenden ausschließlich Trockenmarinaden aus einheimischen Gewürzen. Diese haben den Vorteil, dass sie viel besser ins Fleisch einziehen und es gleich nach dem Marinieren auf den Grill kann.
Ein No-Go beim Grillen sei laut den Profis bereits mariniertes oder verpacktes Fleisch aus dem Supermarkt. Bei ihnen komme ausschließlich Biofleisch von einheimischen Bauern auf den Rost und auch dabei meist solche Stücke, die oft nicht genutzt werden. „Wir haben hierzulande eine wunderbare Landschaft, was das Essen angeht“, schwärmt Gutweniger. Der 45-jährige Verwaltungsleiter aus Reischach trägt das Fleisch in den Garten und legt es in den schwarzen Smoker, wo es vier bis fünf Stunden gart. Leitner kocht inzwischen die Kartoffeln für die Graukäsetarte. „Der größte Fehler, den die meisten bei einem Grillfest machen, ist der, dass sie nicht grillen, sondern frittieren“, sagt er. Durch zu viel Hitze werde immer wieder Öl nachgegossen, damit das Fleisch nicht verbrennt. Die Männer im Glutrausch verbrauchen hingegen durchschnittlich nur etwa 300 ml Öl pro Jahr.
Um sechs Uhr laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, als endlich der dritte im Bunde eintrifft. Capano macht sich gleich mit an die Arbeit und füllt Zucchinischeiben mit einer Mischung aus Topfen, Curry und geröstetem Lauch.
Der Regen ist mittlerweile etwas Sonnenschein gewichen. Die weiteren Gäste treffen ein: Grillchampion Tommaso Castiglioni und seine Freundin, die aus Legnago bei Mailand angereist sind. Dieses Jahr hat er die Italienmeisterschaft in Perugia gewonnen. Er schaut den drei Grillmeistern fasziniert über die Schulter, holt sich Inspirationen und macht Fotos.
Nach mehr als vier Stunden Vorbereitungszeit werden die ersten Häppchen im Garten serviert: Pusterer Bruschetta, das ist Schwarzbrot mit Lagreinbutter und gesäuertem Schopf, Apfel-Huhn-Spießchen und nicht zuletzt die äußerst leckeren Pressknödelburger, die gar nicht mal so stark nach Ziegenkäse schmecken. Inzwischen brät Capano die mit Graukäse gefüllten Fleischbällchen an. „Wir sind alle bekennende Fleischesser, aber es geht auch ohne“, sagt der 38-Jährige. Das wichtigste, so der Elektriker, seien bei einem Grillfest die Vielfalt, die gute Stimmung und die Atmosphäre. Der Rest ergebe sich dann von alleine.
Nach den ersten Gerichten wird am großen Esstisch in der Küche serviert, über dem eine Lampe mit der Aufschrift „Sterneküche“ hängt. Wie passend.
Weiter geht es mit alpinen Chicken Nuggets vom Grill. Ohne Fett, paniert mit Schwarzbrotsemmelbrösel und im Smoker gegart. Dazu gibt es selbstgemachte Currysoße aus Apfelmus, Currypaste und Currypulver. Pikant und süß. Ein ungewöhnlicher Geschmack, der auch beim Grill-Italienmeister gut ankommt. Ebenso wie die nachfolgenden Speisen, darunter „Erdäpfelblattlan“ mit geschmorten Spanferkelwangen und die Chicken-Bacon-Bomb. Alle Gerichte sorgen für einige erstaunte Gesichter und genussvolle „Mmhs“. Selbst der Graukäse, der oftmals zu kräftig schmeckt, passt auf der Tarte aus Kartoffelpüree äußerst gut. Am meisten überraschen die Gewürze an den Hauptgängen. Ebenso das Dessert: Kaiserschmarrn mit Marshmallow-Spiegelei. Alles vom Grill versteht sich.
Neben dem Essen sorgt die gute Stimmung für einen gelungenen Abend. Die drei Männer im Glutrausch beweisen, dass Grillen nicht einseitig sein muss. Sie machen Mut zu außergewöhnlichen Kompositionen und zeigen Gerichte, die man so noch nie gegessen hat. Mit vollem Bauch und neuen Ideen machen sich die Gäste danach auf dem Heimweg.
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